Samstag, 8. März 2014

St. Pankratius in Königswinter-Oberpleis - Darstellung des Kosmos

St. Pankratius Oberpleis
Die Suche nach den letzten Dingen treibt wohl jeden Menschen an. Wo kommen wir her ? Wo gehen wir hin ? Wer sind wir ? Seitdem es die Menschheit gibt, hat sich diese darüber den Kopf zerbrochen. Im Christentum ist der Ursprung aller Dinge Gott. In der Antike – bei den Ägyptern, den Griechen oder den Römern – war es eine Vielzahl von Göttern. Philosophen wie Aristoteles definierten den Ursprung aller Dinge anders. Hinter der sichtbaren Gestalt der Dinge sahen sie einen Kern, der alle Dinge auf eine gemeinsamen Wesensgestalt zurückführte. Diese Wesensgestalt musste nicht zwingend ein Gott sein.

Ich staune, was es in unserer Gegend alles zu sehen gibt. Im Rücken des Siebengebirges fällt das Gelände steil ab. Vielleicht inspiriert durch die opulenten Formen des Siebengebirges, haben die Menschen darüber nachgedacht und Darstellungsformen gefunden, wie sich der Mensch und die Welt zueinander verhalten. Der Denkansatz stammt aus dem Mittelalter, greift aber auf die Antike zurück.

Es ist ein Tonfliesenmosaik aus dem 13. Jahrhundert in der Kirche St. Pankratius in Königswinter-Oberpleis, das 1974 bei Renovierungsarbeiten 80 Zentimeter unter dem Fußboden entdeckt wurde, als dieser aufgestemmt wurde. Rund ein Drittel der weiß-grau-blauen Fliesen wurde von 1210 bis 1230 verlegt, sie fügen sich zu einer Darstellung des Kosmos zusammen, die übrigen zwei Drittel ergänzten die Archäologen, fußend auf Weltbildern, die die Menschen seit der Antike entwickelt haben.

Krypta, Marienalter, romanischer Taufstein, Jesus am Kreuz, das Tonfliesenmosaik will als Darstellung des Kosmos in der Kirche St. Pankratius in Oberpleis nicht so Recht in die übrige religiöse Innenausstattung hinein passen.

Tonfliesenmosaik Oberpleis
Solange es die Menschheit gibt, haben sich Denker über Ordnung, Struktur, Geometrie und Ursprung der Welt den Kopf zerbrochen. Schon die Ägypter zeichneten Mond, Sterne und andere Planeten als astronomischen Raum um die Erde herum. Im 4. Jahrhundert vor Christus entwarf Aristoteles ein Weltbild, das bereits dem Tonfliesenboden in Oberpleis in den Grundstrukturen ähnlich war. Die Erde stand im Zentrum, und sie umgab ein konzentrischer Ring von 12 Kreisen. Die ersten vier Kreise waren die Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer, die übrigen acht Kreise waren für Sonne plus die damals bekannten 7 Planeten vorgesehen.

In Oberpleis können die 12 Kreise aus der Religiösität des Hochmittelalters gedeutet werden. Gott ist der Ursprung allen Seins, symbolisiert durch die Sonne als Zentrum der 12 Kreise. Um den Ursprung herum, unterschieden sich Kreise mit dreieckigen Fliesen, die 7 Kreise ergeben, und Kreise mit viereckigen Fliesen, die 4 Kreise ergeben. Die Zahl 12 kann die 12 Monate oder 12 Tierkreiszeichen darstellen, die Zahl 7 die 7 Tage der Schöpfung oder die 7 Planeten, die Zahl 4 die 4 Wochen oder 4 Jahreszeiten oder auch die 4 Elemente des Aristoteles.

Das Tonfliesenmosaik in Oberpleis unterscheidet sich von den Darstellungen des Kosmos in der Antike, da es in den vier Ecken um weitere, kleine Kreise ergänzt wurde. Diese kleinen Kreise verknüpfen mit ihren Aufschriften und Symbolen vier Himmelsrichtungen mit vier Jahreszeiten und vier menschlichen Charaktereigenschaften:

Nordosten = Frühling = Sanguiniker
Nordwesten = Winter = Phlegmatiker
Südwesten = Herbst = Melancholiker
Südosten = Sommer = Choleriker

Kosmos-Darstellung Isidor von Sevilla
Die Spuren dieser kleinen Kreise, die den antiken Darstellungen noch nicht hinzugefügt worden sind, führen nach Spanien. Das Wissen von Ägyptern, Griechen und Römern hatte sich im Mittelmeerraum gesammelt. Durch den Untergang des west-römischen Reiches, durch die Völkerwanderung und den Einfall von Hunnen, Wandalen, Normannen und Wikingern drohte dieses Wissen verloren zu gehen. Gelehrte, Geistliche und später Klöster schrieben Schriften aus der Antike ab, um dieses Wissen zu erhalten.

Einer dieser Geistlichen war Isidor von Sevilla, der 636 in Sevilla starb. In seinen Schriften findet sich eine Darstellung des Kosmos, in der dieselben Grundeinheiten von mundus (Welt), annus (Jahr) und homo (Mensch) stehen. Dieselben Begriffe der Charaktereigenschaften „sanguina“, „phlegma“, „melancolia“ und „cholera“ finden sich sowohl bei Isidor von Sevilla, sondern auch in Oberpleis.

Wo kommen wir her ? Wo gehen wir hin ? Wer sind wir ? In Oberpleis habe ich erstaunliches dazu gelernt. Die Hügel werden schlapper, und das Hinterland des Siebengebirges habe ich bislang wenig beachtet. Im schützenden Tal der Pleis bin ich den letzten Dingen auf den Grund gegangen.

10 Kommentare:

  1. Danke für diesen schönen Beitrag! Du hast wieder auf eine, auch uns unbekannte Perle in der näheren Umgebung aufmerksam gemacht!
    Ein schönes Frühlingswochenende!
    Astrid

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  2. "Wir gehen hin, woher wir kommen", hieß es in einer Tanzmeditation, die ich einmal mitgemacht habe. Für mich war das damals eine Konfrontation mit Gedankengut, das mich ganz schön aus dem Alltag riss. So klar wie die Aussage scheint, so fremd klingt sie aus heiterem Himmel. Obwohl die Vorstellungen der Epochen so unterschiedlich sind, haben sie eines gemeinsam, die Vorstellung einer Kraft, von der alles ausgeht.
    Faszinierend ... aus heiterem Himmel ... auf solche Dinge zu stoßen.

    Gruß
    Beate

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  3. Asche zu Asche, Staub zu Staub.

    Ich war heute auf einer Beerdigung, da kamen mir solche Gedanken wie deine auch. Ich glaube, auch der weiseste Philosoph wird nie genau die Antwort kennen.

    Dich wuerde ich gerne als Baerenfuehrer fuer dein Stueck Rheintal benutzen. Viel mehr als du kennen sicherlich auch die Baedeker nicht.

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  4. Dies wird so wirklich niemand beantworten können....zumindest woher wir kommen, allen Ursprung, und wohin wir mal gehen werden. Ich denke es ist gut dass wir es auch nicht wissen.....

    Herzliche Sonntagsgrüssle

    Nova

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  5. Danke für diesen interessanten Beitrag! Schon immer hat die Menschheit sich Gedanken darüber gemacht wo wir herkommen, wo wir hingehen und wer wir sind. Jede Epoche hat ihre Gedanken und Antworten dazu. Spannend!
    LG Calendula

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  6. da stimme ich meinen vorschreiberinnen zu....wir werden es niemals erfahren. aber hoffnug darf man sich machen, dass es weitergeht, oder?
    du bist (m)ein nachschlagewerk ;-))
    mosaike finde ich übrigens sehr schön. gglG und einen schönen wochenstart

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  7. Ein toller Post Dieter !
    Wo kommen wir her, wo gehen wir hin ?
    Eins weiß ich bestimmt. Wir sind ein ganz ganz ganz kleiner unwichtiger Teil des Ganzen :-)

    LG Frauke

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  8. Danke für diesen interessanten Post, Dieter! Die Kirche St. Pankratius würde ich mir auch mit Interesse ansehen. Diese Kausalfragen wird dir niemand letztendlich beantworten können ;)
    Einen schönen Feierabend wünsche ich dir, Wieczora (◔‿◔) | Mein Fotoblog

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  9. ich habe deinen Post auch wieder sehr gerne gelesen. Ich finde solche Entdeckungsreisen und -gedanken immer sehr interessant.

    Lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

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  10. Wahrlich spannende Parallelen sind das, lieber Dieter! Für Mosaike bin ich ohnehin immer zu haben, diese uralte künstlerische Audrucksform hat es mir schon lange angetan und begegnet mir an beinah jedem Urlaubsort...
    Ein schönes Wochenende wünsch' ich dir und deinen Lieben!
    Herzliche Rostrosengrüße, Traude
    ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥:

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