Johann Peter Theordor Janssens, Die Schlacht von Worringen (1892) Quelle Wikipedia |
Unversehens war das Mittelalter zur Attraktion
mutiert. Köln hatte so viele Reichtümer angesammelt wie die Gebeine von allen
Heiligen und Märtyrern zusammen. Und mit diesen Reichtümern zeigte der
Erzbischof, wer der Herrscher in der Stadt war. Nichts ließ er an sich heran,
Gegner bestrafte er unerbittlich. Es kümmerte ihn nicht, wenn die Händler das
Stapelrecht mißbrauchten, indem sie die Gewichte an den Waagen fälschten. Oder
wenn sie Wein panschten oder Heringfässer zur Hälfte mit Sand füllten, wenn
diese zum Verkauf angeboten wurden.
Die Kirche verdiente am Stapelrecht. Mitte des 13.
Jahrhundert war Köln so reich wie kaum eine andere deutsche Stadt, das zeigen
Vermögensverzeichnisse der „Descriptio Theutoniae“. Trier nahm 3.000 Mark
Silber im Jahr ein, in Mainz waren es 7.000, in Köln vervielfachten sich die
Einnahmen auf satte 50.000 Mark Silber. Rheinzölle und das Stapelrecht ließen
das Geld sprudeln, das ausschließlich den Erzbischöfen zustand. Seit der Jahrtausendwende,
als Erzbischof Bruno durchsetzen konnte, dass der Kölner Erzbischof den
deutschen Kaiser in Aachen krönen und salben durfte, war Köln mit seinen
Erzbischöfen ein Schwergewicht im Machtgefüge deutscher Grafen, Fürsten und
Herrscher. Konrad von Hochstaden sprach gnadenlos Recht über alle, die anderer
Meinung waren, und er schloß einige Ratsmitglieder aus, er degradierte sie zum
einfachen Fußvolk, weil sie keine Waffen mehr tragen durften. Als Bauarbeiter
auf der Dombaustelle Sympathie für die Ratsherren zeigten und sich weigerten,
zu mauern und zu arbeiten, ließ er sie kurzerhand fesseln und in den Kerker der
Godesburg werfen.
Herzögen und Grafen ebenbürtig, führten die Kölner
Erzbischöfe Krieg, was nicht so ganz einfach mit den christlichen Idealen von
Frieden, den zehn Geboten und Gewaltlosgikeit erklärbar war. 1180 hatten sie
sich nach Westfalen ausgedehnt, 1190 hatten sie die Grafschaft Diest in
Flandern erworben. Die Expansion sollte keine Grenzen kennen: von Flandern über
Aachen nach Köln und Westfalen, als durchgängige Achse von West nach Ost hatten
die Kölner Erzbischöfe ihre eigene Vision eines eigenen Machtbereiches.
An dieser Stelle wird das Mittelalter so, wie man es
sich gemeinhin vorstellt. Nämlich dunkel, finster, undurchsichtig, verworren, chaotisch, insbesondere gespalten und uneinig. In
der großen Politik siegte Rudolf der Habsburger auf den Schlachtfeldern und
einigte das römische Reich deutscher Nation. Aber 16 Jahre lang, von 1257 bis
1273, existierten drei deutsche Könige parallel nebeneinander. Sie kämpften
gegeneinander, vertrugen sich wieder miteinander, trieben ein Spiel von Ränken
und Intrigen, suchten nach Verbündeten und Stärke. Nicht viel besser erging es
den Päpsten. Die Herrschaftsstrukturen rissen auseinander, so dass die Gegenpäpste
in Avignon in Südfrankreich ihren eigenen Palast bauten. Die
Herrschaftsstrukturen waren im 13. Jahrhundert so inhomogen, dass auf der Ebene
von Grafen, Fürsten und Erzbischöfen niemand wusste, wer was über wen zu sagen
hatte, insbesondere, worüber Kirche und Staat zu bestimmen hatten oder auch
nicht.
Trotz der guten ökonomischen Ausgangsbedingungen,
hatte die Zerrissenheit des 13. Jahrhunderts Köln erfaßt. 1261 starb Konrad von
Hochstaden, und Engelbert II. von Valkenburg folgte ihm als Erzbischof. Als
einige Kölner Bürger sich weigerten, mehr Steuern für den Dombau zu zahlen,
eskalierte die Situation. Er ließ sie in Gefängnisse werfen, aber die
Bürgerschaft schlug zurück. Sie verbündeten sich mit den Grafen von Jülich,
1268 verjagten sie ihren Erzbischof aus der Stadt. Bei Zülpich traf er auf die Truppen
des Grafen von Jülich, die ihn auf der Burg Nideggen bei Düren gefangen nahmen.
Dies war das Vorspiel der Schlacht von Worringen, die
1288 geschlagen wurde. Konkret stritt man sich über das Herzogtum Limburg,
welches nur eine Herzogin als Erbfolgerin hervorgebracht hatte. Als diese
Herzogin von Limburg starb, wurde ihr Ehemann zum Erben, der aus der Adelslinie
der Herzöge von Geldern stammte, die wiederum mit den Kölner Erzbischöfen
verbündet waren. Dieser Konflikt, in dem die Grafen von Brabant ebenso
Erbansprüche angemeldet hatten, die wiederum mit den Grafen von Berg verbündet waren, brodelte über mehrere Jahre vor sich her. Auslöser
der Schlacht war schließlich die Festung Worringen vor den Toren Kölns, die den
Grafen von Jülich gehörte. Die Kölner Erzbischöfe bauten an der nordwestlichen
Außengrenze ihre eigene Festung vor der Festung der Grafen von Jülich, was alle
Verbündeten der Grafen von Jülich zusammenrief. Das waren vor allem die Grafen
von Berg, mit ihnen die Grafen von Brabant im heutigen Belgien, auch kleinere Herzogtümer in
Hessen. Der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg, im Amt seit 1275, hatte
sich mit den Grafen von Geldern, Luxemburg, Nassau und mit Herzogtümern in Westfalen
verbündet. Die beiden Parteien sammelten alles an Fußvolk und Truppen zusammen,
was sie aufzubieten hatten, das waren 4.200 Mann auf der Kölner Seite und 4.800
Mann auf der Bergischen Seite. So als würden sich die Ereignisse des Jahres
1268 wiederholen, kämpften die Kölner Bürger nicht auf der Seite ihres
Erzbischofs, sondern auf der gegnerischen Seite, weil das Verhältnis zum Erzbischof vergiftet
war.
Sechs Stunden dauerte die Schlacht am 5. Juni 1288.
Lange wogte die Schlacht hin und her, die Verluste waren hoch, rund 1.000 Soldaten
wurden getötet, viele Tote waren durch die Huftritte von Pferden bis zur Unkenntlichkeit
entstellt. Entscheidend waren die Kämpfe der bergischen Bauern und der Kölner
Soldaten, da sie mutig und vehement auf alles einschlugen, was sich ihnen in
den Weg stellte. Sie eroberten den Fahnenwagen des Erzbischofs, worauf die
Heere seiner Kurfürsten zusammenbrachen. Nachdem der Graf von Geldern vor dem
Grafen von Brabant kapitulierte, zeigten die übrigen Verbündeten des
Erzbischofs Auflösungserscheinungen. Wem die Flucht nicht mehr gelang, der
geriet in Gefangenschaft.
Die Niederlage des Kölner Erzbischofs Siegfried von
Westerburg war vernichtend. Herzog Johann von Brabant nahm ihn gefangen,
übergab ihn Graf Adolf von Berg, der ihn in Schloß Burg an der Wupper
einkerkerte. In den Friedensverträgen musste er erhebliche Zugeständnisse
machen: er musste Reparationen von 12.000 Mark zahlen, das waren drei Tonnen
Silber, die Burg in Lechenich musste er verpfänden, die Festung Worringen
musste geschleift werden, Gebiete in Westfalen musste er abtreten, das
Herzogtum Limburg musste er den Grafen von Brabant überlassen. Historisch war
der Vertrag vom 18. Juni 1288 mit der Kölner Bürgerschaft, dass er die
Souveränität der Stadt Köln anerkannte. Die Zuständigkeit für das
Stapelrecht, die Zollrechte, das Marktrecht, das Recht zum Prägen von Münzen
und die allgemeine Rechtsprechung musste er an die Stadt abtreten, ebenso die dazugehörigen Einnahmen.
Die Folgen der Schlacht von Worringen waren
weitreichend, bis in die Neuzeit hinein. Die Herrschaftsstrukturen im Rheinland
waren klein, die Macht war zersplittert. Erbfolge, politisch motivierte
Hochzeiten, Bündniskonstellationen bestimmten die Geschicke und Machtbereiche. Ein
einheitliches Gebilde, das auf einer höheren politischen Ebene handhabbar war,
entstand erst nach dem Wiener Kongreß 1815.
Als Siegfried von Westerburg frei gelassen wurde,
wanderte er, in Köln unerwünscht, in der Not seiner Situation, nach Bonn aus.
Damit begann der Wiederaufstieg Bonns aus dem Erbe der Römerzeit. 1289 führte
Siegfried von Westerburg die erste Ratsverfassung in Bonn ein. Nach seinem Tod,
1297, wurde Siegfried von Westerburg in der Bonner Münsterkirche beigesetzt.
Wieder sehr interessant in die Geschichte eintauchen zu können....tja, die Kirche und die Kriege sowie die Verbündeten, und alles im Namen Gottes. Da könnte man jetzt ellenlang diskutieren ;-)
AntwortenLöschenDanke dir für den Post und die Recherche.
Saludos desde La Guancha
N☼va
Meine Anerkennung! Gut, wie du die Kölner Stadtgeschichte in den großen Rahmen stellst ( das lässt die Kölner Selbstverliebtheit sonst nicht so gerne zu ).
AntwortenLöschenLG
Astrid
Und wieder was dazugelernt. Ich freue mich immer auf deine "Geschichtsstunde" ..
AntwortenLöschenGruß vonner Grete
Grete hat sowas von Recht: Eine Geschichtsstunde der ganz besonderen Art!
AntwortenLöschenDanke dir dafür! Einen schönen Abend! Martina