Ich bekomme keinen Drehwurm, denn die Handkurbel
dreht sich butterweich in meiner Hand. Das Kinderkarussel gleitet dahin, unsere
Kleine freut sich auf dem Holzpferd, dass ich mich gemeinsam mit einem anderen
Vater anstrengen darf. Ich durfte kurbeln, denn der Motor war noch nicht erfunden.
Wir waren auf dem Mittelalterlichen Weihnachtsmarkt in Siegburg. Dort war alles
mittelalterlich, auch das
Mittelalterliche Kinderkarrussel.
Dennoch fühlte ich mich erlöst, als die Glocke das
Ende der Karrusselfahrt einläutete. Danach knurrte der Magen. Hunger und Durst
regten sich. Der Weihnachtsmarkt war konsequent. Weil er uns ins Mittelalter
versetzte, suchten wir Reibekuchen, Rostbratwurst, Krakauer, Thüringer oder
Backfisch vergeblich. Ich staunte aber, dass in der Taverne Glühwein angeboten
wurde. Das Mittelalter kannte praktisch keinen Glühwein, während die Römer Wein
erhitzten und ihn mit Pfeffer, Lorbeer und Safran würzten. Im ältesten
erhaltenen römischen Kochbuch „De re coquinaria“ stehen solche Rezepturen. Schließlich
löschte ich meinen Durst mit einem heißen Apfelsaft.
Pieter Brueghel, Besuch beim Mündel (1616), Museum voor schone Kunsten Antwerpen |
Ein Feuer aus Holzscheiten, eine zentrale
Kochstelle, dicke Laibe Brot, ein Brei aus Getreide: obschon erst 1616 zum
Ausgang des Mittelalters gemalt, beschreibt das Gemälde von Pieter Brueghel
treffend, wie sich die Menschen im Mittelalter ernährt haben. Die Stände des
mittelalterlichen Weihnachtsmarktes haben sich sichtlich Mühe gegeben, die
Esskulturen des Mittelalters zu rekonstruieren.
Wie auf dem Gemälde von Pieter Brueghel, kreiste die
Ernährung um das Brot. Die Viehzucht reduzierte sich, die Nutzung als Ackerland
nahm zu, weil Mehl gelagert werden konnte und – wenn die Ernteerträge
ausreichten – Brot das ganze Jahr über gebacken werden konnte. So aß der Mensch
im Mittelalter rund viermal so viel Brot wie heute, nämlich 200 Kilogramm pro
Nase zu 57 Kilogramm heute. In der Dreifelderwirtschaft dominierte der Roggen,
weil er die geringsten Ansprüche an den Getreideanbau stellte. Er wuchs auch
auf kargen Böden, eine zu trockene oder zu nasse Witterung setzte ihm am
wenigsten zu. Hefe verbreitete sich übrigens erst im hohen Mittelalter, so dass
Brot im frühen Mittelalter als Fladen gebacken wurde.
Backofen |
Im späten Mittelalter gelang der Erbse der große
Durchbruch, denn Hülsenfrüchte konnten in der Dreifelderwirtschaft
untergebracht werden. Zwei Jahre lang Getreideanbau, das dritte Jahr musste der
Acker ruhen, denn Kunstdünger wurden erst in der Neuzeit erfunden. „Süpplin“ – bedeutungsschwer
schaue ich auf die mittelhochdeutsche Bezeichnung des Standes, wo man Eintöpfe
essen konnte. Das Oberhemd war in Falten gelegt, die weißen Hemdsärmel weiteten
sich, seine Kopfbedeckung war aus demselben Weiß und hing genauso herab.
Erbsensuppe stand oben auf der Speisekarte. Das passte zu dem Gemälde von Pieter
Brueghel, wo die Suppenküche im Mittelpunkt des Hauses stand.
Fleisch war selten, aber im Mittelalter wurde
durchaus Fleisch gegessen, vor allem Schweinefleisch. So regelt bereits die
„Lex Salica“ des Merowingerkönigs Chlodwig (verfasst 507-511), wie Schweinediebstahl
bestraft wird. Dort wird genau beschrieben, wer wo und welche Schweine hält und
wie der Diebstahl durch Hiebe, Rutenschläge oder auch – bei mehrmaligem
Vergehen – durch Abhacken der Hand bestraft wird. Gerichte wie „Altmärkische
Grünkohlpfanne mit Mettwurst“ haben die Menschen im Mittelalter durchaus
gegessen, wenngleich Mettwurst oder Kotelett oder Spießbraten eher eine
Ausnahme gewesen sind.
Der Stand mit „Met“ trifft einen Kern
mittelalterlicher Trinkkultur. Die Römer hatten den Weinanbau zu den Germanen
gebracht. Die Germanen tranken aber Met und keinen Wein. Das war Hafer, der in
Wasser gegärt wurde und mit Honig versetzt wurde. Fränkische Volksstämme
vertrieben die Römer, so dass sich der Met im Mittelalter wieder verbreitete. Der
Durchbruch des Biers kam später, im 13. Jahrhundert. So berichtet die Chronik
der Stadt Landshut im Jahr 1265, dass sich der niedrige Preis für das Bier
durchgesetzt hat: „ein Eimer Bier kostet 18 Pfennige, ein Eimer Met kostet 42
Pfennige und ein Eimer Frankenwein 55 Pfennige.“ Fortab wurde Bier zum
Volksgetränk, dass die Menschen selbst dem Wasser vorzogen, denn es war wegen
des Gärungsprozesses ohne Krankheitskeime.
Der Hunger führte uns in die Irre. Wir aßen in der Spätzleküche,
die eigentlich gemäß dem Mittelalter dieses Nudelgericht mit einer Kräutersoße
garnierte. Das Würzen mit Kräutern war durchaus verbreitet – so hatten wir
beispielsweise bei unseren Urlauben einen rekonstruierten mittelalterlichen
Kräutergarten auf der Insel Reichenau am Bodensee kennen gelernt. Aber Spätzle
? Urkundlich hat sie erstmals im Jahr 1725 der Württembergische Rat erwähnt –
und 1725 liegt eindeutig nicht mehr im Mittelalter. Dennoch schmeckten sie
lecker, den Gesamteindruck dieses mittelalterlichen Weihnachtsmarktes ließen
wir uns auf der Zunge ergehen. Dieser Weihnachtsmarkt stach heraus aus der
Identitätslosigkeit anderer Weihnachtsmärkte.
Das Mittelalter hatten wir genossen. Als wir den Siegburger Weihnachtsmarkt gegen 15 Uhr verließen, wurden wir regelrecht tot getrampelt,
so viele Menschen wollten das Mittelalter sehen. Wir wussten, dass die
Zeitfenster am Wochenende schmal waren, um das Mittelalter einigermaßen
entspannt vor unseren Augen ablaufen zu lassen.
Ach wie schön mein Lieber, herlich hast du den Weihnachtsmarktbesuch beschrieben und viel Hintergrundinfos zum Mittelalter dazu gestellt. Ja ab Mittag wird immer sehr voll, da macht keinen Spass mehr.
AntwortenLöschenWünsche dir und deinen Lieben einen schönen 3. Advent.
Liebe Grüße
Angelika
Gerade diese Märkte habe ich immer geliebt, so wurden sie auch damals in Norddeutschland von Jahr zu Jahr mehr, so wie auch der Andrang (leider). Nach der körperlichen Anstrengung (wobei ich denke dein Radfahren an bestimmten Steigungen ist anstrengender) hattest du dir auch eine Stärkung verdient^^
AntwortenLöschenWünsche dir und deinen Lieben einen wundervollen 3.Advent und sende herzliche Inselgrüssle
Nova
Hallo Dieter
AntwortenLöschenHabe Dein Weihnachtsmarktbesuch sehr genossen.Schade das ich nicht in Deutschland sein kann,denn Weihnachten sind da wunderschön!!!
Für die Feiertage.....
Sag, was soll ich dir wünschen, wo wir doch schon alles haben?
Ein bisschen mehr Friede und Zeit für gemeinsame Tage.
Für Weihnachten viel Fröhliches und Besinnliches.
Für das neue Jahr Bewegendes und Glückliches.
Wir sehen uns nächstes Jahr wieder
Liebe Grüsse❤❤❤
Christa
Einen schönen Weihnachtsmarkt habt ihr da und ein schöner Bericht.
AntwortenLöschenGruß
Noke
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenwas bin ich froh, dass es auch noch andere Märkte gibt, als die üblichen, die man überall findet.
Viele VorweihnachtsGrüße Ninja
Ich mag ja total gerne Mittelaltermärkte, noch vor kurzem war ich so ein Mittelaltergroupie, hab mich sogar verkleidet und bin überall hingefahren. Aber die Märkte ähneln sich doch sehr.
AntwortenLöschenDanke für den lehrreichen Ausflug ins Mittelalter... ich glaub, ich nach mir jetzt einen heißen Met (den hab ich immer zu Hause).
Und danke für Dein nettes Angebot, ich bin bestimmt irgendwann wieder im Rheinland und komme darauf zurück.
Wünsche Dir eine schöne restliche Adventszeit!
ich bin je eigentlich gar kein so großer Fan von Mittelaltermärkten ... aber wenn ich deinen post so lese ... könnte ich doch echt einer werden :-)
AntwortenLöschenHat wieder Spaß gemacht zu lesen.
lieber Gruß von Heidi-Trollspecht