St. Pantaleon, Westwerk |
Man schrieb den 14. April 972, das war der Weiße
Sonntag der lateinischen Kirche, als sich das Hochzeitpaar das Ja-Wort gab.
Ganze 17 Jahre waren beide jung, der Thronfolger Otto II. und Theophanu. Kein
geringerer als der Papst, das war Johannes XIII., traute sie. Und die Hochzeit
fand an keinem geringeren als dem Heiligsten Ort des Abendlandes statt, in Rom.
Und das in dem neben Jerusalem wichtigsten Pilgerort des Abendlandes – das war die Kirche St. Peter, wo der Apostel Petrus
begraben war. Gleichzeitig krönte
der Papst die Braut in ihrem schneeweißen Brautkleid zur Kaiserin.
Wie so oft unter Kaisern und Königen, war die Hochzeit
politisch motiviert. Der Kölner Erzbischof Gero hatte Kontakte nach Ostrom
geknüpft. Ostrom, das war nach Untergang des römischen Reiches Konstantinopel –
oder das heutige türkische Istanbul. Ostrom oder Byzanz war ein stabiles
politisches Gebilde, ganz im Gegensatz
zu der untergegangenen Westhälfte des römischen Reiches.
Karl der Große hatte um 800 das Heilige römische
Reich deutscher Nation geschaffen, das die heutigen Staaten, Frankreich,
Deutschland und Italien umfasste und noch einige kleine Staaten mehr. Nach
seinem Tod teilte sich sein Reich auf, es zerbröselte an den Rändern und von innen. Hunnen, Wikinger, Normannen, Mauren fielen ein. Otto I. gelang es schließlich, nachdem er die Hunnen besiegt
hatte, das einheitliche Staatengebilde von Frankreich über Deutschland bis nach
Italien wieder aufleben zu lassen. Nach Karl der Große war er 962 der erste
deutsche König, dem der Papst die Kaiserwürde verlieh, der ein Heiliges römischen
Reich deutscher Nation regierte.
Dieses römische Reich deutscher Nation endete vor
der Stiefelspitze Italiens. Dort begann Byzanz, über das Mittelmeer folgte
Griechenland, das seine Antike wiederbelebt hatte und zum führenden Staat in
Kultur, Geist und Wissenschaft aufgestiegen war, dann kam Konstantinopel,
dessen Machtbereich sich bis ins heutige Syrien erstreckte.
Genau dieses Staatengebilde hatte Otto I. im
Blickfeld gehabt, als ihm die Vision einer Hochzeit seines Sohnes Otto II. mit
dem Herrscherhaus Byzanz erschienen war. Tatkräftig mitgewirkt bei der Auswahl
der Braut hatte der Kölner Erzbischof Gero, als er Ende des Jahres 971 eine
Delegation nach Byzanz entsandte. Aus den bedeutendsten Herrschergeschlechtern
Griechenlands sollte eine Braut ausgewählt werden. Otto II. war wählerisch, was
ein Indiz dafür sein könnte, dass es eine Liebesheirat war. Die Töchter aus dem
Hof der Romanos lehnte Otto II. ab, weil sie ihm zu alt waren. Theophanu aus
dem Herrschergeschlecht der Tsimiskes war gleichaltrig, und diese Braut gefiel
ihm sofort.
Kuppelbau hinter dem Westwerk |
Der Segen des Papstes am 14. April 972 war hoch offiziell, so dass das west- und das
ost-römische Reich verheiratet wurden. Im
Sommer 972 überquerte das frisch vermählte Kaiserpaar die Alpen, im August
erreichte es das Kloster St. Gallen, welches der griechischen Kultur verbunden
war, da die Mönche sich mit griechischen Schriften aus der Antike befassten.
Im Spätsommer ging es über den Rhein nach Köln.
Konstantinopel mit dem gewaltigen Kuppelbau der Hagia Sophia vor Augen, musste
Theophanu die Stadt Köln einige Größenordnungen kleiner, aber andersartig und mindestens
genauso schön erscheinen. Als sie das erste Mal mit dem Königszug am
rechtsrheinischen Ufer ankam, bot sich ihr von den Zinnen des Deutzer Kastells ein
faszinierender Blick auf all die Kirchen auf der anderen Rheinseite. Das Bild
der stolzen Gotteshäuser entfaltete sich – davon berichtete sie schwärmerisch
immer wieder – wie ein Kreuz in einer tiefen religiösen Symbolik. Neugierig war
sie darauf, die Reliquien Kölns kennen zu lernen. Davon war sie einer Reliquie
in tiefer Hingebung verfallen. Erzbischof Gero hatte die Gebeine des Heiligen
Pantaleon von Griechenland nach Köln überführt. Pantaleon, ein Arzt aus
Nikomedia, der nach der Legende ein durch einen Schlangenbiss getötetes Kind
wieder zum Leben erweckte, wurde heilig gesprochen, da er vor dem Toleranzedikt
des römischen Kaisers Konstantin als Christ verfolgt und getötet wurde.
Theophanu war klug, gebildet, sie hatte Hippokrates
und andere philosophischen Schriften über die Medizin gelesen, daher verehrte
sie den Heiligen Pantaleon. Der Kirche St. Pantaleon, die um 900 als
Klosterstiftung entstanden war, war Theophanu somit stets eng verbunden.
Während ihrer Kaiserzeit entstand das wuchtige Westwerk, da typisch ist auch
für andere romanische Kirchenbauten. Dabei weist das Westwerk von St. Pantaleon
mit dem dahinter liegenden Kuppelbau, wenngleich es nicht so gewaltig
dimensioniert ist, Ähnlichkeiten mit der Hagia Sophia auf. Insgesamt 28 mal ist
urkundlich belegt, dass sich Theophanu in St. Pantaleon aufgehalten hat. Früh
hatte sie ihren Wunsch geäußert, dort begraben werden zu wollen, so dass man im Kirchenraum ihren Sarkophag bestaunen
kann.
Man schrieb das Jahr 983, als ihr Ehemann, Kaiser
Otto II., auf den Schlachtfeldern Süditaliens mit 28 Jahren starb. Bis dahin
hatte sie vier Kinder geboren, drei Mädchen und einen Jungen. Ihr Junge, der
spätere Kaiser Otto III., war zu diesem Zeitpunkt gerade erst 3 Jahre alt. In
dieser prekären Situation, in der sie mit ihren kleinen Kindern alleine
dastand, während gleichzeitig Begehrlichkeiten auf die Thronnachfolge geweckt
wurden, wuchs Theophanu zu einer der schillerndsten Frauengestalten des
Mittelalters.
Dabei waren die Grundvoraussetzungen für ein Leben
als Kaiserin in Mitteleuropa schlecht. Sie wechselte von einem Königreich mit
klaren Strukturen in Strukturen der Herrschaft hinein, die ein einheitliches Staatsgebiet und eine
vereinigende Hauptstadt nicht kannten. Könige und Herrscher befanden sich
ungefähr dauernd im Kriegszustand. Sie zogen von Pfalz zu Pfalz, dorthin, wo
ihre militärische Kriegskunst am dringendsten benötigt wurde. In der
Nachfolgetradition von Karl dem Großen hatten die Ottonen Netzwerke
befreundeter Grafen, Herzöge, Könige und auch Bischöfe und Erzbischöfe
geknüpft, die über drei Generationen hinweg ein einheitliches Machtgebilde von
Frankreich über Deutschland bis nach Italien schufen. Nicht zu verachten war
sicherlich die Sprachenvielfalt, da Theophanu selbst Griechin war. Bewegen musste sie
sich im germanischen, romanischen, slawischen und auch römischen Sprachraum,
der ihr wohl noch am geläufigsten war.
983, nach dem Tod von Otto II., war es nun eine
Herausforderung, dieses Machtgebilde zu erhalten. Noch kurz vor dem Tod seines
Vaters, wurde 983 sein dreijähriger Sohn im Aachener Dom zum König gekrönt.
Nach dem Tod regelte Theophanu zuerst, wer sich um die Erziehung des 3-jährigen
Königs kümmern sollte. Diese Aufgabe übernahm der Kölner Erzbischof Warin, der
Nachfolger von Gero.
Noch vor der Jahrtausendwende, war die Machtposition
der Kirche ungebrochen, der Legitimationsstreit, wer Bischöfe bestimmen
durfte und wer umgekehrt mit welcher Zeremonie als König eingesetzt werden
durfte, noch nicht entbrannt. Um als Kaiserin regieren zu können, knüpfte sie
Kontakt zu Beratern, die Macht und Einfluss hatten und denen sie vertraute. Sie
kamen aus den Reihen der Erzbischöfe, allen voran der Mainzer Erzbischof Willigis,
des weiteren die Erzbischöfe von Hildesheim, Meißen, Paderborn, Prag und
natürlich Köln.
Hochzeitsurkunde von Theophanu und Otto II. (links) |
Es brodelte überall im Heiligen römischen Reich
deutscher Nation, vor allem an den Außengrenzen. Von Norden her fielen die
Dänen ein, von Osten her bis zur Elbe die Slawen. Theophanu musste Kriege
organisieren, Feldherren und Heere mobilsieren, das unstete und rastlose Leben
von Pfalz zu Pfalz mitmachen. Im Norden und Osten hielten die Außengrenzen.
Auch von innen her drohte Ungemach. Der bayrische
Herzog Heinrich der Zänker erhob Ansprüche auf die Vormundschaft ihres
3-jährigen Sohnes. Als Theophanu dies ablehnte, nahm er das Kind als Geisel und
forderte selbst die Königskrone. Theophanu löste das Geiseldrama auf ihre Art
und Weise, das war die Diplomatie. Sie versammelte die Kurfürsten, die ihren
Sohn zum König bestimmt hatten, und ließ die Kurfürsten über die Vormundschaft und
die Königskrone entscheiden. Alle Kurfürsten stellten sich auf Theophanus
Seite, so dass Heinrich der Zänker isoliert war und drohte, selbst gefangen
genommen zu werden. Theophanu verhandelte mit Heinrich dem Zenker, sie sicherte
ihm den Erhalt des Herzogtums Bayern zu, der dann den Sohn seiner Mutter
übergab und auf die Vormundschaft verzichtete.
Ein anderer Unruheherd entstand im Westen. In
Lothringen, das zu dieser Zeit weitaus größer als Frankreich war, war der
Herzog Karl von Niederlothringen an die Macht gekommen, der mit seinen Truppen
ins Rheinland und bis Verdun vordrang. Theophanu hatte Kontakte zu den
Erzbischöfen von Reims und Paris. Mit ihnen beriet sie sich, dass die
Herzogtümer der Champagne und der Ile-de-France einen eigenen König des westlichen
Frankenreichs krönen sollten. Dieser Akt wurde dann zur eigentlichen Geburt des
heutigen Frankreich. Hugo Capet wurde zum König gekrönt. Nachdem Herzog Karl
von Niederlothringen einen Gegenspieler erhalten hatte, kamen seine
Kriegshandlungen zum Erliegen.
Obschon ihr Ehemann Otto II. gegen die Sarazenen
Krieg geführt hatte, war in den nachfolgenden Jahren die Südgrenze stabil. Dazu
mochte auch Theophanu selbst beigetragen haben, da ihr Ehemann in Rom begraben
war. Sowohl nach Rom wie nach Byzanz pflegte sie ihre Beziehungen, wobei sie
auch in Italien ein Netzwerk zu den Bischöfen unterhielt, so nach Mailand, Ravenna oder
Pavia.
Sarkophag von Theophanu |
Auch sie starb viel zu früh, nämlich mit 36 Jahren
im Jahr 991. Von der Pfalz in Quedlinburg war sie auf dem Weg nach Westen. Sie
starb in Nijmegen in den heutigen Niederlanden, über ihre Todesursache ist in
keiner Quelle etwas zu finden. Ihr Sohn, König Otto III., war nun 11 Jahre alt.
Drei Jahre lang übernahm ihre Großmutter, die Herzogin Adelheid von Burgund,
die am Königshof in Pavia in der Lombardei residierte, die Vormundschaft.
14-jährig, übernahm Otto III. selbst die Regentschaft.
Ihrem innigen Wunsche entsprechend, wurde Theophanu
in St. Pantaleon in Köln begraben. Acht Jahre lang dauerte ihr Wirken im
Rheinland und in den anderen Herrschaftsgebieten ihres verstorbenen Ehemannes. Im
Gegensatz zu anderen Kölner romanischen Kirchen wurde St. Pantaleon im Zweiten
Weltkrieg vergleichsweise wenig zerstört. So kann man einen Kirchenbau
bestaunen, der noch sehr viel alte Bausubstanz bewahrt hat. Bestaunen kann man
auch die Heiratsurkunde von Theophanu mit ihrem Ehemann Otto II., dessen
Original in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel aufbewahrt wird.
An die Zeit um die Jahrtausendwende erinnern auch die
Straßennamen „Großer Griechenmarkt“ und „Kleiner Griechenmarkt“. Theophanu holte Handwerker und Künstler aus Griechenland nach Köln, die das Stadtleben aufmischten. Die
Namensgebung „Griechenmarktviertel“ hat sich genauso verewigt wie Theophanus
Sarkophag mit ihren sterblichen Überresten.
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenabgesehen von der historischen Person der Theophanu versuche ich den Menschen Theophanu zu erkennen. Es ist keine Kleinigkeit mit siebzehn von zu Hause wegzugehen, ein solches Amt zu übernehmen, mit 28 den Ehemann zu verlieren, den sie zwischendurch sicher auch wenig zu sehen bekam, der vielen Feldzüge wegen, vier Kindern das Leben zu schenken, Regierungsgeschäfte wahrzunehmen, unsichere Zeiten auszuhalten und selbst mit 36 zu sterben. Man wächst mit seinen Aufgaben, sagt man, ich hoffe sie hatte die Stärke und nicht nur "keine andere Wahl".
Gruß
aelva
Ein interessanter Post der so ein paar kleine vergessene Gehirnzellen wieder aktiviert hat. Danke dir dafür und wünsche einen schönen Wochnestart.
AntwortenLöschenViele Grüsse
N☼va
Ich gestehe: Zur Schulzeit gehörte die 'Geschichte' nicht zu meinen Lieblingsfächern. Doch du hast es mal wieder geschafft, mich an die 'Geschichte' heranzuführen. Danke für deinen Post! Martina
AntwortenLöschenHallo Dieter
AntwortenLöschenDanke für diesen interessanten Post. Vielen Dank auch für Deine lieben Zeilen auf meinem Blog.
Auch ich wünsche Dir ein glückliches, gesundes und erfolgreiches 2015.
Herzlichst Yvonne
Hoi Dieter, mooi geschreven en erg interessant. Die koepel met menorah is erg mooi. Evenals de sarcofaag op de foto. Dank je wel.
AntwortenLöschen