Das Daumendrücken hatte nichts genutzt. 13 Blogger hatten in ihren Kommentaren die Daumen gedrückt, dass ich „Rund um Köln“ ohne Regen erleben sollte, dazu jede Menge Freunde und Bekannte und weitere Blogger. Doch, im Fachjargon ausgedrückt, war der „Worst Case“ eingetreten. Oder auf Deutsch: schlimmer hätte es nicht kommen können.
Vom Start hinweg bis in den Zieleinlauf hatte unerbittlicher Regen das Radrennen begleitet. Dichte, wasserundurchlässige Regenbekleidung war da gefragt. Am Start bekam ich mit, wie andere Radrennfahrer dem Regen zu trotzen versuchten: im Zwiebelschalenlook, drei bis vier Jacken und Regenjacken übereinander, über die Hose eine zusätzliche Regenhose übergestülpt, die Schuhe mit einem Regenschutz gesichert.
Regen bei „Rund um Köln“ hatte ich nicht eingeplant, denn üblicherweise ließ ich mein Rennrad in der Garage stehen, wenn es regnete. Daher sah mein Regenschutz eher stümperhaft aus: eine Regenjacke hatte ich angezogen, das war alles, zumal ich den Aufwand gescheut hatte, mir auf den letzten Drücker eine Rund-Um-Regenbekleidung zu besorgen.
Begeistert war ich trotzdem, gemeinsam mit etwa 2.200 Teilnehmern diese Strecke fahren zu dürfen, die in diesem Jahr genau 69,3 km lang war. Vor dem Start war bei allen anderen Teilnehmern die Begeisterung genauso groß. Die Teilnehmer kamen aus ganz Deutschland, und auf ihren Trikots las ich, dass sie aus Aldekerk am Niederrhein kamen, aus Nottuln in Westfalen oder vom Kaiserstuhl in Baden-Württemberg. Alle fieberten dem Startschuss entgegen. Die Spannung stieg. Ein Knall zischte in den regenverhangenen Himmel hinein. Die 2.200 herausgeputzten Rennmaschinen rollten los, die durch alles Regenwasser und Spritzwasser schnell wieder verschmutzten.
Wie zu erwarten war, drang die Nässe rasch durch den dünnen Schutz der einzigen Regenjacke ein. Das war irgendwo zwischen Köln-Mülheim und Köln-Höhenhaus. Hände, Arme, Oberkörper, Kopf, Gesäß, diese Körperteile sogen sich mit Wasser voll. Das war ein Punkt des Gleichgewichtes, den ich von anderen Rennradtouren kannte, wenn ich klatschnass geworden war: mein Körper, der schwitzte und eigene Körperwärme produzierte, hielt dagegen, und ab diesem Punkt gewöhnte ich mich an die Nässe, so dass ich mich voll auf das Rennen konzentrierte. Zwischendurch hatte ich die Hoffnung, der Himmel würde aufreissen, doch der Regen zeigte keine Gnade und ärgerte mich und die 2.200 anderen Rennradfahrer weiter. Spätestens auf den Höhenzügen des Bergischen Landes bei Kürten wurde mir klar, wie fest der Regen die Landschaft im Griff hatte: ganz klamm, Grau in Grau, senkte sich der Regen über die Kammlagen, die Wolkenpakete waren düster, sie zerfaserten und aus ihnen lösten sich schleierhafte Gebilde heraus, die in die Täler wanderten.
Die Begeisterung konnte der Regen indes nicht bremsen. Vor Kürten-Bechen kam der erste kraftraubende Anstieg, der steiler hinaufführte, denn die Strecke war im Vergleich zum Vorjahr eine andere. In Scharen waren die Menschen ausgeschwärmt, um uns anzufeuern. „Weiter“ … „Allez“ … „noch 50 Meter, dann ist es geschafft“ rief es von allen Seiten. Die Quälerei den Berg hinauf wurde zum freudigen Ereignis und zu einem noch größeren Glücksgefühl, es oben auf dem Berg geschafft zu haben. In Kürten-Bechen war gleichzeitig eine Kirmes aufgebaut. Ein Kreisverkehr war belagert von Zuschauern, die uns Radrennfahrer nochmals ein Stück voran peitschten.
Die Zuschauer wurden zur ständigen Begleitung. Die B506 glitt in Kurven ins Tal hinab, eine entspannende Abfahrt. In Bergisch Gladbach-Sand kam ein vehementer Anstieg, das waren mehr wie 12% Steigung. Zäh und langsam tastete ich mich Meter für Meter den Berg hoch, die Zuschauer belagerten die Straße, dabei kamen mir ihre Anfeuerungen noch härter, noch energischer vor, und ich beobachtete sogar, wie einzelne Fahrer ihr Rennrad den Berg hochschoben. Nicht so bei mir: so viel Luft, so viel Kondition hatte ich noch, und da bemerkte ich all die Übungsfahrten quer durchs Siebengebirge oder die 12% Steigung vor Hennef-Uckerath.
In Bensberg fuhr ich dann mitten in eine Volksfeststimmung hinein. Das war vielleicht das tückischste Stück des Radrennens, nämlich ein irrer Anstieg etwa 100 Meter lang über Kopfsteinpflaster. In Bensberg standen Bierbuden und es war sogar eine Bühne aufgebaut, auf der Musik gespielt werden konnte. Mit Kuchen und Würstchen vom Grill konnten sich die Zuschauer verpflegen. Als das Kopfsteinpflaster begann, kam ich mir regelrecht ausgelaugt vor. Über das Pflaster kroch ich mehr als ich fuhr. Auch hier wirkte der Motivationsschub der Zuschauer, der mich den Berg vergessen ließ. Stück für Stück schob sich mein Rennrad über diesen unbequemen Straßenbelag, den ich in diesem Moment verfluchte. Den Berg hinter mir gelassen, dachte ich an das legendäre Radrennen Paris-Roubaix, wo etwa 60 km der Profi-Rennstrecke über Kopfsteinpflaster gefahren wurden. In Bensberg hatten mir jedenfalls 100 Meter dicke gereicht.
Hinter Bensberg näherte sich Köln immer mehr, und auf den Verkehrsschildern schrumpfe die Kilometerzahl zusehends zusammen. 18 Kilometer ab Forsbach, die Stadtteile Königsforst und Heumar gehörten bereits zu Köln.
Die Severinsbrücke, der Zieleinlauf. Spätestens dieser Moment ließ die Strapazen und all den Regen vergessen. Glanz und Größe und Gotik schwebten mit dem Kölner Dom über dem Rhein, und das Panorama der Kölner Altstadt beflügelte mich auf diesem allerletzten Stück. Der Zieleinlauf: Massen von Zuschauern rasselten, jubelten, erzeugten Lärm, feuerten mich an, bliesen in Tröten hinein. Im Zieleinlauf wurde mit klar, dass ich besser die Berge hochkam als dass ich sprinten konnte. Ich hatte noch Reserven, doch nach der Kurve zur Rheinuferstraße dauerte es, bis ich zur Höchstgeschwindigkeit auflief.
Durch das Ziel hindurch. Geschafft. Als ich von meinem Rennrad abstieg, ging ich wie auf Eiern. Den Regen, der in schmalen Bindfäden vom Himmel fiel, bemerkte ich kaum.
In 2 Stunden und 23 Minuten hatte ich die 69,3 Kilometer geschafft, das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 29 km/h. Genau 17 Minuten war ich langsamer wie im letzten Jahr. Die Strecke war etwas länger und der erste Berg schwieriger. Auf regennasser Fahrbahn bei durchaus gefährlichen Straßenverhältnissen. Ich bin immer noch mächtig stolz auf mich.
WOW! Ich bin schwer beeindruckt!
AntwortenLöschenTolle Leistung, Glückwunsch!
AntwortenLöschenBabee
Du hast meine vollste Bewunderung, Dieter! Dir selbst wird diese Tour unvergesslich bleiben und die Jahreszahl wird sich bei dir einprägen und zwar intensiver als all die Jahre als die Sonne schien.
AntwortenLöschenDas war ja eine gewaltige Strecke und eine super Durchschnittsgeschwindigkeit... bei solch einem Wetter, eine tolle Leistung!
♥lichst Zaunwinde
Da kannste wirklich stolz sein auf dich und noch bei diesem Sauwetter!
AntwortenLöschenGute Erholung wüsnche ich dir noch und eine shcöne Woche!
Lieben Gruss Elke
Hej Dieter,
AntwortenLöschenRiesenkompliment von mir, beeindruckendes Ereignis ebenso beeindruckend beschrieben!
LG aus Schweden
Beate
Proficiat, Dieter!
AntwortenLöschenHallo Dieter, ich habe Dir zwar auch die Daumen gedrückt... aber das Wetter war ja vorhergesagt und da konnte man nichts machen. Mit meinem Sohn habe ich gestern im WDR die Zusammenfassung gesehen, ..... boah......, meine /unsere vorzügliche Bewunderung für Dich! Ist doch toll, dass Du keinen Crash hattest oder sonst irgendwie einen Unfall hattest... wenn ich da an die TOUR denke, da ist das an der Tagesordnung. Und nur 17 Minuten später als im Vorjahr im Ziel einzutreffen, ist ganz ganz klasse!
AntwortenLöschenKlar,ich habe nichts gegen einen Besuch/Treffen mit Euch, ... wir machen mal etwas aus.
LG Marita
ich hoffe du hattest ein schönes osterfest?
AntwortenLöschennass bis auf die knochen und immernoch spass dabei...hut ab, kannst stolz auf dich sein!!!
hoffentlich bekommst du keine erkältung!
LG
ist mein kommi nicht angekomme??? ich weiss es nicht!
AntwortenLöschendann nochmal..
hoffe du hattest ein schönes osterfest und hoffentlich bekommst du keine erkältung bei dem mistwetter ;-))
LG
Ich war gestern auf der A1+A61 von Dortmund nach Koblenz und wieder zurück unterwegs. Es hat die ganze Zeit nur geregnet und ich habe zwei Mal zwei Stunden lang nur an dich denken müssen.
AntwortenLöschenUnter diesen Bedingungen so eine Tour i9n solch einer Zeit zu fahren - da kannst du oberstolz auf dich sein!
Grüße! N.
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenda hat sich der Regen auch ausgerechnet den Tag ausgesucht. Einen Tag vorher hätte Rund um Köln bei Sonne stattfinden können. Respekt, dass du durchgehalten hast!
VG
Elke
Da gehört schon was dazu!
AntwortenLöschenGratuliere!
Liebgruß,
Tiger
=^.^=
Spitze! Darauf kannst du wohl stolz sein! Bei Regen ist das schlimmste das alles scheuert finde ich :-) Regenkleidung hält da nur von außen trocken und von innen wird alles nass vom Schwitzen..
AntwortenLöschenEgal, Hut ab!!
Hochachtung bei diesem Wetter und dann nur den spärlichen Regenschutz und trotzdem durchgehalten, eine tolle Leistung.
AntwortenLöschenVG Nachtfalke
Dass wetter....gut dass wir da nicht die hand in haben.....
AntwortenLöschenDu hast es geschaft...toll, gratuliere..
Grüsse Nieske
Ich habe so an dich denken müssen, Dieter, als ich am Ostermontag aufstand und es bei uns aus Strömen goss.
AntwortenLöschenDu kannst mächtig stolz auf deine Leistung sein, dass du durchgehalten hast und ein so gutes Ergebnis erreicht hast, Daumenhochstreck. :-)
LG Christa
So, nun aber auch endlich rund um Köln! Meinen Glückwunsch zur Bewältigung der Tour und das auch noch bei Regen! Einen weiteren Glückwunsch zu deinen durchschnittlichen 29 km/h. Du scheinst wirklich top in Form zu sein, wobei ich auch an dein Alter denke. Früher bin ich auf viel Rad gefahren, habe es als Verkehrsmittel benutzt. Wenn ich an die 30km/h kam, war das für mich eine Höchstleistung, die ich nur über kurze Zeiträume durchhalten konnte.
AntwortenLöschenEin sehr schön geschriebener Text ist das geworden. "Ein Knall zischte in den regenverhangenen Himmel hinein.", "Glanz und Größe und Gotik schwebten mit dem Kölner Dom über dem Rhein..." und "...Wolkenpakete waren düster, sie zerfaserten und aus ihnen lösten sich schleierhafte Gebilde heraus, die in die Täler wanderten." sind in meinen Augen richtig schöne Sätze/Formulierungen. Eine Posse konntest du dir wohl nicht verkneifen. "...Körperteile sogen sich mit Wasser voll." Was für eine lustige Formulierung. muhahaha Da stelle ich mir Dieter, den Schwamm vor, bei dem die einzelnen Körperteile das Wasser aufsaugen.
Ƹ̵̡Ӝ̵̨̄Ʒ
Lieben Dank für deinen cmt. Mir geht es übrigens genauso wie dir, dass sich mein Blick / meine Aufmerksamkeit durch das Bloggen und insb. durch Fotoprojekte sehr verändert hat. Z.B. Cam Underfoot. Als dieses Projekt damals herauskam oder in die zweite Runde ging, für mich aber neu war, musste ich als erstes feststellen, dass ich es gar nicht so richtig verstanden hatte, bevor ich begann diese Perspektive zu lieben. Dann entdeckte ich plötzlich, was mit dieser Perspektive alles möglich wird. Oder "faszinierend natürlich nf" oder andersherum - jede Woche etwas aktuelles aus der Natur - und da bemerke ich plötzlich, was alles direkt vor meine Nase wächst, wie schnell die Blütezeiten wechseln und das alles gabe es schon immer -nur eben von mir unbemerkt. haha
Ƹ̵̡Ӝ̵̨̄Ʒ
Ich hoffe, du hattest schöne Feiertage mit deiner kleinen Familie.
Nachösterliche Grüße
Wieczorama (◔‿◔) | Mein Fotoblog
Das muss wirklich ein Glücksgefühl sein, wenn man solch eine schwierige Situation meistert, Gartulation, dass Du durchgehalten hast,
AntwortenLöschenLG Ulrike
Respekt!!! Und das bei Regen-da haste aber auch Grund stolz zu sein. Hut ab!
AntwortenLöschenViele Grüße
Jo
Respekt!!! Und das bei Regen-da haste aber auch Grund stolz zu sein. Hut ab!
AntwortenLöschenViele Grüße
Jo
ist jetzt zwar schon einige Zeit vorbei ... aber ich klopfe dir gerne auch noch auf die Schulter :-)
AntwortenLöschenschade dass es mit dem Wetter nicht so gut war.
lieber Gruß von Heidi-Trollspecht