Die Lösung wäre ganz einfach
gewesen. Noch im letzten Jahr, zum 18. Geburtstag unsres Sohnes, hatten wir verzweifelt
nach einem typisch rheinischen Restaurant gesucht. Gelandet waren in einem
schwäbischen Restaurant im Rheinland. Paradoxer hätte es nicht kommen können.
Nun war der 21. Geburtstag
unseres großen Mädchens gekommen. Die richtige Idee schüttelte sie sogleich aus
dem Ärmel: das Sudhaus im Zentrum mit einem breiten Spektrum an rheinischer
Küche. Das Restaurant kannte ich aus der Weihnachtszeit – von dienstlichen
Weihnachtsfeiern und im Kreis der Familie während des Bummels über den Weihnachtsmarkt.
Wieso waren wir nicht vor einem Jahr auf diese Idee gekommen ?
Die rheinische Küche,
bodenständig wie andere deutsche Esslandschaften, aus heimischen Zutaten wie Kartoffeln
oder frisches Gemüse oder Braten oder Wurst bestehend, fristet eher ein
Nischendasein auf der Esslandkarte.
Daran sind vielleicht auch
die Preußen Schuld, denn sie kontrollierten, dass „kein welsches
(=französisches) Gericht über die Ufer trat“, nachdem die Rheinprovinz 1815 von
den Preußen eingenommen wurde. 1878 verglich ein unbekannter Reisender aus
Österreich die rheinische Küche mit seinem Heimatland – viel zu fahl und zu leicht
und unpassend zum auflebenden Temperament des Rheinländers.
Grünkohl mit Mettwurst, Rinderleber
mit Kartoffelpüree, Muscheln mit Schwarzbrot – die rheinische Kost ist deftig.
Weißkohl („kappes“) darf auf der Speisekarte nicht fehlen. Reibekuchen
(„rievkooche“) gehören ungefähr zum Grundnahrungsmittel eines jeden
Rheinländers. Nicht nur Erbsensuppe („ätzezupp“), auch andere Eintöpfe mit
einem Berg von Gemüse findet man in einem typisch rheinischen Restaurant.
Im Inneren sah das Sudhaus
rustikal aus wie ein Brauhaus in der Kölner Altstadt. Schwere Holzbalken hingen
unter der Decke, die Tischplatte war aus blankgewetztem, hellen Holz; senkrecht
verlaufende Holzbalken verschränkten sich zwischen den Sitzgruppen;
bodenständig und solide waren auch die Stillleben von Essen und Trinken an der
Wand. Weniger bodenständig hörte ich den Kellner mit der schweren Lederschürze
am Nachbartisch heraus. Mit einem gerollten „r“ und Zungenlauten wie im
Englischen redete er mit den Gästen in seiner Heimatsprache: er war Spanier.
Auf Deutsch bestellte ich das
Essen, das zur Urmasse des Rheinlands gehörte: Rheinischer Sauerbraten, dazu
Knödel und Apfelkompott. Während sich im Rest Deutschlands die Geister scheiden
und Grundsatzdebatten nicht enden wollen: Rosinen sind im Rheinland
maßgeblicher Bestandteil der Soße. Zum Sauerbraten wurden sie mir in einer
überreichlichen Menge serviert. Sauerbraten ist ein Teil meiner Kindheitserinnerungen:
meine Mutter legte selbst den Sauerbraten ein. In einem Tontopf, abgedeckt mit
einem Küchenhandtuch, stand er im Keller und die Marinade musste mindestens
eine Woche lang ziehen. Dementsprechend nahm der Braten den säuerlichen
Geschmack an und der Braten war zart wie Seide. Wer gibt sich heutzutage eine
solche Mühe ? Im Sudhaus stand der Sauerbraten meinen Kindheitserlebnissen um
nichts nach. Er schmeckte vorzüglich.
Verglichen mit anderen Regionen - wie etwa der pfälzischen, badischen oder schwäbischen Küche - fristet die rheinische Küche den
Status eines Mauerblümchens. Das ist jammerschade. Anlasten kann man dies nicht nur den Preußen, sondern auch dem Rheinländer selbst. Einige
Geschmackskreationen verdrehen sich gegen den üblichen Geschmack. „Flönz“, die
rheinische Blutwurst: wer kommt schon auf die Idee, Blutwurst zu braten ? Da
rebelliert mein Magen. Oder: ein Gemisch aus Äpfeln und Kartoffeln und Speck
braten. Wie bitte ? „Himmel und ääd“ nennt dies der Rheinländer. Gegen Himmel
und Erde wenden sich genauso meine Geschmacksnerven. Als wäre dies noch nicht
gastronomisches Unheil genug, stiftet der Rheinländer Verwirrung. Wer „ne halve
haan“ bestellt, dem serviert der Kellner nicht das heiß ersehnte Hähnchen,
sondern ein ganz spartanisches Roggenbrötchen mit Käse. Insiderwissen ist hier
gefragt. Die rheinische Küche hat halt ihre Exoten.
Ein gewisser Leopold
Schreiner beschrieb 1864 den Kölner so, dass er zur Beute von Schläfrigkeit und
Müßiggang geworden sei. Wenn es aber um das Essen gehe, regiere eine
ungezügelte Gier. Diese Zustände haben sich längst gebessert. Die rheinische
Küche ist längst konkurrenzfähig und braucht sich nicht zu verstecken.
Rheinischer Sauerbraten, Kassler mit Sauerkraut, Gemüsepfanne und unvermeidbare
Schnitzel: im Sudhaus aßen wir unsere Teller ratzekahl auf. Dabei ist allgemein
die Suche nicht einfach – nach typisch rheinischer Küche. Zu sehr ist die
Gastronomie des Rheinlandes in italienischer, griechischer oder chinesischer
Hand.
„L’addicion por favor“ wollte
ich gegenüber dem spanischen Kellner imponieren, doch meine Spanisch-Kenntnisse
bestanden nur noch aus Bruchstücken.
95 € bezahlten wir für sieben
Personen. „Noventa cinco“ half mir der Kellner weiter, denn zu den spanischen
Zahlen fand ich die Worte nicht.
Hej Dieter,
AntwortenLöschendas hab ich jetzt davon ... mein Magen knurrt.
:-)
Beate
Ich hab Hunger :-(
Hallo Dieter
AntwortenLöschenDie rheinische Küche ist nicht für jeden Geschmack geeignet, doch der Sauerbraten sah gut aus. Ich mach für mein Familie auch Möhreneintopf mit Pannas, oder Himmel und Erde mit Blutwurst, ich muss es aber nicht essen.
Hauptsache das Essen war gut und lecker und vom Preis kannste nicht meckern.
Liebe Grüße
Angelika
Also ich mag gebratene Blutwurst (Flönz) und wegen des haalven Hahns musste ich früher öfters lachen wenn Gäste mit offenen Augen auf ihren Teller guckten :-) So finde ich es superschade dass sich wenige Restaurants noch der einheimischen Küche widmen.
AntwortenLöschenIch finde es wichtig dsa jede Region auch ihre Spezialitäten behält, aber das ist ja meist überall so. Ganz zu schweigen dass einige junge Frauen auch gar nicht mehr kochen können und wenn dann nur auf Fertigprodukte zurückgreifen.
Mir ist jedenfalls auch das Wasser im Mund zusammengelaufen :-)))
Übrigens...beim nächsten Mal sagste dann besser: "La Cuenta por favor" (falls er dich nicht vestanden haben sollte) oder reibst nur Zeigefinger und Daumen...das versteht jeder *gg*
Liebe Grüssle
Hatte ich doch hier zu Weihnachten echt Schwierigkeiten RICHTIGEN Grünkohl zu bekommen ... Westfalenspeise halt.
AntwortenLöschenGrüße! N.
also den Rheinischen Sauerbraten würde ich dort echt probieren. Liest sich sehr lecker :-)
AntwortenLöschenlieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Im Stiefel in der Bonngasse kann man auch sehr gut rheinländisch essen ... kann ich nur empfehlen. Wir gehen öfter mit Kollegen nach der Arbeit mal hin und lassen es uns schmecken.
AntwortenLöschenDie Leber mit selbst gemachten Kartoffelpüree dort ist ein Gedicht *jamjam*