Es war eine Provokation. 1984
sollten in Köln Jahrhunderte alte Platanenreihen gefällt werden, die im
Viereck der Grünanlage am Kaiser-Wilhelm-Ring in Glied und Reihe standen. Kaiser Wilhelm: in seiner Epoche war der innerstädtische Kölner Ring
angelegt worden, der sich wie ein Halbkreis um die Kölner Innenstadt legte;
repräsentativ, luden die bürgerliche Fassaden der wilhelminischen Ära zum
Flanieren ein; breit, als Boulevard konzipiert, bezogen die Architekten auch
Grünanlagen ein; am Kaiser-Wilhelm-Ring plätscherte zwischen Blumenbeeten und Platanenreihen
noch Wasser aus einer Brunnenanlage, das in die geometrischen Linien von Teichen
floss.
Das Fällen von fünfzehn
Platanen war der Gipfel von Ignoranz und Zerstörungswahn. Sie sollten einer
geänderten Straßenführung weichen, wobei im Zuge des U-Bahn-Baus der gesamte
Platz umgestaltet werden sollte. Aus zwei Einbahnstraßen links und rechts des
Platzes sollte eine breite Straße werden, auf der der Verkehr in beide
Richtungen fließen konnte. Unter dem Platz sollte für die Kunden eines
Möbelhauses eine Tiefgarage gebaut werden. Dafür sollten die fünfzehn Platanen
weichen. Das hätte man auch anders haben können, indem man den
Einbahnstraßenverkehr beibehalten hätte – wie an vielen anderen Stellen des
Rings.
Zu viele unstimmige
Aktivitäten bei der Umgestaltung des Platzes, keine Bürgerbeteiligung,
Verhalten der Verantwortlichen wie in einer Diktatur – das ließen sich die
betroffenen Kölner nicht gefallen. Rings um den Kaiser-Wilhelm-Ring hatte
bereits die Hausbesetzerszene um sich gegriffen. Anfang der 80er Jahre war Köln
keineswegs gleichgeschaltet mit allgemein vorgegebenen oder von oben
verordneten Meinungen. In Köln hatte sich eine breite Szene von
Intellektuellen und anderen Querdenkern zusammengefunden, die ihr eigenes
Denken propagierten. Sie glaubten an Bewegung und Veränderung. Die fünfzehn
Platanen wurden zum nächste Objekt ihres Widerstandes.
Am 21. Januar 1984 probten
Aktivisten aus der alternativen Szene den Aufstand. Sie ketteten sich an die
fünfzehn Platanen und riefen „die freie Republik Platania“ aus. Platania bekam Zulauf, so dass bald der halbe Kaiser-Wilhelm-Ring besetzt war. Die
Besetzer harrten im Winter bei eisigen Temperaturen aus und hofften, dass sich
bei den Verantwortlichen – das war der Rat der Stadt Köln – etwas bewegte.
Diese zeigten sich
halsstarrig und weigerten sich von vornherein, andere Varianten der
Verkehrsführung zu diskutieren. Man munkelte, dass ein Deal zwischen einem
CDU-Abgeordneten aus Lindenthal und dem Möbelhaus, das die Tiefgarage für ihre
Kunden brauchte, eingefädelt war, so dass die Fällung der Platanen nicht mehr
zu stoppen war. Daraufhin ereilten die Öffentlichkeit weitere Hilferufe. Das
war Walter Hermann, der gleichzeitig die Klagemauer der Wohnungsnot vor dem Dom
aufbaute. Und das war Klaus der Geiger – Kölns bekanntester Straßenmusikant –
der sich an Wolfgang Niedecken wendete. Bei abermals eisigen Temperaturen gab
BAP im Winter 1984 ein Konzert in Platanien. Wolfgang Niedecken schrieb dafür
sogar ein eigenes Lied „Jröön en Platania“.
Bis zum 4. März 1984 hielten
die Aufständischen durch. Dann setzte der Ordnungsstaat seine
Polizei-Maschinierie in Gang. Ketten wurden mit der Trennscheibe gelöst, Knüppel
vertrieben die Demonstrierenden vom Kaiser-Wilhelm-Platz. Die Motorsägen fraßen
sich in die Baumstämme hinein. Als die Platanen fielen, dürfte die Seele der
Aufständischen geblutet haben. Der Staat hatte sein Gewaltmonopol durchgesetzt.
Die freie Republik Platania war in ein Nichts aufgelöst worden.
Über die Polizeiaktion wurde
danach der Mantel des Schweigens ausgebreitet. Ob der Polizeieinsatz für die
Obersten der Stadt Köln Konsequenzen gehabt hat, habe ich nicht recherchieren
können. In den heutigen Zeiten von Stuttgart 21 erscheint es zweifelhaft, ob
das rohe Niederknüppeln von Demonstranten zum gewünschten Erfolg führt. Bei der
Landtagswahl in Baden-Württemberg haben Mappus & Co dies jedenfalls
schmerzlich erfahren.
Ich liebe Platanen...sie werden so herrlich groß,wirken erhaben und mächtig.
AntwortenLöschenMir tut es weh,um jeden Baum der gefällt wird.
Meine Schwiemu in spe hatte einen wunderschönen,alten Apfelbaum im Garten ihres neuen Hauses.
Beim nächsten Besuch war er plötzlich weg !!!
"Der störte ja nur", hieß es dann.
Oh weh,oh weh...
Interessante Schilderund Rainer,
AntwortenLöschenJa mein lieber mit den Plantanen ist das nicht so einfach, von aussen sehen sie gesund aus und von innen sind sie hohl. Hier sind sie reihenweise Opfer der Motorsäge geworden und das war höchst Zeit, alles Stämme waren hohl.
Liebe Abendgrüße
Angelika
Dann isses natürlich mehr als wichtig, sowas kenne ich aus D. sogar noch von Eichen :-(((
LöschenEs ist echt traurig, will man auf dem eigenen Grund und Boden einen Baum entfernen dann müssen etliche Nachweise erbracht werden warum, aber Stadtväter dürfen sich solche Dinge erlauben. Sicherlich, wenn Bäume krank sind, dann müssen sie weg...aber wegen Fehlplanungen... Du hast selber geschrieben es hätte eine andere Möglichkeit gegeben, aber neee...der Verkehr geht vor :-(((((
AntwortenLöschenKenne auch so einen Fall, eine Stadt die immer Lindenstadt war, ganz einfach weil eine lange Allee an beiden Seiten mit uralten Linden bepflanzt war. Tja, die mussten weg um die Straße vierspurig zu machen. Auch da wurde wieder Geld rausgeworfen, und nach ein paar Jahren, die Linden waren natürlich weg, wurde die Straße wieder auf zwei Spuren zurückgebaut. Könnte heute noch kotzen wenn ich daran denke, vor allem weil der Rückbau hässlich hoch drei wurde.
Hier auf der Insel wird ganz genau darauf geachtet was wo wächst, und ein Bauvorhaben wurde im Keim erstickt weil auf dem Grundstück endemische Pflanzen wachsen. Finde ich absolut gut!!
Danke für deinen Bericht und die Recherche.
herzliche Grüssle
Een fascinerend stukje geschiedenis, Dieter. Ik let ook vooral op de muzikanten, Klaus der Geiger en Wolfgang Niedecken.
AntwortenLöschenIch kann mich noch schwach erinnern, dass wir an der Uni Bonn um Hilfe gebeten wurden für die Demonstartionen. Allerdings war ich nicht da, ich musste im Labor noch Analysen kochen, aber es war ein ruhiger Tag, viele Arbeitsplätze waren leer.
AntwortenLöschenLG Arti
Den Unterschied zwischen Platania und S21 machte Youtube. Das gab es 1984 natürlich noch nicht. Der brutale Polizeieinsatz am "schwarzen Donnerstag" in Stuttgart hätte nicht für so viel Aufsehen gesorgt, wenn nicht zahlreiche Handyvideos der Demonstranten auf YouTube gelandet wären.
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