Im Jargon eines Fondsmanagers hört sich das alles
vollkommen easy an. Unsere Gesellschaft altert, das hatte nicht erst Frank
Schirrmacher in seinem Buch „Das Methusalem-Komplott“ festgestellt. Unter der
alternden Bevölkerung nimmt die Anzahl der Pflegefälle zu, das war schon so vor
der Einführung der Pflegeversicherung 1995. Die Methusalems unserer
Gesellschaft wollen in ihren Häusern, im Schoß ihrer Familie wohnen bleiben,
bis es nicht mehr anders geht: Schlaganfall, Sturz, Demenz, dann kann der Weg
ins Pflegeheim von einem Tag auf den anderen drohen, schlagartig und
unvorbereitet. Angehörige ? Manchmal sind es Glücksfälle, dass Angehörige in
der Nähe wohnen, die sich kümmern könnten. Aber allzu oft sieht die Realität
anders aus: die Angehörigen haben sich in den Weiten unserer Republik zerstreut,
sie sind in sich zerstritten oder im Mittelpunkt ihres Lebens steht das eigene
Ich. Also zeigt die Kurve der potenziellen Pflegefälle steil nach oben.
Alten- und Pflegeheimen sind somit Wachstumskurven
beschert, von denen andere Branchen nur träumen können. Neubauten kosten,
barrierefrei, schwellenfrei, mit Bewegungsflächen für Rollstühle und
Rollatoren, rollstuhlgerechten Bädern, niedrigen Griffflächen in Küchen, mit
Notrufanlagen und Leitsystemen, die auf alle Wechselfälle des Alltags
vorbereitet sind.
Wie einen bunten Blumenstrauß, stellen Fondsmanager
ihr Portfolio zusammen. Sie sammeln Geld von Anlegern ein, dass sie dann
scheibchenweise investieren. Hier eine Büroimmobilie, dort ein Einkaufszentrum,
hier Eigentumswohnungen, dort ein Hotel, aber bitte: alles in exklusiver und
teurer Lage, damit die Immobilie von explodierenden Grundstückspreisen
profitieren kann, zinsbringend und renditestark. Vollkommen easy ist das. Und
seit geraumer Zeit gehören Alten- und Pflegeheime ebenso zu diesem bunten
Blumenstrauß.
Im einer Verkaufsbroschüre der DPF Deutsche
Pflegefonds AG hört sich das so an:
„Das Leistungsspektrum der DPF Unternehmensgruppe
konzentriert sich auf die Investition, Finanzierung, Entwicklung und das Asset-Management
von Seniorenimmobilien … das sind sämtliche operativen Schritte von der Markt-
und Standortanalyse über den Erwerb und die Finanzierung und das langfristige
Management, bis zum Interim-Management des Betriebes … nur wer das Asset
richtig versteht und sich in den Märkten bestens auskennt, kann langfristig
erfolgreich agieren. Dieses Spezialwissen im Bereich des Betreibens von
Pflegeheimen und Betreuten Wohnungen, der nachhaltigen Ertragsoptimierung auf
der Immobilien- und Betreiberseite, der Projektentwicklung sowie der Finanzierungsstrukturierung,
ist die Basis für dieses erfolgreiche Unternehmen.“
Die nachfolgenden Zusammenhänge sind konstruiert,
sie dürften aber nicht allzu weit weg von der Realität liegen. Zwei Todesfälle
in einem Alten- und Pflegeheim in Bonn-Dottendorf hatten zuletzt Aufsehen
erregt, nachdem zwei Heimbewohnern im Alter von 70 und 75 Jahren falsche
Medikamente verabreicht worden waren. Ob dies ursächlich geschehen ist, damit
beschäftigt sich derzeit die Staatsanwaltschaft. Nachdem eine anonyme E-Mail an
den WDR die Zustände in diesem Alten- und Pflegeheim als unhaltbar bezeichnete,
ja, sogar Fälle von Körperverletzung und Diebstahl nannte, unternahmen Polizei
und Staatsanwaltschaft weitere Schritte. Sie ermittelten über die beiden
Todesfälle hinaus, sie beschlagnahmten Heimakten und veranlassten, dass das
Heim wegen einer Gefährdung der Heimbewohner geschlossen wurde.
Der Betreiber des Alten- und Pflegeheims, die
Senator GmbH, ansässig in Lübeck, unterhält weitere Heime in NRW,
Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein. Zum Bau und zum Betrieb von
Alten- und Pflegeheimen könnten Gelder aus Immobilienfonds geflossen sein. Konkret
liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Allgemein und übergreifend hatte aber das
Handelsblatt festgestellt, dass die öffentliche Hand Investitionen in Alten-
und Pflegeheime nicht mehr stemmen kann. Daher müssten private Investoren
einspringen, zwangsläufig, die dann von Immobilienfonds eingesammelt werden.
Fondsmanager, die nur Rendite und nichts anderes
interessiert, könnte man dann mit einem Aufseher in einer Galeere vergleichen. Der
Aufseher musste die Sklaven antreiben. Wenn diese nicht ihr Pensum erbrachten,
wurden sie ausgepeitscht. Ausgepeitscht wird heutzutage niemand in Alten- und
Pflegeheimen. Dafür gibt es aber andere Indikatoren, was den Umgang mit der
menschlichen Ressource der Arbeitskraft betrifft.
30.000 Fachkräfte in der Altenpflege fehlen, ein
Altenpfleger verdient mit durchschnittlich 2.568 € rund 600 € weniger als ein
Krankenpfleger, das hatte zuletzt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
heraus gefunden. Chronisch unterbesetzt, im Grenzbereich zum Mindestlohn,
dürfte eine gehörige Portion Idealismus und Menschlichkeit dazugehören, solch
einen Knochenjob auszuüben. Oftmals schaffen es auch Leiharbeiter und
Aushilfskräfte nicht, den Personalmangel zu beseitigen. Der Gesetzgeber sieht einen
Mindestanteil von 50% heimeigenen Kräften mit einem dauerhaften Arbeitsvertrag
vor, was in dem Dottendorfer Alten- und Pflegeheim nicht der Fall war. Planbare
Tagesabläufe dürften unter diesen Rahmenbedingungen die Ausnahme sein. In
ständiger Zeitnot, werden dann die Methusalems unserer Gesellschaft abgefertigt
wie in einer Fabrik.
Ganz easy, optimieren Fondsmanager ihr Immobilien-Portefeuille,
indem sie ganze Pflegeheim-Ketten von einer Gesellschaft in die andere
umhängen. Hat es der alte Eigentümer nicht geschafft, die nötige Verzinsung
heraus zu peitschen, dann wird es der neue Eigentümer versuchen. Selbst wenn
Todesfälle geschehen, wird sich der Fondsmanager so verhalten wie der „Prügler“
in Kafkas Roman „Der Prozess“. Die Frage nach der Schuld wird er nicht stellen.
Anstatt dessen wird er die Schuld weiterreichen in die Organisation, hinter der
sich ein nebulöser Apparat versteckt. Seine einzige menschliche Regung wird er
zeigen, indem er die Augen verschließt.
Lieber Dieter,
AntwortenLöschenda hast du ein heißes Eisen angefasst. Deinen ausführlichen
Recherchen ist nichts mehr hinzuzufügen.
Einen schönen Abend wünscht dir
Irmi
Entsetzlich! Die Rendite macht’s und der Mensch und die Menschenwuerde sind Nebensache.
AntwortenLöschenWenn die Pfleger nicht bezahlt werden, wenn ihre Arbeit nicht anerkannt wird, kann man auch von ihnen keine Wundertaten erwarten.
Wir haben uns auch mit der Frage der Versorgung im Alter befasst. Bei uns wird wohl das ganze Haus draufgehen; in ein staatlich gefuehrtes Altenheim will ich auf keinen Fall. Man kann eigentlich nur hoffen, dass man bis zum Sterben unabhaengig und halbwegs mobil bleibt.
'Seine einzige menschliche Regung wird er zeigen, indem er die Augen verschließt'.
AntwortenLöschenHeute legst du einen Finger wirklich direkt in die Wunde!
Aber: Verschließen wir nicht alle - vor so vielen Dingen - unsere Augen?
Danke, dass du diesen Missstand einmal unter die Lupe genommen hast. LG Martina
Liebe Dieter
AntwortenLöschenDanke für Deinen lieben Kommentar auf meinem Blog.
Herzlichst grüsst Dich Yvonne
Es ist deprimierend. Ich habe seit einem Jahr auf diesem Gebiet etliche Sorgen, bin aufgrund der Umstände zu solchen Lösungen wie Heimunterbringung genötigt und hoffe ( ganz blauäugig ), dass dort alles in Ordnung ist. Die in diesem Bereich tätigen Familienangehörige würden niemanden in einem Heim unterbringen. Aber ich habe keine Alternative...
AntwortenLöschenWie alles, aus dem man Geld schlagen kann, wird entsprechend organisiert. Vielleicht magst du dich mit deinen Fähigkeiten und Kenntnissen mal mit TISA auseinandersetzen. Das ist dann die nächste Stufe...
LG
Astrid