Montag, 12. Januar 2015

Düsseldorf Königsallee - ein König wird mit Pferdeäpfeln beworfen

König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen
Quelle Wikipedia
Ich glaubte, die Verbindung von Bonn nach Düsseldorf schnell gefunden zu haben. Die beiden waren Brüder, sie wuchsen auf Gut Paretz nordwestlich von Potsdam auf. Mit ihren Eltern, König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und ihrer Mutter Luise von Mecklenburg-Strelitz, ergriffen sie die Flucht 1806 nach Ostpreußen, als die preußischen Truppen gegen Napoleon kläglich gescheitert waren. 11 und 13 Jahre waren beide alt, und auch die Vornamen ähnelten sich: Wilhelm Friedrich Ludwig hieß der jüngere Bruder, Friedrich Wilhelm der ältere, ganz im Sinne der Erbfolge, und so wurde aus ihm, als 1840 sein Vater starb, der König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, weil er zwei Jahre älter war als Wilhelm Friedrich Ludwig.

Es ist also die Erbfolge auf dem Thron, die Bonn und das übrige Rheinland nach Düsseldorf überleitet. Bonn, Köln, Koblenz: das verwirrt, dass sich in gewaltigen Kaiser-Wilhelm-Denkmälern in vielen Städten sein Bruder Wilhelm Friedrich Ludwig verewigt hat, der zuerst 1858 zum König von Preußen gekrönt wurde, und dann, 1870/71, nach den siegreichen Feldzügen gegen Frankreich, als Kaiser Wilhelm I., zum Kaiser des soeben geborenen deutschen Volkes wurde. Mitunter habe ich den Eindruck, dass über Bonn, Köln und Koblenz hinaus – nicht nur im Rheinland – Kaiser-Wilhelm-Denkmäler wie Pilze aus dem Boden schießen.

Düsseldorf im Ausnahmezustand ? Die Königskrone als Abwertung ? Man schrieb das Jahr 1851, die Nachwehen der nie stattgefundenen 1848er-Revolution wirkten nach, als die damalige „Kastanienallee“ in „Königsallee“ umgetauft wurde.

Die Königsallee, eines der Markenzeichen von Düsseldorf, hat sich seit der Nachkriegszeit, als eine der Edel-Einkaufsmeilen Deutschlands mit dem besonderen Flair einer besonderen Parkgestaltung etabliert. 1804, als die Stadtbefestigung geschleift wurde, bauten Landschaftsarchitekten aus den Wassergräben den Kanal, der wie mit dem Lineal gezeichnet ist und der seine Gestalt bis heute erhalten hat. Die Allee säumen 120 Kastanienbäume.

In dem revolutionsträchtigen Jahr 1848 stattete König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen Düsseldorf einen Besuch ab. Schon als Jugendlicher hatte er sich für Architektur und Kunst begeistert. Romantische Literatur hatte er in Massen verschlungen. Er liebte die Burgenromantik des Rheins, die Phantasie beflügelte ihn, und so trieb er maßgeblich die Idee voran, den 600 Jahre als Baustelle verrottenden Kölner Dom fertig bauen zu lassen und zu vollenden. So ergab es sich, dass er am 14. August 1848 auf dem Weg nach Köln einen Abstecher nach Düsseldorf machte, um seinen Schwager, den Prinzen Friedrich von Hohenzollern, im Schloß Jägerhof zu besuchen.

Die Revolutionswirren im März 1848 hatten König Friedrich Wilhelm IV. überrollt. Er war in sich gespalten, drehte sich, wendete sich, hatte keine klaren Standpunkte, floh schließlich vor sich selbst, so wie seine Eltern einst mit ihm vor Napoleon geflohen waren. Ausgebeutet in Fabriken und von Kapitalisten, zerrieben in einer sozialen Schieflage, war das Volk unzufrieden und forderte die Ideale der 1789er-Revolution in Frankreich ein, das waren Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – allen voran Pressefreiheit und Verzicht auf Zensur, und einen deutschen Einheitsstaat.






Düsseldorf Königsallee
Als die Massen in Berlin auf die Straßen gingen, versprach König Friedrich Wilhelm IV. zuerst Freiheit, Pressefreiheit und eine gesamtdeutsche Verfassung, die er für den Sommer in der Frankfurter Paulskirche in Aussicht gestellt hatte. Kurze Zeit später, ruderte er zurück und sagte, dass das Schicksal nicht in seiner Hand liege, dass er aber alles tun werde, was in seiner Kraft liege, um sich redlich und ernst zu verhalten. Dabei ließ er den Befehlshabern der preußischen Armee freie Hand, die nach rückwärts dachten und sich  gegen jegliche Demokratisierungstendenzen sperrten. So eskalierte die Lage in Berlin Mitte März, indem sich die Massenproteste zu Barrikadenkämpfen und einem Bürgerkrieg ausweiteten, in dem 200 Zivilisten getötet wurden. Einige Tage später, dachte er in wirklichkeitsfremden Kategorien, indem er, geschmückt in den Farben schwarz-rot-gold durch Berlin ritt, um seinem Volk zu zeigen, dass die Idee eines deutschen Nationalstaats weiterhin auf seiner Agenda stand.

Das Volk harrte aus, wartete auf die verfassungsgebende Versammlung in der Frankfurter Paulskirche, man war unzufrieden, es kochte und gärte in allen Ecken der Republik. In diesem Umfeld war sich der Düsseldorfer Stadtrat uneinig, wie er mit dem Besuch des umstrittenen Königs Friedrich Wilhelm IV. umgehen sollte. Der Weg vom Bahnhof der Köln-Mindener Eisenbahn zum Schloß Jägerhof, den das Königspaar in einer offenen Kutsch zurück legen sollte, war festlich geschmückt, ebenso der Weg von dort aus zur Kastanienallee. Aus der ganzen Stadt und aus weiter Ferne war die Bevölkerung eingetrudelt und hatte sich am Wegesrand eingefunden. Anfangs jubelte das Volk, aber die Grundstimmung war angespannt. Eine verhaltene Beklommenheit, eine diffuse Aufgeregtheit und eine allgemeine Gereiztheit herrschten vor. Die Stimmung kippte. In die Jubelrufe mischten sich Pfiffe. Die Masse wurde lauter, stieß in Trillerpfeifen hinein, und schrie ihren Unmut heraus, der sich in Gruppen verstärkte.

Zum Eklat kam es schließlich auf der Kastanienallee. Ein Jugendlicher war so erbost, dass er einem Pferd folgte, als dieses seinem tierischen Bedürfnis nachgegeben hatte. Er hob die Pferdeäpfel auf schmiß damit nach dem König. Davon traf ihn einer am Kopf. Daraufhin brach der Kutscher den Ritt über die Kastanienallee ab, die Pferde trabten los und ritten auf kürzestem Wege so schnell wie möglich zum Schloß Jägerhof.

Kaiser Wilhelm I.
Quelle Wikipedia
Sein Schwager, der Prinz Friedrich von Hohenzollern, zog weg aus Düsseldorf. Drei Jahre später, entschuldigte sich die Stadt Düsseldorf bei König Wilhelm IV. von Preußen, nachdem die Stadt Maßnahmen ergriffen hatte, um die öffentliche Ordnung – insbesondere beim Besuch von hohen Gästen – sicherzustellen. Im Klartext hieß dies: mehr Präsenz von Polizei und Militär. Der König nahm die Entschuldigung an, und ihm zu Ehren benannten die Düsseldorfer die „Kastanienallee“ in „Königsallee“ um. Obschon der König versöhnlicher gestimmt war, wurde dennoch Düsseldorf den Ruf im fernen Berlin als „Hauptherd der Anarchie und der Unordnung für die Rheinprovinz“ nicht mehr los.

König Wilhelm IV. von Preußen hätte sogar noch höher aufsteigen können. Die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche war nicht zum Stillstand gekommen. Im Gegenteil: mit ihren Abgeordneten aus allen Ecken Deutschlands tagte sie, und im Dezember 1848 lieferte sie ein Ergebnis ab, das war der Verfassungsentwurf einer deutschen konstitutionellen Monarchie. Dieser Entwurf beschrieb, dass die zirka dreißig Einzelstaaten über die Annahme der Verfassung entscheiden sollten. Preußen als Schwergewicht im Deutschen Reich sollte die Kaiserkrone erhalten.

Aber König Wilhelm IV. lehnte ab, erster deutscher Kaiser zu werden. Er lebte noch in den Denkwelten eines Karl des Großen oder Friedrich Barbarossa. Er fühlte sich nicht so, als würde er ein Volk vertreten. Als König von Preußen sah er sich als ein König "von Gottes Gnaden", so wie es die absolutistischen Herrscher gesehen hatten. 63-jährig, kinderlos und somit ohne direkten Thronfolger, erkrankte er und gab die Königswürde an seinen Bruder Wilhelm Friedrich Ludwig, dem späteren Kaiser Wilhelm I., ab.

1 Kommentar:

  1. Ja, auch schon früher kannte man keinen wirklichen Frieden mit der Bevölkerung und es wurde sich noch dagegen aufgelehnt. Wobei dann noch Pferdeäpfel als Wurfgeschoss harmlos sind...auch wenn ich die nicht an den Kopf bekommen möchte *gg*

    Wieder sehr interessant danke ich dir für den Post.

    Viele Grüsse

    N☼va

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