1957 wurden Jean Noel und André Laurent stutzig. Jean Noel
war Priester in Mirecourt, einer 8.000-Seelen-Stadt zwischen Nancy und Epinal,
der Hauptstadt des Département Vosges – irgendwo in Lothringen.
Der Ausläufer der Vogesen krümmen sich über die
Hügellandschaft. In einem Seitental der Mosel gelegen, ragt der Glockenturm aus
den engen Straßen zwischen flach herunter gezogenen Häuserdächern heraus. Die
Kirche „Notre dame de la nativité“ in der Jean Noel Pfarrer war, liegt im
Herzen des Städtchens Mirecourt.
Gemeinsam mit André Laurent, einem anderen Pfarrer im Département
Vosges, recherchierten die beiden die Spuren des Heiligen Pierre Fourier, der
in Mirecourt geboren war. Noch heute gibt es eine Inschrift aus dem Jahr 1608,
dass Pierre Fourier in der Kirche „Notre dame de la nativité“ 1565 getauft
worden ist. „Nativité“ bedeutet Geburt, so dass die Kirche nach Pierre Fourier
benannt worden ist.
Als Jean Noel und André Laurent die Glocke betrachteten,
rätselten sie und staunten, denn die Glocke trug die Aufschrift
„Schwartzenrheindorff“. Obschon manche Dörfer und Städte in Lothringen auf
„-dorff“ oder „-troff“ enden, gab es nirgends einen Ort oder eine Stadt namens
„Schwartzenrheindorff“.
Woher stammte die Glocke ? In der Stadtchronik und Archiven
wurden sie fündig. Die Glocke war eine Kriegsbeute der Napoleonischen Truppen,
nachdem diese 1794 das Rheinland besetzt hatten. Bei Beutezügen in der
damaligen Zeit war es durchaus üblich, Städte zu plündern und alles, was
kostbar war, einzukassieren. Dazu gehörten auch Glocken.
Die Glocke war aus der Doppelkirche in
Bonn-Schwarzrheindorf aus dem 12. Jahrhundert geraubt
worden. Im Jahr 1636 war die Glocke gegossen worden und dem Heiligen Michael
und Maria Magdalena geweiht worden. Die französischen Besatzungstruppen hatten
offensichtlich eine Verwendung für diese Glocke. So wurden die 330 Kilogramm
Glockengewicht nach Mirecourt in Frankreich geschafft, so dass die Kirche des
Heligen Fourier dem Heiligen Michael Unterschlupf gewährte.
Was tun ? 1957 hatte sich das Verhältnis zwischen den
Erzfeinden Deutschland und Frankreich längst entspannt. Jean Noel und André
Laurent reisten nach Bonn, um die Kirche des Heiligen Michael kennen zu lernen,
aus dem die Glocke geraubt worden war.
Diese Reise fiel genau in die Phase hinein, in der die
Grundlagen für die deutsch-französische Freundschaft geschaffen wurden. So
jährt sich Morgen der 50. Jahrestag der Elysée-Verträge, die zwischen Konrad
Adenauer und Charles de Gaulle unterzeichnet wurden.
Die Glocke geriet in den Sog der Außenpolitik. Das Schicksal
der Glocke wurde somit auf höchster politischer Ebene diskutiert. Es war
gemeinsamer Wunsch der beiden Kirchengemeinden in Mirecourt und
Bonn-Schwarzrheindorf, die geraubte Glocke von Mirecourt nach Bonn
zurückzuführen und der Kirchengemeinde Mirecourt eine neue Glocke zur Verfügung
zu stellen. Dafür spendierten die beiden Staaten entsprechende Geldmittel.
Kurz darauf, gründeten Bonn-Schwarzrheindorf und Mirecourt
eine Städtepartnerschaft. Am 27. März 1965 war es dann soweit: die Glocke aus
dem Jahr 1636 war in Bonn-Schwarzrheindorf aus Mirecourt wieder angekommen.
Gleichzeitig war die neue Glocke für die Kirche „Notre-dame de la nativité“ in
Mirecourt fertig gegossen worden.
Beide Glockentürme wurden mit einem großen Fest gefeiert,
dabei war in Bonn Konrad Adenauer sogar persönlich anwesend. Unter den
Gratulanten gehörte auch Papst Paul der VI., der mit diesen Glockentürmen all die
Liebe zweier christlicher Völker verband.
So sind zwei Glockentürme zum Symbol der Freundschaft
zwischen Deutschen und Franzosen geworden.
Bedanken möchte ich mich bei der französischen Bloggerin MamLéa, die mir die Veröffentlichung der Fotos aus Ihrem Blog erlaubt hat.
Sehr interessant, und genau richtig zum Deutsch-Französischen Tag^^
AntwortenLöschenKann man mal sehen welche Reise so eine Glocke hinter sich haben kann. So möchte ich nicht wissen wieviele Dinge früher geraubt wurden. Jedenfalls finde ich die Recherche gut, und auch das durch die Glockentürme ein Symbol der Freundschaft wurden.
Dir einen schönen Tag und herzliche Grüssle
Nova
Danke schön, Dieter !
AntwortenLöschenGuten Deutsch-Französischer Tag.
J'ai lu grâce à une mauvaise traduction Google...
Hallo mein lieber Dieter, das ist ja Geschichte pur.
AntwortenLöschenDanke für diese interessante Post.
Es ist doch schön das diese Glocke eine Freundschaft besiegelte.
Liebe Dienstagsgrüße
Angelika
Interessante Geschichte, vielen Dank dafür! Man fragt sich was sich so manch Kirchenvater dabei dachte geklaute Glocken in seinen neu erbauten Turm zu hängen. Wohl nur, dass die glocke ja froh sein kann, bleibt sie doch schließlichin der Familie.
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
N.
Anlässlich dieses großen Ereignisses, 50 Jahre deutsch-französische Freundschaft, hast auch du einen Disput aufgegriffen, klasse recherchiert und uns darüber berichtet.
AntwortenLöschenFast könnte man sagen: "Ende gut, alles gut!" Und so soll es auch sein, das wünschten wir uns doch in vielen anderen Bereichen ebenso, nicht wahr?
Diese deutsch-französische Freundschaft ging ja gestern überall durch die Medien. Ich bin der Meinung, es ist auch wichtig, daran zu erinnern, dass zwei große Staatsoberhäupter den Mut hatten, eine lange Feindschaft auf einen anderen Weg, nämlich in Richtung Frieden und Freundschaft zu bringen.
Liebe Grüße
Christa
Eine Geschichte mit Happy End. Mögen die nächsten 50 Jahre wieder so friedlich verlaufen!
AntwortenLöschenLG Arti