Ich beobachtete, nutzte den Freiraum, um die
Fingerfertigkeit zu bestaunen, was Friseure tagtäglich leisten. Ihre Arbeit
hatte objektiv einen Wert, und sie wussten, was sie mit ihrem Stehvermögen und
mit ihrer Schere in der Hand am Ende des Tages geleistet hatten.
Nebenher bemerkte ich, wie sich zwei Pfoten auf der
Kante des Ledersitzes vorwärts tasteten. Schüchtern verharrten die Tatzen auf
der Stelle, ein Kopf streckte sich in die Höhe, zwei Hundeaugen schauten mich
voller Sehnsucht an. Sie durchbohrten mich mit ihrem Blick, so sehr hatten sie
sich an meiner sitzenden Gestalt fest gehakt. Ich rätselte, war voller Skepsis,
wusste nicht, ob ich hinschauen sollte, denn ich war auf Katzen gepolt und
nicht auf Hunde.
Eine Katze hatte sich bei meinen Eltern stets zu
Hause gefühlt. Über mehrere Jahrzehnte haben wechselnde Katzen meine
Schwiegereltern begleitet. Nach langem Werben unseres kleinen Mädchens haben
wir es seit einem Jahr geschafft, dass wir stolze Besitzer einer Katze und
eines Katers sind. Das gibt unserem Leben einen zusätzlichen Schub an
Lebensfreude, wenn sich unser Kater abends auf meinen Schoß setzt, wenn ich
sein samtweiches Fell streichele, wenn er schnurrt, als ob er einen Motor
einschalten würde, und wenn er wohlwollend seinen Schädel gegen meine
streichelnde Hand reibt.
Nun also ein Hund. Mit Rassen kenne ich mich
überhaupt nicht aus. Das war ein Pudel im Kleinformat. Die Ohren waren rund und
hingen nicht herab. Das Fell war weiß, mager und lückenhaft, so als wäre ihm
ein Stück geklaut worden. Oder es war
eine Katze im Großformat. Nase, Mund und Ohren lagen dicht beisammen, und der
Körper war vielleicht doppelt so groß wie eine Katze.
Der Fehler im nächsten Moment war fatal, denn ich
behandelte diesen Hund, der vor sich her schlummerte und wartete, dass etwas
geschah, wie eine Katze. Ich streichelte sein Fell. Das hatte mit dem Fell
einer Katze ungefähr so viel zu tun wie Helene Fischer mit AC/DC oder der TuS
Königswinter-Oberpleis mit der Ersten Fußball-Bundesliga. Ich griff in eine
gebürstete Masse hinein, die sich sträubte. Meine Hand rutschte über das Fell
hinweg, und in diesem Moment verhielt sich der Hund sogar wie unser Kater, denn
er sprang auf meinen Schoß, wie durch fremde Geisterhand gesteuert.
Er äußerte sogar sein Wohlbefinden, schnupperte,
fing an zu lecken, genau in mein Gesicht hinein. Er fuhr nicht seine Krallen
aus – so wie ich es von unseren Katzen kannte – denn er besaß keine. Was
unseren Katzen die Krallen bedeuteten, das waren seine Zähne. Sein Mund öffnete
sich, und stolz bleckte er sein Gebiß entgegen. In Zacken formierten sich seine
Zähne nebeneinander, vier Augen standen sich frontal gegenüber.
Ich spürte Angriffslust in den schwarz getünchten
Pupillen. Ich bin an Katzen gewöhnt. Mit Hunden verbinde ich einige negative
Erlebnisse. Meine erste Freundin hatte einen winzigen Rehpincher, der mich
permanent anbellte, so dass wir uns kaum unterhalten konnten. Viele Jahre
später, lief mir beim Joggen ein Hund hartnäckig hinterher und zerriss mit
seinem Gebiß meinen Trainingsanzug. Es stört mich heutzutage, wenn sich zwei
Hunde begegnen und dann endlos und laut anbellen.
Seine Zähne bissen zu. Entschlossen, aber auch verspielt.
Zuerst bissen sie sich zwischen meinen Fingern fest, kauten darauf herum, als
wollten sie eine Wurst verspeisen. Die Bisse wurden härter, schmerzten aber
nicht und wichen zurück. Ich war entsetzt. Weil ich nicht wusste, wie ich
reagieren sollte, kraulte ich vor lauter Verlegenheit seine schlappe Haut, die
sein Fell sein sollte.
Der Hund hatte sich auf meinem Schoß eingenistet und
knabberte an mir herum. Seine Zähne bissen in das hinein, was ihnen in die
Quere kam. Nun war mein Pullover an der Reihe. Das Gebiß fraß sich in das
rot-weiß-graue Muster hinein, drehte den Kopf nach oben, die Zähne rissen zwischen
den Fäden des Pullovers herum. Das reichte. In diesem Moment hätte ich diese
doppelte Katzengröße, die ein wild herum fressendes Monster war, in die Hölle
gewünscht.
„Platz“ erlöste mich die Chefin des Friseur-Salons,
die erst jetzt mitbekommen hatte, dass das Treiben ihres Vierbeiners
eskalierte.
Der Hund gehorchte. Augenblicklich sprang er auf den
Bistrot-Stuhl, blickte schüchtern wie ein Unschuldslamm und hockte sich auf
seine Hinterpfoten. Der Schreckensmoment war verflogen, und nun sah er wieder
so treu und so streichel-bedürftig wie unsere Katzen aus.
„Sie dürfen nicht anfangen, ihn zu streicheln. Dann
werden Sie ihn nicht wieder los. Entschuldigung. Habe einen Moment nicht
aufgepasst.“
Köstlich - der Vergleich zwischen Katzen- und Hundefell. Wie ich Dich einschätze ist AC/DC die Katze.... Liebe Grüße von einer, die Katzen auch lieber mag und ihrem Kater Mörchen.
AntwortenLöschenHallo Dieter,
AntwortenLöschendas hast Du excellent beschrieben. Als ich den Text las, lief ein kleiner Film vor meinen Augen ab, so haarklein konnte ich mir die Begegnung vorstellen.
Gruß
Beate
Eine schöne Begegnung die du klasse beschrieben hast. Ich habe mich gefühlt als wenn ich danebensitzen würde und das Geschehen realistisch beobachtet hätte.
AntwortenLöschenFinde ich richtig schön wie Tiere doch merken ob der Mensch ihnen nix tut. Kein Wunder dass er sich angekuschelt hat. Haste das nächste Mal ein Leckerchen dabei wird er bestimmt schon schwanzwedelnd auf dich zukommen^^
Liebe Grüssle
Nova
deine Beschreibung wie die Katze im Großformat versuchte dich mehr und mehr zu erobern ... einfach köstlich :-)
AntwortenLöschenlieber Gruß von Heidi-Trollspecht