Mittwoch, 17. Juli 2013

mit dem Rennrad zum Altenberger Dom


In der Morgenstille radelte ich los. Das Licht strich über Getreidefelder, verwischte die Ähren in ein blasses Gelb und durchdrang den übersichtlichen Streifen eines Zuckerrübenfeldes. Kühlturm und Schornsteine der Evonik-Werke erschienen als Drohgebärde am Horizont. Dampf- und Rauchwolken pinselten ein fahles Weiß gegen den Morgenhimmel, der so regungslos war wie die Windstille.

In Windeseile gelangte ich nach Köln. In Porz-Libur erreichte ich den Streß der Großstadt mit konturlosen Neubaugebiete. Porz-Wahn war in der Morgenstille nahezu autofrei – das war vor der Autobahnauffahrt ein höchst seltenes Erlebnis.

Ruhig, bewaldet, flach, ohne Anstrengungen radelte ich auf der schnurgeraden Straße. Das war ungewöhnlich für Köln, aber mir wurde langweilig. Bis mir drei spazierende jugendliche Gestalten mit Trolleys auf dem Fahrradweg entgegenkamen.

„Kannst Du uns auf dem Gepäckträger mitnehmen ?“ fragten sie.
„Ich habe keinen Gepäckträger, wie Ihr seht.“
„Wie weit ist es zum Flughafen ? Dass es immer nur geradeaus geht, macht uns fertig.“
„Bestimmt noch fünf bis sechs Kilometer. Gleich kommt eine Ampel, da müsst ihr nach links.“
„Wir haben uns total verschätzt, dass wir soviel laufen müssen.“

All diese Monotonie markierte ein Schild, dass ich mich auf dem Heumarer Mauspfad befand. Ich richtete meinen Blick gezielt auf den Fahrradweg, doch von einer Mäuseplage war keine Spur. Keine einzige Maus war zu sehen, dafür aber Risse und Unebenheiten auf dem holprigen Fahrradweg.

Ich bog ab, Richtung Bensberg schossen Kiefern empor und hoben sich scharf von dem azurblauen Himmel ab. In Bensberg fand die Etappe durch flaches Gelände ein jähes Ende. Die Straße strebte direkt auf den Betonstumpf eines alten Bergfriedes zu, der diese nach oben zog. Dann bog die Straße auf eine innerstädtische Umgehungsstraße ab und schlängelte sich weiter die Höhen hinauf, wobei sie das Zentrum von Bensberg seitwärts liegen ließ. Ich bewegte mich fernab von dem kompakten Zentrum von Bensberg, das ich in schweißtreibender Erinnerung hatte. Dreimal hatte mich das Radrennen „Rund um Köln“ über die Widerwärtigkeiten des Bensberger Kopfsteinpflasters geführt. Dieses legendäre Kopfsteinpflaster führte an der Vorderseite des Bensberger Schlosses vorbei. Nun kletterte ich den Anstieg genau an der Rückseite des Bensberger Schlosses hoch. Ich wagte kaum daran zu denken, dass das Bensberger Schloss Zeitzeuge der Düsseldorfer Herrschaft hinter den Stadtgrenzen von Köln war, denn Herzog Jan Wellem aus Düsseldorf hatte veranlasst, dass dieses Schloss vor den Toren Kölns gebaut worden war.

Egal, ob Düsseldorf oder Köln, ich genoss die schöne Landschaft, die sich hinter der Stadtgrenze von Bensberg öffnete. In weitem Bogen kurvte ich an der Kreisstadt des Rheinisch-Bergischen Kreises – Bergisch Gladbach – vorbei. Dann kam  ein Schild, welches mein Herz als Rennradfahrer höher schlagen ließ: „Unfallstrecke auf 1,8 Kilometer; Hochstgeschwindigkeit 50 km/h“. Die Strecke hielt, was sie versprach. In Wellen schwang sich die Straße ins Tal, zackige Kurven schmissen sich in die Landschaft, Ausblicke und Perspektiven wechselten ständig, die Straße schmiegte sich zwischen Alleebäumen. Die Straße stieg an, aber nicht mit einer krassen Wucht, die mir den Atem nahm.



Ich unterdrückte das ehemalige Herrschaftsgebiet von Düsseldorf, denn auf der B506 landete ich auf einer derjenigen Abschnitte, die ich auf dem Jedermannrennen „Rund um Köln“ befahren hatte. Das waren soviele positive Erinnerungen, so viele Zuschauer am Wegesrand und soviel Begeisterung, die mich nach Köln getragen hatte. Meine Euphorie nahm kein Ende, als ich mich an diese Volksfeststimmung zurückerinnerte. In Kürten-Bechen  fuhr ich an dem Dorfplatz vorbei, wo aus Lautsprechern Musik ertönt hatte, wo mich die Zuschauer am Straßenrand angefeuert hatten und mich zu meiner persönlichen Höchstleistung angetrieben hatten. Heute war es kein Radrennen, sondern das 30-jährige Jubiläum des Karnevalsvereins, der seine Buden auf dem Dorfplatz aufgebaut hatte und eine ähnliche Feierstimmung erzeugen würde.

Auf und ab, die Höhen des Bergischen Landes waren nicht so spektakulär wie diejenigen in der Eifel, aber die Landschaft war nicht weniger schön. Das Bergische Land war etwas zarter, mit mehr Fachwerk gespickt, die Einschnitte in das Gelände waren unauffälliger.

Den Altenberger Dom hatte ich als Ziel ausgewählt, weil er zum einen ein imposantes Bauwerk der Gotik war und zum anderen weil mein einziger Besuch mehr als zwanzig Jahre zurücklag. Rund um Köln hatte nicht am Altenberger Dom vorbei geführt. Mit einer Rennradtour lag er in erreichbarer Nähe nach zu Hause – das waren rund 40 Kilometer. Ein wenig hatte ich geirrt, denn die Abfahrt über Serpentinen und durch den Wald war durchaus spektakulär. Traumhaft schob sich der Dom mit seiner Rückseite ins Blickfeld. Ich wunderte mich, dass der Dom einsam im Tal lag, denn einen Ort „Altenberg“ gab es in dem Sinne nicht. Immer noch früh Morgens, konnte ich diesen Ort der Stille genießen. Besucher sammelten sich zu einem Gottesdienst. Ich knipste eine Reihe von Fotos, die ich in einem separaten Blog zeigen möchte. Dort möchte ich auch einiges mehr über den Altenberger Dom erzählen.


Odenthal, Bergisch Gladbach-Schildgen, ich kehrte nach Köln zurück, danach sorgte die flache Strecke für eine bequeme Fahrt. Ich staunte, denn in Dünnwald stieß ich abermals auf den Mauspfad. Auch hier prüfte ich die Straße: keine Mäuse, auch keine Ratten, die Fahrbahn war vollkommen frei von jeder Art von Nagetieren, ich konnte also beruhigt weiterradeln. Als Handelsstraße im Mittelalter begann der Mauspfad bei Duisburg, er führte an Köln vorbei bis in den Westerwald hinein. Als Fernhandelsstraße verband er im Endeffekt das heutige Ruhrgebiet mit Frankfurt. „Maus“ steht für „Maut“, denn die Fernhandelsstraße wurde befestigt und ausgebaut als Transportweg, wofür die Städte eine Maut verlangten. War also nichts mit der Mäuseplage !

Über den Mauspfad, Porz-Wahn und Porz-Libur kehrte ich zurück. Das war eine lockere Tour über 90 Kilometer in viereinhalb Stunden. Flache Stücke und Berge waren ungefähr gleich. Der Altenberger Dom war ein mehr als sehenswertes Ziel.

11 Kommentare:

  1. Danke für die ausführliche Beschreibung,
    Ich bin in Gedanken gefolgt.
    Einen schönen Abend wünscht dir
    Irmi

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  2. Hej Dieter,
    musst Du Deine Strecken eigentlich noch im Vorhinein planen oder kennst Du Dich so gut aus, dass Du einfach losfahren kannst? Staunenswert ist es allemal, dass von Anstrengung selten etwas zu lesen ist, Du im Fahren auch noch die Möglichkeit hast Dir Gedanken über Land und Leute zu machen. Sehr ansprechend finde ich, dass Deine Radfahr-Enthusiasmus und Dein Interesse für Kulturgeschichte so nahtlos aneinander passen, zur Freude Deiner Lser/Innen.

    Sommergrüße
    Beate

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  3. Was für eine Strecke, so lang und dann bei Bensberg den Berg hoch. Puh! Alle Achtung! Weiter hoch sind diese 'Rennstrecken' für Motorräder. Am Wochenende ist dann im Vinzenz-Palotti immer Hochbetrieb auf der Unfallstation. Entlang des Mauspfads geht es natürlich mühelos, immer am Rande der ehemaligen Rheinterrasse entlang. Und nach Altenberg sollte ich auch mal wieder ...
    Herzliche Grüße, 'Franka'

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  4. Hallo (◠‿◠)
    Am Altenberger Dom war ich schon. Mit deinem Text hast du die Tour gut getroffen und mit deiner Kamera auch.
    Danke für deinen cmt.: Das Thema wird vermutl in allen Großstädten ähnlich sein. Berlin ist wegen dem Osten und ungeklärten Eigentümern natürl noch mal hervorgehoben, auch als Hauptstadt der Obdachlosen. Aber auch wenn in NRW die Obdachlosigkeit zurückgegangen ist, soweit sie sich zählen lässt, sind die Mieten bei euch schätzungsweise ebf teurer geworden und einige leerstehende Häuser zu finden.
    wieczoramatische Grüße, (◔‿◔) (◔‿◔) | Mein Fotoblog

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  5. Ein Mauspfad ohne Mäuse, Jugendliche, die auf einem nicht-vorhandenen Gepäcktäger mitfahren wollen (zu dritt?), zackige Kurven, die sich in die Landschaft schmeissen, Unfallstrecken, welche dein Herz höher schlagen lassen und ein idyllisch gelegener, wunderschöner Dom - na du erlebst ja Sachen, wenn du dich auf dein Radl schwingst, lieber Dieter!!! :o))
    Danke für diesen Tourbericht und auch für deine Kommentare! Ja, Facebookkontakte haben sicher so ihre Nachteile gegenüber dem, was sich so durch die Bloggerei ergibt - ich experimentiere jetzt einfach mal so damit herum, weil ich mir denke, damit kann ich teilweise auch wieder andere Leute erreichen als nur über den Blog - und ich kann damit in kurzer Form auf Blog-Postings aufmerksam machen... Mal sehen, was ich in ein paar Wochen oder Monaten davon halte :o))
    Alles Liebe, Traude

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  6. Es ist immer wieder schön, wenn man dich auf deinen Touren begleiten kann, zumindest geistlich gesehen. Du erzählst wundervoll spannend und man fühlt sich mitten im Geschehen.:-)

    Auch hat mir sehr gut deine Dialog-Einlage mit den Jugendlichen gefallen. Auf der einsen Seite dein sportlicher Elan und auf der anderen genau das Gegenteil.

    Liebe Grüße und habe noch einen schönen restlichen Mittwoch.
    Christa

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  7. Das war ja wieder einmal eine ganz schön lange Tour die du da mit deinem Rad gemacht hast. Finde ich immer sehr spannend, auch was unterwegs alles so passieren kann, ganz abgesehen von den schönen Plätzen die du siehst. Da freut man sich bestimmt wenn man nach einer langen Geraden wieder mal ein paar Kurven hat^^

    Danke dass wir dich wieder begleiten durften und hab noch einen schönen Abend

    Liebe Grüsse

    Nova

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  8. danke wieder für´s Mitnehmen :-)
    Es ist toll dass man auch ohne Rennrad dabei sein kann.

    lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

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  9. Das Bensberger Schloss und auch der Dom sind imposante Bauwerke. Das ist auf den Fotos deutlich zu sehen. In natura kenne ich sie nämlich nicht. Schön, dass wir dich immer auf deinen Touren begleiten können, so sehen wir Gegenden, die wir selbst vielleicht so nie besuchen würden.
    Ich hoffe, du hast noch genug Touren geplant. Bei dem tollen Wetter, dass ja noch etwas anhalten soll, hast du ja schließlich viele Gelegenheiten dazu :-)

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  10. Tolle Beschreibung! Und auf den Dom bin ich schon sehr gespannt, auch das Bensberger Schloss kenne ich noch gar nicht.
    Respekt vor Deinen Radelleistungen, ich hab jetzt mal 40 Km gemacht und war ganz stolz auf mich ;-).

    Liebe Grüße

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  11. Oh,was ein spannender Tag für Dich Dieter.Und was Du immer so endeckst!!!Das finde ich prima!!!Danke für den herrlichen Spaziergang-)))
    liebe Grüsse
    Christa

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