In der Morgenstille radelte ich los. Das Licht
strich über Getreidefelder, verwischte die Ähren in ein blasses Gelb und
durchdrang den übersichtlichen Streifen eines Zuckerrübenfeldes. Kühlturm und
Schornsteine der Evonik-Werke erschienen als Drohgebärde am Horizont. Dampf-
und Rauchwolken pinselten ein fahles Weiß gegen den Morgenhimmel, der so
regungslos war wie die Windstille.
In Windeseile gelangte ich nach Köln. In Porz-Libur erreichte
ich den Streß der Großstadt mit konturlosen Neubaugebiete. Porz-Wahn war in der
Morgenstille nahezu autofrei – das war vor der Autobahnauffahrt ein höchst
seltenes Erlebnis.
Ruhig, bewaldet, flach, ohne Anstrengungen radelte
ich auf der schnurgeraden Straße. Das war ungewöhnlich für Köln, aber mir wurde
langweilig. Bis mir drei spazierende jugendliche Gestalten mit Trolleys auf dem
Fahrradweg entgegenkamen.
„Ich habe keinen Gepäckträger, wie Ihr seht.“
„Wie weit ist es zum Flughafen ? Dass es immer nur
geradeaus geht, macht uns fertig.“
„Bestimmt noch fünf bis sechs Kilometer. Gleich
kommt eine Ampel, da müsst ihr nach links.“
„Wir haben uns total verschätzt, dass wir soviel
laufen müssen.“
All diese Monotonie markierte ein Schild, dass ich
mich auf dem Heumarer Mauspfad befand. Ich richtete meinen Blick gezielt auf
den Fahrradweg, doch von einer Mäuseplage war keine Spur. Keine einzige Maus
war zu sehen, dafür aber Risse und Unebenheiten auf dem holprigen Fahrradweg.
Ich bog ab, Richtung Bensberg schossen Kiefern empor
und hoben sich scharf von dem azurblauen Himmel ab. In Bensberg fand die Etappe
durch flaches Gelände ein jähes Ende. Die Straße strebte direkt auf den
Betonstumpf eines alten Bergfriedes zu, der diese nach oben zog. Dann bog die
Straße auf eine innerstädtische Umgehungsstraße ab und schlängelte sich weiter
die Höhen hinauf, wobei sie das Zentrum von Bensberg seitwärts liegen ließ. Ich
bewegte mich fernab von dem kompakten Zentrum von Bensberg, das ich in
schweißtreibender Erinnerung hatte. Dreimal hatte mich das Radrennen „Rund um
Köln“ über die Widerwärtigkeiten des Bensberger Kopfsteinpflasters geführt. Dieses
legendäre Kopfsteinpflaster führte an der Vorderseite des Bensberger Schlosses
vorbei. Nun kletterte ich den Anstieg genau an der Rückseite des Bensberger
Schlosses hoch. Ich wagte kaum daran zu denken, dass das Bensberger Schloss
Zeitzeuge der Düsseldorfer Herrschaft hinter den Stadtgrenzen von Köln war,
denn Herzog Jan Wellem aus Düsseldorf hatte veranlasst, dass dieses Schloss vor
den Toren Kölns gebaut worden war.
Egal, ob Düsseldorf oder Köln, ich genoss die schöne
Landschaft, die sich hinter der Stadtgrenze von Bensberg öffnete. In weitem
Bogen kurvte ich an der Kreisstadt des Rheinisch-Bergischen Kreises – Bergisch Gladbach
– vorbei. Dann kam ein Schild, welches
mein Herz als Rennradfahrer höher schlagen ließ: „Unfallstrecke auf 1,8
Kilometer; Hochstgeschwindigkeit 50 km/h“. Die Strecke hielt, was sie
versprach. In Wellen schwang sich die Straße ins Tal, zackige Kurven schmissen
sich in die Landschaft, Ausblicke und Perspektiven wechselten ständig, die
Straße schmiegte sich zwischen Alleebäumen. Die Straße stieg an, aber nicht mit
einer krassen Wucht, die mir den Atem nahm.
Ich unterdrückte das ehemalige Herrschaftsgebiet von
Düsseldorf, denn auf der B506 landete ich auf einer derjenigen Abschnitte, die
ich auf dem Jedermannrennen „Rund um Köln“ befahren hatte. Das waren soviele positive
Erinnerungen, so viele Zuschauer am Wegesrand und soviel Begeisterung, die mich
nach Köln getragen hatte. Meine Euphorie nahm kein Ende, als ich mich an diese
Volksfeststimmung zurückerinnerte. In Kürten-Bechen fuhr ich an dem Dorfplatz vorbei, wo aus Lautsprechern
Musik ertönt hatte, wo mich die Zuschauer am Straßenrand angefeuert hatten und
mich zu meiner persönlichen Höchstleistung angetrieben hatten. Heute war es
kein Radrennen, sondern das 30-jährige Jubiläum des Karnevalsvereins, der seine
Buden auf dem Dorfplatz aufgebaut hatte und eine ähnliche Feierstimmung erzeugen
würde.
Auf und ab, die Höhen des Bergischen Landes waren
nicht so spektakulär wie diejenigen in der Eifel, aber die Landschaft war nicht
weniger schön. Das Bergische Land war etwas zarter, mit mehr Fachwerk gespickt,
die Einschnitte in das Gelände waren unauffälliger.
Den Altenberger Dom hatte ich als Ziel ausgewählt,
weil er zum einen ein imposantes Bauwerk der Gotik war und zum anderen weil
mein einziger Besuch mehr als zwanzig Jahre zurücklag. Rund um Köln hatte nicht
am Altenberger Dom vorbei geführt. Mit einer Rennradtour lag er in erreichbarer
Nähe nach zu Hause – das waren rund 40 Kilometer. Ein wenig hatte ich geirrt,
denn die Abfahrt über Serpentinen und durch den Wald war durchaus spektakulär.
Traumhaft schob sich der Dom mit seiner Rückseite ins Blickfeld. Ich wunderte
mich, dass der Dom einsam im Tal lag, denn einen Ort „Altenberg“ gab es in dem
Sinne nicht. Immer noch früh Morgens, konnte ich diesen Ort der Stille
genießen. Besucher sammelten sich zu einem Gottesdienst. Ich knipste eine Reihe
von Fotos, die ich in einem separaten Blog zeigen möchte. Dort möchte ich auch
einiges mehr über den Altenberger Dom erzählen.
Odenthal, Bergisch Gladbach-Schildgen, ich kehrte
nach Köln zurück, danach sorgte die flache Strecke für eine bequeme Fahrt. Ich
staunte, denn in Dünnwald stieß ich abermals auf den Mauspfad. Auch hier prüfte
ich die Straße: keine Mäuse, auch keine Ratten, die Fahrbahn war vollkommen
frei von jeder Art von Nagetieren, ich konnte also beruhigt weiterradeln. Als
Handelsstraße im Mittelalter begann der Mauspfad bei Duisburg, er führte an
Köln vorbei bis in den Westerwald hinein. Als Fernhandelsstraße verband er im
Endeffekt das heutige Ruhrgebiet mit Frankfurt. „Maus“ steht für „Maut“, denn
die Fernhandelsstraße wurde befestigt und ausgebaut als Transportweg, wofür die
Städte eine Maut verlangten. War also nichts mit der Mäuseplage !
Über den Mauspfad, Porz-Wahn und Porz-Libur kehrte
ich zurück. Das war eine lockere Tour über 90 Kilometer in viereinhalb Stunden.
Flache Stücke und Berge waren ungefähr gleich. Der Altenberger Dom war ein mehr
als sehenswertes Ziel.
Danke für die ausführliche Beschreibung,
AntwortenLöschenIch bin in Gedanken gefolgt.
Einen schönen Abend wünscht dir
Irmi
Hej Dieter,
AntwortenLöschenmusst Du Deine Strecken eigentlich noch im Vorhinein planen oder kennst Du Dich so gut aus, dass Du einfach losfahren kannst? Staunenswert ist es allemal, dass von Anstrengung selten etwas zu lesen ist, Du im Fahren auch noch die Möglichkeit hast Dir Gedanken über Land und Leute zu machen. Sehr ansprechend finde ich, dass Deine Radfahr-Enthusiasmus und Dein Interesse für Kulturgeschichte so nahtlos aneinander passen, zur Freude Deiner Lser/Innen.
Sommergrüße
Beate
Was für eine Strecke, so lang und dann bei Bensberg den Berg hoch. Puh! Alle Achtung! Weiter hoch sind diese 'Rennstrecken' für Motorräder. Am Wochenende ist dann im Vinzenz-Palotti immer Hochbetrieb auf der Unfallstation. Entlang des Mauspfads geht es natürlich mühelos, immer am Rande der ehemaligen Rheinterrasse entlang. Und nach Altenberg sollte ich auch mal wieder ...
AntwortenLöschenHerzliche Grüße, 'Franka'
Hallo (◠‿◠)
AntwortenLöschenAm Altenberger Dom war ich schon. Mit deinem Text hast du die Tour gut getroffen und mit deiner Kamera auch.
Danke für deinen cmt.: Das Thema wird vermutl in allen Großstädten ähnlich sein. Berlin ist wegen dem Osten und ungeklärten Eigentümern natürl noch mal hervorgehoben, auch als Hauptstadt der Obdachlosen. Aber auch wenn in NRW die Obdachlosigkeit zurückgegangen ist, soweit sie sich zählen lässt, sind die Mieten bei euch schätzungsweise ebf teurer geworden und einige leerstehende Häuser zu finden.
wieczoramatische Grüße, (◔‿◔) (◔‿◔) | Mein Fotoblog
Ein Mauspfad ohne Mäuse, Jugendliche, die auf einem nicht-vorhandenen Gepäcktäger mitfahren wollen (zu dritt?), zackige Kurven, die sich in die Landschaft schmeissen, Unfallstrecken, welche dein Herz höher schlagen lassen und ein idyllisch gelegener, wunderschöner Dom - na du erlebst ja Sachen, wenn du dich auf dein Radl schwingst, lieber Dieter!!! :o))
AntwortenLöschenDanke für diesen Tourbericht und auch für deine Kommentare! Ja, Facebookkontakte haben sicher so ihre Nachteile gegenüber dem, was sich so durch die Bloggerei ergibt - ich experimentiere jetzt einfach mal so damit herum, weil ich mir denke, damit kann ich teilweise auch wieder andere Leute erreichen als nur über den Blog - und ich kann damit in kurzer Form auf Blog-Postings aufmerksam machen... Mal sehen, was ich in ein paar Wochen oder Monaten davon halte :o))
Alles Liebe, Traude
Es ist immer wieder schön, wenn man dich auf deinen Touren begleiten kann, zumindest geistlich gesehen. Du erzählst wundervoll spannend und man fühlt sich mitten im Geschehen.:-)
AntwortenLöschenAuch hat mir sehr gut deine Dialog-Einlage mit den Jugendlichen gefallen. Auf der einsen Seite dein sportlicher Elan und auf der anderen genau das Gegenteil.
Liebe Grüße und habe noch einen schönen restlichen Mittwoch.
Christa
Das war ja wieder einmal eine ganz schön lange Tour die du da mit deinem Rad gemacht hast. Finde ich immer sehr spannend, auch was unterwegs alles so passieren kann, ganz abgesehen von den schönen Plätzen die du siehst. Da freut man sich bestimmt wenn man nach einer langen Geraden wieder mal ein paar Kurven hat^^
AntwortenLöschenDanke dass wir dich wieder begleiten durften und hab noch einen schönen Abend
Liebe Grüsse
Nova
danke wieder für´s Mitnehmen :-)
AntwortenLöschenEs ist toll dass man auch ohne Rennrad dabei sein kann.
lieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Das Bensberger Schloss und auch der Dom sind imposante Bauwerke. Das ist auf den Fotos deutlich zu sehen. In natura kenne ich sie nämlich nicht. Schön, dass wir dich immer auf deinen Touren begleiten können, so sehen wir Gegenden, die wir selbst vielleicht so nie besuchen würden.
AntwortenLöschenIch hoffe, du hast noch genug Touren geplant. Bei dem tollen Wetter, dass ja noch etwas anhalten soll, hast du ja schließlich viele Gelegenheiten dazu :-)
Tolle Beschreibung! Und auf den Dom bin ich schon sehr gespannt, auch das Bensberger Schloss kenne ich noch gar nicht.
AntwortenLöschenRespekt vor Deinen Radelleistungen, ich hab jetzt mal 40 Km gemacht und war ganz stolz auf mich ;-).
Liebe Grüße
Oh,was ein spannender Tag für Dich Dieter.Und was Du immer so endeckst!!!Das finde ich prima!!!Danke für den herrlichen Spaziergang-)))
AntwortenLöschenliebe Grüsse
Christa