Café "La Royale", Quelle: www.laroyale.be |
Kaffee-Trinken ist Stil. Der Hintergrund und das
Drumherum müssen stimmen. In den beiden Cafés, die Leen und Jan mit mir in
Leuven aufgesucht hatten, war die Atmosphäre gediegen, die schweren Holzvertäfelungen
an der Wand ließen mich an Antikmärkte denken. Im ersten Café, direkt neben dem
Rathaus, hatte ich die Malereien bis zu den hohen Decken bestaunt, Malereien
auf Holz, auf denen ich glaubte Alltagsszenen im Stil der flämischen Maler aus
dem 16. oder 17. Jahrhundert zu erkennen. Das Café „La Royale“, in dem wir den
Abschied auf uns zukommen ließen, lag gegenüber dem Bahnhof, damit ich meinen
Zug auf keinen Fall verpassen konnte.
Auch das Café „La Royale“ beeindruckte, wie einfach
es eingerichtet war. Wir saßen an blanken Holztischen mit einem
parkett-ähnlichen Muster, der sachte graue Steinfußboden schob sich unauffällig
darunter. Die schweren dunkelbraunen Holztüren ließen einen frischen
Luftschwall hinein, wenn sie sich öffneten. Die Wände verschönerten
Zeichnungen vom Bahnhofsvorplatz, Bürgerhäuser mit Arkadengängen, von denen
eines das Café „La Royale“ war.
Kleine Kuchenstücke waren zum Kaffee serviert
worden, das war selbstverständlich und gehörte zu einer gepflegten
Kaffee-Kultur. Eine bierselige Ruhe
schwappte zu mir herüber, obschon niemand in dem gut besuchten Café Alkohol
trank. Zwischen dem Kaffee und all den anderen Gesprächen im Café zerrann die
Zeit. Der Barkeeper spülte Tassen, Tische und Stühle spiegelten sich auf der
Glasverkleidung über der Theke. Das Zeitkontingent, das mir in Leuven zur
Verfügung stand, ging unweigerlich zur Neige.
Leuven war dabei, mich in ihren letzten Atemzügen
umzuhauen. Ganz weit entfernt lag die Stadt von all der Geschäftigkeit, all der Hektik
und all dem Zeitdruck zu Hause entfernt. Und so harmonisch, wie Leuven war, voller
alter Bausubstanz, voller Cafés und Geselligkeit, ohne große Kaufhausketten und
Einkaufspassagen, durchsetzt mit kleinen Geschäften, ohne Abrißorgien und
Großbaustellen, kamen mir Städte wie Köln oder Bonn beinahe sogar häßlich und
abstoßend vor.
Es half nichts. Das zerbröselnde Zeitkontingent
nutzte ich dazu, um über die Bloggerei zu reden, was eigentlich der Anstoß für
meine Reise nach Leuven war. Leen Huet hat ihre eigene Blog-Seite, die Jan ihr gestaltet
hatte. Jan selbst war weder Blogger, noch war er in sozialen Netzwerken
vertreten.
Leen und ich scharten unsere Gedanken zusammen,
fanden zurück zur Bloggerei. „Uw eigen mening … je bent helemaal vrij“ meinte
Leen mehrfach, auf Deutsch: „Deine eigene Meinung … Du bist vollkommen frei.“
Unsere Essenz, welche eigenen Sichtweisen wir beim Bloggen hatten, war ein
gewaltiger Abschied.
In
vollkommener Freiheit entwickelten wir unsere Grundsätze des Bloggens:
- Bloggen ist Identität. Wir schlüpfen in die Rolle eines Bloggers, dessen Identität aus unser selber stammt. Als unbeteiligter Beobachter inszenieren wir unsere Themen in unserem Blog.
- Bloggen ist Lebenseinstellung. Wir müssen genauer hinsehen, um den Dingen auf den Grund zugehen. Der flüchtige Blick, wie wir die Dinge tagtäglich sehen, reicht nicht aus. Wir müssen die Dinge drehen und wenden, um Neues zu sehen. Andere Wege, andere Perspektiven, von oben, von unten, von vorn, von hinten, Schnellabriss, Tiefenbohrung, zu Fuß, per Rad, mit dem Auto, mit der Bahn, Gegenden, die wir nie gesehen haben und so weiter.
- Bloggen ist Strukturieren. Wir beobachten ganz viele Dinge, unsere Augen sind ganz weit geöffnet. Wir sammeln, ordnen und strukturieren, was wir beobachtet haben. Wir dokumentieren. Wir machen Notizen und fotografieren mit der Digitalkamera, damit das Gesehene nicht verfliegt und später abrufbar ist. Wir ordnen ein, welches die Oberthemen sind, was in welche Zusammenhänge gehört und wie die Details aussehen.
- Bloggen ist Themensuche. Schon beim Beobachten nehmen wir die Themen wahr. Wie selbstverständlich, wird in den Massenmedien über Themen berichtet – in Zeitungen, im Fernsehen und im Radio. Darunter nutze ich gerne Podcasts aus Radiosendungen. Daraus formen wir eine Themensammlung, die mit eigenen Beobachtungen angereichert wird.
- Bloggen ist Unabhängigkeit. Wir entscheiden. Niemand gibt uns vor, über welche Themen wir etwas schreiben und wie wir über diese Themen schreiben. Das ist ein klein wenig wie bei einer Tageszeitung, in der wir bestimmen, wie wir die einzelnen Rubriken mit unseren Texten gestalten. Unsere eigene Meinung sollten wir plazieren, was wir von den Dingen halten.
- Bloggen ist Eingrenzen. Bezogen auf die Vielzahl potenzieller Themen, ist es unmöglich, über alles zu schreiben. Unser Medium ist der Text. Also posten wir eher selten in dem Medium der Fotografie (oder Malerei oder Architektur usw.). Themen, die uns nicht interessieren, von denen wir keine Ahnung haben oder zu denen wir sonst wie keine Berührungspunkte haben, lassen wir weg. Auch allzu banale Themen, wenn der örtliche Musikverein sein Jubiläum feiert, wenn um die Ecke eine Kaninchenausstellung stattfindet oder wenn ein neues Kosmetikstudio eröffnet, lassen wir lieber weg.
- Bloggen braucht Leser. Nur mit den Lesern können wir feststellen, ob die Texte überhaupt den Leser erreichen und wie sie den Leser erreichen. Was beim Leser ankommt, daran sollten wir uns orientieren. Danach ist vieles Gefühl, bei welchen Themen wir gut drauf sind und bei welchen anderen Themen wir schlecht drauf sind. Die Stärken bei den guten Themen sollten wir Zug um Zug ausbauen.
- Bloggen ist Generalistentum. Die Palette, über die wir schreiben, sollte breit aufgestellt sein, so dass wir uns in eine Vielzahl von Einzelthemen hineindenken müssen. Aus den Querverbindungen zwischen den sehr unterschiedlichen Einzelthemen können wir die Zusammenhänge innerhalb eines übergeordneten Ganzen erkennen. So wird auch verhindert, dass wir zu Fachidioten werden. Es muss so recherchiert werden, dass Fakten und Details stimmen und nichts falsch ist. Gelegentlich sollten wir uns ein „Heimspiel“ in dem Themenbereich leisten, den wir studiert haben. Bei Leen ist es die Kunstgeschichte, bei mir sind es Wirtschaftsthemen.
- Wir müssen uns in Menschen hineindenken. Gefühle, Empfindungen, Erfahrungen, Erinnerungen gehen stets vom Menschen aus. Selbst Maschinen oder technische Aggregate werden letztlich so beschrieben, wie wir sie als Mensch erleben. Wir sollten uns also mit einer angemessenen Ausführlichkeit mit den handelnden Menschen befassen.
- Bloggen muss authentisch sein. Wir können die Dinge nur so beschreiben, wie wir sie selbst wahrgenommen haben. Wir dürfen uns nicht in andere Menschen hinein verbiegen, um Gefühle aus einem anderen Blickwinkel zu beschreiben.
Ein wirklich informativer Post. Bleibt nur die (Gretchen)Frage ... wie bekommt man interessierte Leser ..
AntwortenLöschenGruß vonner Grete
Ja. Es gibt jede Menge Gründe zu Bloggen. Die, die ihr herausgearbeitet habt und wahrscheinlich noch eine Million mehr. Ein interessantes "Forschungs"feld.
AntwortenLöschenSehr schönes Foto. Auch die Beschreibung des Kaffees gefällt mir sehr gut. Beim nächsten Belgienbesuch achte ich darauf ... :-)))
lieben Gruß
Brigitta
Ich finde euer Gespräch sehr interessant … setze mich in Gedanken an euren Tisch und schreibe …
AntwortenLöschenIch drehe und wende die Dinge auch sehr gerne … entdecke Neues … fahre mit dem Rennrad durch die Eifel obwohl ich noch nie in der Eifel war (und Rennrad fahre ich auch nicht … überhaupt fahre ich nicht so gerne Rad).
Die Unabhängigkeit beim Bloggen mag ich auch. Ich zeige gerne meine kleinen Ideen – und freue mich dass es Menschen gibt, die sich über solche Spinnereien auch freuen können. Ich suche die Motivation zur Kreativität im Kopf.
Ich mag mich allerdings nicht an den Lesern orientieren. Wenn mein Blog ankommt dann ist es schön … kommt er nicht an, dann ist es halt so … wie im richtigen Leben auch ;-) Mir ist die Zahl der Leser nicht wichtig. Das Zuviel schreckt mich eher ab.
Für mich ist das Bloggen eine Bereicherung … Türen die sich öffnen …
lieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Es stimmt alles, was du sagst ueber’s Bloggen.
AntwortenLöschenNur eines wuerde ich noch hinzufuegen: Wenn es langweilig geschrieben order gar zu ernsthaft ist, wird keiner den Bogartikel lesen. Locker muss es daher auch noch sein, wenn man ‘nur’ eine kleiner, persoenlicher Blogger ist.
Habt ihr ja richtig philosophiert über das Bloggen (^_~) Ursprünglich damit angefangen um meinen "zurückgebliebenen Lieben" etwas mitzuteilen und zu zeigen gab es auch eine Weiterentwicklung. Allerdings was ich auch nie gemacht habe ist mich an den Lesern zu orientieren. Ich finde sowas auch einen falschen Weg. Man sollte sich selbst treu bleiben, und was nützen viele Leser wenn es nur ums Massenadden geht.
AntwortenLöschenBloggen kann bereichern, man kann andere Länder, Städte und Bräuche kennenlernen und zudem gibt es viele Anregungen. Zumindest empfinde ich es so.
Das was auf jeden Fall immer sein sollte: Bloggen sollte Spaß machen.
Schön und informativ auch wieder deine Aussagen über die Kaffeehaus-Traditionen, und ich danke dir auch dafür dass wir dich mal sehen konnten. So habe ich nun ein Bild vor Augen wenn ich deine Zeilen lese.
Wünsche dir einen schönen Tag und sende liebe Grüsse
Nova
"Man sollte sich selbst treu bleiben!" Genau!
LöschenInteressant was ihr über das Bloggen erzählt habt, Dieter, es ist eine Bereicherung.
AntwortenLöschenBloggen ist Kreativität, die umgesetzt wird.
Wie du über das Kaffeehaus berichtet hast, gefällt mir, da würde ich auch gerne eine Kaffee schlürfen.
Liebe Grüße
Angelika
Bloggen ist auch eine Herzensangelegenheit. Ich schreibe nicht sehr oft, die letzten Monate meist nur einmal in der Woche. Sicher habe ich zwischenzeitlich Vieles erlebt, aber muss ich jeden Spaziergang, Ausflug und jedes bunte Blatt der Welt mitteilen, nur um mal wieder etwas zu schreiben? Ich denke nein. Aber wenn ich etwas poste, dann mache ich es von Herzen gerne und es sollte schon etwas Besonderes sein und nicht so 08/15 Kleinkram.
AntwortenLöschenBloggen ist auch Bildung. Ich besuche gerne andere Blogs, um immer wieder neue Dinge zu sehen, kennenzulernen und zu bestaunen.
Ein sehr interessanter Beitrag, den du uns über's Bloggen geschrieben hast.
Liebe Grüße
Arti
Uih, da habt ihr ja einige Gedanken zsmgetragen.
AntwortenLöschenIch finde es gut, dass du den Artikel über das Bloggen eindeutig subjektiv geschrieben hast, nicht wie einige andere Blogger es gerne tun, auf so eine bevormundende Art, als müssten die Leser erstmal erklärt bekommen...
Was mir noch dazu einfällt: Bloggen ist (oder kann sein):
● eine Art Therapie, durch die gezielte Suche nach Erfreulichkeiten und durch das Festhalten ebendieser.
● eine Hilfe gegen Vereinsamung.
● eine Aufgabe, z.B. für Arbeitslose und damit einhergehend eine Hilfe, den Tag und die Zeit zu strukturieren.
● eine Möglichkeit, potentiellen Arbeitgebern zu zeigen, dass man etwas kann.
und zu euren Punkten möchte ich sagen:
● "Bloggen muss authentisch sein." Das finde ich ganz wichtig.
● Nicht unbedingt "...als unbeteiligter Beobachter..."
● Da gibt es auch andere Meinungen: "Bloggen braucht Leser." - und tatsächlich Blogger, die seit Jahr und Tag einsam vor sich hinbloggen - für sich und andere daran teilhaben lassen.
Danke für deinen sinnvollen und lobenden cmt.: Ja, das Transpi als Kernaussage wollte ich im Fokus haben. Probiere vor Ort immer mehrere Perspektiven aus, um dann am PC entscheiden zu können, wie das Bild wirkt...
Ich wünsch Dir einen lieben Nikolaus und vorher noch einen gemütlichen Abend.
♥allerliebste Grüße, Wieczora (◔‿◔) | Mein Fotoblog
Uff - das ist viel und vielschichtig. Man kann nicht allen diesen Grundsätzen gerecht werden. Bloggen ist so vieles und noch viel mehr. Es ist das, was jeder daraus macht. - Ich mache mir allerdings auch Gedanken ums Bloggen und das immer wieder seit vielen Jahren schon.
AntwortenLöschenVermutlich sollte ich meine Posts besser planen um mehr Struktur zu bekommen...vielleicht schaffe ich das irgendwann mal.
AntwortenLöschenBis dahin blogge ich einfach aus dem Bauch heraus,spontan und ohne Planung. :-)
Herzliche Grüße an dich und deine Lieben.Habt einen schönen 2. Advent!
Line