St. Pankratius Oberpleis |
Ich staune, was es in unserer Gegend alles zu sehen
gibt. Im Rücken des Siebengebirges fällt das Gelände steil ab. Vielleicht
inspiriert durch die opulenten Formen des Siebengebirges, haben die Menschen
darüber nachgedacht und Darstellungsformen gefunden, wie sich der Mensch und
die Welt zueinander verhalten. Der Denkansatz stammt aus dem Mittelalter,
greift aber auf die Antike zurück.
Es ist ein Tonfliesenmosaik aus dem 13. Jahrhundert
in der Kirche St. Pankratius in Königswinter-Oberpleis, das 1974 bei
Renovierungsarbeiten 80 Zentimeter unter dem Fußboden entdeckt wurde, als
dieser aufgestemmt wurde. Rund ein Drittel der weiß-grau-blauen Fliesen wurde
von 1210 bis 1230 verlegt, sie fügen sich zu einer Darstellung des Kosmos
zusammen, die übrigen zwei Drittel ergänzten die Archäologen, fußend auf
Weltbildern, die die Menschen seit der Antike entwickelt haben.
Krypta, Marienalter, romanischer Taufstein, Jesus am
Kreuz, das Tonfliesenmosaik will als Darstellung des Kosmos in der Kirche St.
Pankratius in Oberpleis nicht so Recht in die übrige religiöse Innenausstattung
hinein passen.
Tonfliesenmosaik Oberpleis |
Solange es die Menschheit gibt, haben sich Denker
über Ordnung, Struktur, Geometrie und Ursprung der Welt den Kopf zerbrochen.
Schon die Ägypter zeichneten Mond, Sterne und andere Planeten als
astronomischen Raum um die Erde herum. Im 4. Jahrhundert vor Christus entwarf
Aristoteles ein Weltbild, das bereits dem Tonfliesenboden in Oberpleis in den
Grundstrukturen ähnlich war. Die Erde stand im Zentrum, und sie umgab ein
konzentrischer Ring von 12 Kreisen. Die ersten vier Kreise waren die Elemente
Erde, Wasser, Luft und Feuer, die übrigen acht Kreise waren für Sonne plus die
damals bekannten 7 Planeten vorgesehen.
In Oberpleis können die 12 Kreise aus der
Religiösität des Hochmittelalters gedeutet werden. Gott ist der Ursprung allen
Seins, symbolisiert durch die Sonne als Zentrum der 12 Kreise. Um den Ursprung
herum, unterschieden sich Kreise mit dreieckigen Fliesen, die 7 Kreise ergeben,
und Kreise mit viereckigen Fliesen, die 4 Kreise ergeben. Die Zahl 12 kann die
12 Monate oder 12 Tierkreiszeichen darstellen, die Zahl 7 die 7 Tage der Schöpfung
oder die 7 Planeten, die Zahl 4 die 4 Wochen oder 4 Jahreszeiten oder auch die
4 Elemente des Aristoteles.
Das Tonfliesenmosaik in Oberpleis unterscheidet sich
von den Darstellungen des Kosmos in der Antike, da es in den vier Ecken um
weitere, kleine Kreise ergänzt wurde. Diese kleinen Kreise verknüpfen mit ihren
Aufschriften und Symbolen vier Himmelsrichtungen mit vier Jahreszeiten und vier
menschlichen Charaktereigenschaften:
Nordosten = Frühling = Sanguiniker
Nordwesten = Winter = Phlegmatiker
Südwesten = Herbst = Melancholiker
Südosten = Sommer = Choleriker
Nordwesten = Winter = Phlegmatiker
Südwesten = Herbst = Melancholiker
Südosten = Sommer = Choleriker
Kosmos-Darstellung Isidor von Sevilla |
Die Spuren dieser kleinen Kreise, die den antiken
Darstellungen noch nicht hinzugefügt worden sind, führen nach Spanien. Das
Wissen von Ägyptern, Griechen und Römern hatte sich im Mittelmeerraum
gesammelt. Durch den Untergang des west-römischen Reiches, durch die
Völkerwanderung und den Einfall von Hunnen, Wandalen, Normannen und Wikingern
drohte dieses Wissen verloren zu gehen. Gelehrte, Geistliche und später Klöster
schrieben Schriften aus der Antike ab, um dieses Wissen zu erhalten.
Einer dieser Geistlichen war Isidor von Sevilla, der
636 in Sevilla starb. In seinen Schriften findet sich eine Darstellung des Kosmos,
in der dieselben Grundeinheiten von mundus (Welt), annus (Jahr) und homo
(Mensch) stehen. Dieselben Begriffe der Charaktereigenschaften „sanguina“, „phlegma“,
„melancolia“ und „cholera“ finden sich sowohl bei Isidor von Sevilla, sondern
auch in Oberpleis.
Wo kommen wir her ? Wo gehen wir hin ? Wer sind wir
? In Oberpleis habe ich erstaunliches dazu gelernt. Die Hügel werden schlapper,
und das Hinterland des Siebengebirges habe ich bislang wenig beachtet. Im
schützenden Tal der Pleis bin ich den letzten Dingen auf den Grund gegangen.
Danke für diesen schönen Beitrag! Du hast wieder auf eine, auch uns unbekannte Perle in der näheren Umgebung aufmerksam gemacht!
AntwortenLöschenEin schönes Frühlingswochenende!
Astrid
"Wir gehen hin, woher wir kommen", hieß es in einer Tanzmeditation, die ich einmal mitgemacht habe. Für mich war das damals eine Konfrontation mit Gedankengut, das mich ganz schön aus dem Alltag riss. So klar wie die Aussage scheint, so fremd klingt sie aus heiterem Himmel. Obwohl die Vorstellungen der Epochen so unterschiedlich sind, haben sie eines gemeinsam, die Vorstellung einer Kraft, von der alles ausgeht.
AntwortenLöschenFaszinierend ... aus heiterem Himmel ... auf solche Dinge zu stoßen.
Gruß
Beate
Asche zu Asche, Staub zu Staub.
AntwortenLöschenIch war heute auf einer Beerdigung, da kamen mir solche Gedanken wie deine auch. Ich glaube, auch der weiseste Philosoph wird nie genau die Antwort kennen.
Dich wuerde ich gerne als Baerenfuehrer fuer dein Stueck Rheintal benutzen. Viel mehr als du kennen sicherlich auch die Baedeker nicht.
Dies wird so wirklich niemand beantworten können....zumindest woher wir kommen, allen Ursprung, und wohin wir mal gehen werden. Ich denke es ist gut dass wir es auch nicht wissen.....
AntwortenLöschenHerzliche Sonntagsgrüssle
Nova
Danke für diesen interessanten Beitrag! Schon immer hat die Menschheit sich Gedanken darüber gemacht wo wir herkommen, wo wir hingehen und wer wir sind. Jede Epoche hat ihre Gedanken und Antworten dazu. Spannend!
AntwortenLöschenLG Calendula
da stimme ich meinen vorschreiberinnen zu....wir werden es niemals erfahren. aber hoffnug darf man sich machen, dass es weitergeht, oder?
AntwortenLöschendu bist (m)ein nachschlagewerk ;-))
mosaike finde ich übrigens sehr schön. gglG und einen schönen wochenstart
Ein toller Post Dieter !
AntwortenLöschenWo kommen wir her, wo gehen wir hin ?
Eins weiß ich bestimmt. Wir sind ein ganz ganz ganz kleiner unwichtiger Teil des Ganzen :-)
LG Frauke
Danke für diesen interessanten Post, Dieter! Die Kirche St. Pankratius würde ich mir auch mit Interesse ansehen. Diese Kausalfragen wird dir niemand letztendlich beantworten können ;)
AntwortenLöschenEinen schönen Feierabend wünsche ich dir, Wieczora (◔‿◔) | Mein Fotoblog
ich habe deinen Post auch wieder sehr gerne gelesen. Ich finde solche Entdeckungsreisen und -gedanken immer sehr interessant.
AntwortenLöschenLieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Wahrlich spannende Parallelen sind das, lieber Dieter! Für Mosaike bin ich ohnehin immer zu haben, diese uralte künstlerische Audrucksform hat es mir schon lange angetan und begegnet mir an beinah jedem Urlaubsort...
AntwortenLöschenEin schönes Wochenende wünsch' ich dir und deinen Lieben!
Herzliche Rostrosengrüße, Traude
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