Die Schlosserei seines Vaters lief schlecht, denn in
den 1930er-Jahren grassierte die Arbeitslosigkeit, auch in der Kölner Südstadt.
Wenn Hans Imhoff als Kind vor der Haustüre die Duftwolke von Kakao roch, die
die Schornsteine der Stollwerck-Fabrik hinaus pustete, zog ihn die unsichtbare
Hand dieses süßlichen und zähen Geruchs durch die Straßen. Von der
Fleischmengergasse über die Severinstraße zur Dreikönigenstraße. Er roch sich
satt, denn für Schokolade fehlte den Imhoffs das Geld. Seine Phantasie blühte, in
seinem Kopf malte er sich alles in Schokolade aus.
Schokoladenmuseum Köln, Rheininsel |
Ausgebombt, begann Hans Imhoff nach dem Krieg in
Bullay an der Mosel neu. Er handelte mit Lebensmitteln. Auf Lastschiffen ließ
er Säcke mit Kakaobohnen herankarren, in den Hinterhöfen von Lagerhallen brodelte
und kochte es vor sich hin. In Blechtöpfen über Sprituskochern bereitete er die
Kakaomasse auf, woraus dann Schokolade wurde. Er verwendete sogar Schokolade
aus Care-Paketen der Alliierten, übergoß sie mit Zucker und stellte so die
ersten Pralinen der Nachkriegszeit her. Seine Firma wuchs, die Wirtschaft
brummte, der Appetit der Bundesbürger auf Schokolade stieg. Er kaufte kleine
Firmen wie Toblerone oder Schoka-Kola auf,
mauserte sich zu einem mittelständischen Unternehmen.
Der Coup gelang, als der Stollwerck-Konzern in
wirtschaftliche Schieflage geraten war und am Weltmarkt vorbei produzierte. Der
Aktienkurs war in den Keller gesackt. Seine Vision, dass die Schokoladen-Fabrik
in der Kölner Südstadt einst ihm gehören würde, hatte hartnäckig die Zeiten
überdauert. Er plante eine feindliche Übernahme. Das war 1972. Damals war er
fünfzig Jahre alt, und der Deal wurde perfekt, als er das Kapital für 46,5% der
Aktien zusammenkratzte, die er der Deutschen Bank abkaufte. Nun hatte er die
Aktienmehrheit, und mit dem Stollwerck-Konzern hatte er sich ein Königreich von
Schokoladen-Marken zusammengekauft, die auf der ganzen Welt gegessen wurden und
von Köln aus gesteuert wurden. Sarotti, Sprengel, Alpia, Eszet, Waldbaur, Suchard,
das waren alles Edel-Marken, um die sich der Handel riss.
Schokoladenmuseum, Aufschrift |
Den Konzern brachte er wieder auf Touren. Er stieß
alles ab, was nichts mit Schokolade zu tun hatte, strich die Produktpalette von
1.200 Produkte auf 47 Produkte zusammen. Er durchleuchtete alle Ecken seines
Konzerns auf der ganzen Welt, wo Kosten eingespart werden konnten. Er verkaufte
das Fabrikgelände in der Kölner Südstadt und baute 1975 eine neue, hochmoderne
Fabrik auf der anderen Rheinseite, in Köln-Porz. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere machte er Köln zur Schokoladenstadt.
Hans Imhoff wurde älter, er marschierte auf die 80
zu, und er hatte keinen Firmennachfolger gefunden. Ein Leben lang war er Unternehmer
mit Leib und Seele, Tag und Nacht war er für die Firma da. Seine Tochter
Annette hätte das Format gehabt, die Firma des Vaters weiterzuführen. Doch
damals war sie Ende 30, sie war bereits Geschäftsführerin in einer Tochterfirma
ihres Vaters, die überraschenderweise nichts mit Schokolade zu tun hatte,
sondern mit Wäschereien, Berufsbekleidung und Schutzbekleidung. Ihre beiden
Kinder waren noch zu klein, so dass ihr diese Firma reichte.
Es ging bergab. Hans Imhoff verkaufte 2001 sein
Schokoladen-Imperium an einen Schweizer Schokoladenkonzern, 2011 verkauften die
Schweizer an einen belgischen Nahrungsmittelkonzern, bei dem Schokolade eine
untergeordnete Rolle spielte. Die Schokoladenfabrik in Köln-Porz schloß ihre
Werkstore, aber bereits viele Jahre zuvor hatte Imhoff ein Denkmal für die
Schokoladenstadt Köln geschaffen: das Schokoladenmuseum, welches 1993 eröffnet
wurde.
Schokoladenmuseum, Blick auf den Rhein |
Quer durch Dschungel und Regenwald wird der Besucher
geführt, dort, wo die Kakaobohnen wachsen, wie sie geerntet werden, wie sie
zermahlen werden und wie daraus Kakaopulver entsteht. In Pralinen- und
Schokoladenkursen kann sich der Besucher darüber schlau machen, wie diese
Kakaomasse weiter verarbeitet wird. Das Schokoladenmuseum in Köln liefert ein
breites Zeugnis darüber, was Schokolade für die Stadt Köln bedeutet
beziehungsweise bedeutet hat.
2007 verstarb Hans Imhoff im Alter von 85 Jahren.
Seine Vision der Schokolade bleibt in Köln lebendig. Heutzutage gibt es eine
Szene von Chocolatiers, die sich in der Tradition der Schokoladenherstellung
bewegt.. Die Chocolatiers haben dicke Kladden mit französischen
Original-Rezepten im Gepäck. Pflanzenfett in Buttercreme geht nicht,
Fertigprodukte sind tabu. Ganache, Nougat, Nüsse, Pistazien, Marzipan, ihre
Zutaten beziehen sie direkt aus Belgien oder Frankreich. Das sind traditionelle
Rezepturen, auf die Hans Imhoff im Urzustand der Schokolade genauso zurück
gegriffen hat.
Es gibt keinen Zweifel. Köln hat eine weitere Identität
erhalten: als Schokoladenstadt.
Fast wie ein kleiner Film läuft es ab, das von dir beschriebene Leben des Hans Imhoff. Schokolade - ein Stoff aus dem Träume sind. Hier gewiss. Gut geschrieben.
AntwortenLöschenGruß vonner Grete
Hast du wunderbar beschrieben Dieter, ich würde das Museum gerne mal besuchen. Doch wenn wir Köln besuchen gehts immer zu Andre. Danke für den schönen Beitrag.
AntwortenLöschenEine schönes Adventwochenende und liebe Grüße
Angelika
Hmmm, Schokolade! Das ist ja was für mich! heheh Ich hätte nicht gedacht, dass es möglcih sein könnte, Schokolade am Weltmarkt vorbei produzieren. Interessante Beleuchtung der Bio. Dieser Karrieremensch hatte leider keine Zeit, noch ein zweites Kind zu zeugen... Das ist der Nachteil, wenn Leute so sehr in ihrer Arbeit aufgehen.
AntwortenLöschenBringst du noch mehr über das Museum? - von innen?....?
wieczoramatische Grüße zum Wochenende,(◔‿◔) | Mein Fotoblog
Dieter, eine fesselnde Geschichte.
AntwortenLöschenDake dafür!
Einen schönen 2. Adventabend wünscht dir
Irmi
Das Schokoladenmuseum ist schon eine Bereicherung für Köln und neben dem Olympia- und Sportmuseum auch architektonisch gelungen in seiner Verbindung von Alt und Neu. - Was Stollwerck und Imhoff anbetrifft, so sind meine Gefühle nicht durchweg positiv. Zu skandalös war damals die ganze Abwicklung des Um- bzw. Wegzugs und der Bedeutung für das Viertel. - Ich habe damals noch in den alten Gebäuden in den Semesterferien gearbeitet und habe mich ausgebeutet gefühlt :-(
AntwortenLöschenLeider war ich noch nicht in diesem Museum...das sollte ich aber unbedingt nachholen!
AntwortenLöschenDanke für diesen informativen Post,für den Einblick in diese Lebensgeschichte!
LG,Line
Das ist eine sehr interessante Geschichte! Im Schokoladenmuseum war ich schon zwei Mal, es hat aber keinen Bleibenden Eindruck hinterlassen. Welche Marken aber zum Stollwerk-Konzern gehören, wusste ich bisher nicht.
AntwortenLöschenDanke für den süßen Ausflug, ich werd mich jetzt wohl an meinen Lindt-Nikolaus machen :-D.
Schönen Restsonntag!