Dienstag, 24. April 2012

mit dem Rennrad nach Ahrweiler

Entfernung: 70 km
Dauer: 4 Stunden (davon 30 Minuten Pause + Fahrt mit der Fähre über den Rhein)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 22-23 km/h
 

Letztes Jahr war es Anfang Mai, als der Frost zugeschlagen hatte. Bei bis zu zwei Grad unter Null vervielfachte der Wind die Kälte – und in den folgenden Wochen wurden die winzigen Früchte an den Apfelbäumen weich wie Gummi, sie färbten sich braun und fielen zu Boden. Zwischen Rheinbach, Meckenheim und Grafschaft waren etwa 70 Prozent der Obstbauern betroffen.

An ein solches Szenario dachte ich auf meinem Rennrad nicht. In der Grafschaft genoss ich die Apfelblüte. Auf Wirtschaftswegen fernab der Hauptstraßen kurvte ich zwischen den Plantagen herum – diese ruhige Fahrt jenseits jeglichen Autoverkehrs war ein seltenes Erlebnis. Zwischen Rheinbach, Meckenheim und Grafschaft, hier erstreckte sich nach dem Alten Land und dem Bodensee ungefähr das drittgrößte Obstanbaugebiet in Deutschland. Nachdem ich am 17. März dieselbe Tour gefahren war, war nun die Höhe auf der Königsstraße in ein weißes Blütenmeer eingetaucht. Ungestört, begleitete mich die Apfelblüte, so weit das Auge reichte. Eine tolle Abfahrt ins Ahrtal folgte, nachdem der Obstanbau durch Felder abgewechselt worden war..

Ahrweiler: als ich durch das Stadttor schritt, war ich eingefangen von soviel Harmonie und soviel Fachwerk. Ahrweiler, in dieser Beschaulichkeit drängelten sich üblicherweise am Wochenende die Touristen. Nun, am frühen Nachmittag, schlummerten die Touristen-Ströme noch in der Ferne. Fachwerkhaus kuschelte sich an Fachwerkhaus. Von der Idylle ließ ich mich berieseln. Schön, dass ich solche aufgehübschten Flecken auf meinen Rennradtouren erleben durfte. Mit der Leichtigkeit des Seins schob ich mein Rennrad durch die Fußgängerzone. Wie reizvoll deutsche Kleinstädte sein können, dachte ich vor mich hin. Gerne hätte ich diese Harmonie an zerrissene Orte transportiert. Gerne würde ich soviel Harmonie nach Hause schaffen – vierundzwanzig Stunden rund um die Uhr.

Ein Weizenbier. Draußen vor dem Café hockte ich mich in die Sonne. Auf meinem Plastikstuhl lehnte ich mich zurück, ich streckte meine Beine aus. Die Weite des Marktplatzes überragte die St. Laurentius-Kirche mit ihrem weiß gestrichenen Mauerwerk, dessen Mauerkanten zartgelbe Farbtupfer auflockerten. Von Gelb bis Rot bis Violett schillerte ein Teppich von Stiefmütterchen, der auf einem Beet vor der Kirche farblich genau dazu passte. Augenblicklich verschwand die Sonne, ein ruppiger Wind kam auf. Ich zog meine Beine zusammen und fröstelte. Einige Augenblicke später, als der graue Wolkenklecks abgezogen war, schien die Sonne weiter. Ich nahm einen langen Schluck aus meinem Weizenbier. Die Gäste am Nachbartisch kamen eindeutig aus Belgien. Häppchenweise hörte ich Niederländisch heraus, doch die Sprache war langgezogen, dumpf, hohl und mit weichen Lauten dazwischen, die untypisch für die Niederlande waren. Kaum ein Wort verstand ich. Wo die herkamen, musste irgendwo in Flandern an der Sprachgrenze liegen – Leuven, Kortrijk oder vielleicht Ieper.

Durch die Enge der Ortsdurchfahrt schlüpfte ich hindurch, in Walporzheim lief das Ahrtal in einem schmalen Talkessel zusammen und bauschte sich am Ortsende zu einer senkrechten Wand auf, an der sich Weinberge fest krallten. Terrassen, aufgesetzt auf dicken Schichten von Schieferplatten, ermöglichten es, dass die Weinberge bewirtschaftet werden konnten. Schicht für Schicht, kletterten die Weinberge behutsam die steilen Hänge hinauf. Jedesmal war die Fahrt durchs Ahrtal ein sorgsam inszeniertes Erlebnis. Tief eingeschnitten in die auslaufenden Bergketten der Eifel war das Ahrtal so rassig, so temperamentvoll wie wohl kaum ein anderes Tal. In Mäandern zog die Ahr ihre Schleifen durchs Tal. Die Straße folgte in Kurven, deren Krümmungen bisweilen in Haarnadelkurven ausarteten. Ruinenhaft senkte sich der griffige Körper des Klosters Marienthal in ein Seitental. Allenthalben Restaurants, Fremdenzimmer, Weinlokale, und manche Lokalitäten hießen „Biker herzlich willkommen“.

Dernau: eingequetscht ins Tal, verließ ich an diesem Punkt das Ahrtal – dem ich auf der Bundesstraße Richtung Altenahr hätte folgen können. Ab hier musste ich mich einen vehementen Anstieg hoch arbeiten – es waren gefühlte 8-10% Anstieg, hinauf von etwa 100 Meter auf 280 Meter Höhe. Da diese Route zu meinen Lieblingsstrecken gehörte und da ich durch „Rund um Köln“ schon geübt war, kam mir der gewaltige Anstieg schon wie Routine vor. Ich wusste, wie viel ich hinauf zu treten hatte, ich wusste, wie niedrig ich die Gänge schalten musste. Die Kreuzung mit dem Rotweinwanderweg kannte ich, ebenso, an welcher Stelle sich der Wanderparkplatz versteckte.

Der Anstieg legte den Blick frei auf ein gewaltiges Panorama, wie sich das Tal in Schlangenlinien daher zog. Weinbau hatte sich an den Berghängen festgesetzt. Wie so oft, knubbelten sich auf dem Aussichtsparkplatz Autos und Motorräder. Nun konnte ich mit meinem Blick abmessen , wie gewaltig der zurückgelegte Höhenunterschied war. Ein letzter sehnsüchtiger Blick ins Ahrtal, dann drehte die Straße – immer noch mit gefühlten 8-10% Anstieg – in die Grafschaft.

Ab Esch ging es bergabwärts. Vettelhofen, Gelsdorf, auf der Bundesstraße nach Meckenheim begegnete ich wieder den Plantagen von Apfelbäumen, die mit ihren Blüten schneeweiß über den Feldern flimmerten, und flächendeckende Blütenteppiche reichten bis zu den Hängen des Kottenforstes.

Ich hatte Glück. Sonnenschein und ein strammer Rückenwind trieben mich vorwärts. In der nunmehr flachen Ebene befand ich mich locker auf dem Nachhauseweg. Umgekehrt – einen solchen strammen Gegenwind – das hätte ich überhaupt nicht gebrauchen können.

2 Kommentare:

  1. Das Lesen deiner Radtour hat Spaß gemacht...hab dich im Geiste richtig strampeln sehen.*G*
    Schön,dass du den Sonnenschein auf deiner Seite hattest.
    Danke für den tollen Bericht!

    Viele Grüße,
    Line (die auch mal wieder mit dem Fahrrad fahren sollte...)

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  2. Immer wieder schön zu lesen die Berichte von deinen Radtouren und man ist mitten drin im Geschehen.:-)
    Bei uns in der Nähe sind vor kurzem 30 - 50 % der Kirschblüten erfroren, ein enormer Schaden für die Kirschenbauern.
    Ahrweiler scheint ein sehr schönes Fachwerkstädtchen zu sein und nach so einer Kraftanstrengung hat man auch eine Pause verdient, um den Charme des Städtchens ein wenig zu genießen und die Seele baumeln zu lassen.
    Anschließend wurdest du nach einem weiteren Kraftakt mit einer grandiosen Aussicht belohnt. :-)
    Haha, Gegenwind hat kein Radfahrer gerne.

    Liebe Grüße
    Christa

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