Dienstag, 4. Dezember 2012

die rote Bank


Wie eine Krake griffen sie um sich. Die jungen Frauen in Overalls hatten sich auf der Kreuzung zweier Einkaufsstraßen positioniert und machten einen Beutezug auf die Laufkundschaft. Mit Mühe entkam ich ihnen, als sie mich mit einem Flyer über die Vorzüge ihres Fitness-Studios aufklären wollten. Weniger aufdringlich war eine Parfümerie: eine hübsche Promoterin mit einer gestylten Lockenfrisur pries ein neues Parfüm an, das den Namen einer US-Schauspielerin trug. Ab und zu stoppten Frauen, sogen die Duftmarke in ihre Nasen hinein, die meisten schritten anschließend unbeteiligt weiter. Kurz vor dem Busbahnhof verrammelten Prozentschilder in einer aufreißenden Art ein Schaufenster, hinter dem man angeblich Bettwäsche nachgeschmissen bekam. Auf den matten Pflastersteinen tat ich mich schwer, aus dieser künstlichen Waren-Welt die Überfülle an Eindrücken herunter zu fahren. Der Verkehr staute sich bis zur roten Ampel am Hauptbahnhof dahin.

Lange Zeit hatte ich keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzt, und prompt war ich wieder aufgereizt. Ich starrte auf die rote Bank.

Eine Bank ? Rot ? Vor der Bushaltestelle ? So richtig zum Hinsetzen ? Das war wieder der Weg zurück in grelle Farben und in eine künstliche Waren-Welt hinein. Ich erinnerte mich an das, was man gemeinhin unter einer Sitzbank verstand: Holz, natur, aus schmalen Brettern bestehend, etwas abgewetzt, gemütlich zum Sitzen. Das war hier nicht so.

Nun hatte sich die Sparkasse dieser Bank bemächtigt. Das war neu, in welche Kreise Sponsoring oder Product Placement hinein griffen. An so manches hatte ich mich ja gewöhnt. All die ganzen Formel 1-Rennwagen von BMW, Renault, Ferrari, Merzedes waren in aller Munde. Wenn die Stars der Fußball-Bundesliga Schuhe von Nike oder Adidas trugen, störte mich nicht. Ich hielt es für nutzbringend, den Breitensport zu sponsern – wie etwa das Radrennen „Rund um Köln“ von Skoda oder den Weihnachtslauf in unserem Nachbarort von REWE. Ausstellungen in Museen zu sponsern, konnte ich ebenfalls etwas positives abgewinnen – beispielsweise die Hockney-Ausstellung in Köln durch Rolex. Aber Sitzbänke ?

Das war komplett neben der Spur – noch dazu in dieser schrecklichen roten Farbe. Dabei war der Grundidee „Bank = Geschäftsbank = Bankgeschäfte“ nicht verkehrt. Kaufleute aus Venedig tätigten im 13. Jahrhundert ihre Geldwechselgeschäfte auf Bänken, woraus die ersten Banken im venezianischen Handelsverkehr entstanden, der bis nach Asien reichte. Die venezianischen Kaufleute entwickelten Finanzierungsgeschäfte, die bis heute Anwendung finden. „Bank = Geschäftsbank = Bankgeschäfte“ war somit der Entwicklungspfad, den Banken im Venedig des 13. Jahrhunderts durchlaufen hatten.

Die Geschichte der roten Bank = Sparkasse war schnell erzählt. Die Sparkasse sponserte im Frühjahr 2012 insgesamt 50 Bänke, die entsprechend der Farbgebung der Sparkasse rot lackiert waren. Durch dieses Bank-Sponsoring sparten die Stadtwerke die dazugehörigen Beschaffungskosten ein. Bei den chronisch verschuldeten öffentlichen Haushalten mochte dies ein wenig Entlastung bedeuten. Fahrgäste von Bussen und Bahnen, die auf den Bänken weilten, sollte mit der roten Farbe suggeriert werden, dass die Sparkasse sie allgegenwärtig begleitete.

Gestalter und Designer hatten offensichtlich an einer Geschmacksverirrung gelitten. Die knallrote Farbe dürfte auf die meisten Bus- und Bahnkunden abweisend wirken. Aufdringlich wie die Flyer-Aktion des Fitness-Studios, einlullend wie der neue Parfum-Duft, aufreißerisch wie die Prozentschilder einer Rabatt-Aktion. Die künstliche Waren-Welt der Fußgängerzone setzte sich nahtlos bis zur Bushaltestelle fort. Jedesmal, wenn ich dort stand, schaute ich weg. An manchen Stellen war die Stadt eine Aneinanderreihung von Hässlichkeiten, wobei niemand den Bürger gefragt hatte, ob er sie auch haben wollte.

Bank-Sponsoring – die Grundidee, die diese Bank mit der Sparkasse verbindet, verstand der normale Bürger kaum. Das war abgedreht ohne jegliche Bodenhaftung. „Für üch do“ (für euch da) hieß es in dem Werbeslogan, der vorgab, man hätte die Kunden der Sparkasse in einer Art von Marktforschung befragt, wie das optimale Design aus Kundensicht aussähe. So scheußlich, wie die Bank aussah, konnte daran kein Kunde der Sparkasse mitgewirkt haben. Vielleicht sollte man diejenigen Kunden der Sparkasse ausfindig machen, die den Anblick der überproportionierten roten Farbe ertragen mussten.

Bestimmt wäre der eine oder andere Kunde der Sparkasse dabei, der beim Anblick dieser Bank gerne sein Girokonto kündigen würde.

5 Kommentare:

  1. Ich bin ehrlich...ich mag das Design und auch die Farbe ;-) So gehört ROT allerdings auch zu meinen Lieblingsfarben, und dazu kommt noch das diese Bank auch immer gut zu erkennen ist *gg*

    ...auch wenn der eigentliche Grund halt an der Farbgebung der Sparkasse liegt.

    Schönen Tag und herzliche Inselgrüssle
    Nova

    AntwortenLöschen
  2. Tcha mein lieber Dieter, so ist das nun mal. Der Vorteil dieser Bänke, keine Wartungskosten.
    Obwohl mir klassische Bänke lieber sind. Doch war nützen sie, wenn sie nicht gepflegt werden und vor sich hin rotten.

    Liebe Grüße
    Angelika

    AntwortenLöschen
  3. Schönes Homonym, bei dem ich mich wundere, dass nicht mehr Banken darauf als Werbegag abstellen. Zum Sitzen sieht sie nicht gerade gemütlich aus. Mit diesem Post hättest du dich ja bei Heike/ Fotolinse für das Sitzplatzprojekt anmelden können. Das läuft zwar nur noch drei Wochen, aber vlt. verlinkt sich dich ja noch. Desweiteren empfehle ich dir den Post von Choci auf
    http://chocolatchauddanslesnuages.blogspot.de/2012/12/sw-ff.html
    Sie hat auch eine rote Bank, aber was für ein und 1a bearbeitet.
    Mitternachtsgruß, Wieczorama (◔‿◔) | Mein Fotoblog

    AntwortenLöschen
  4. Hast Recht :D Ich finde die auch nich so schön :D
    Liebe Grüße, chocolat d'amour

    AntwortenLöschen
  5. Ich muss gestehen, ich mag die roten Farbtupfer :-)
    Gerade bei tristem Winterwetter stechen sie aus dem Einheitsgrau heraus und man sitzt auch recht gut darauf *ggg*

    AntwortenLöschen