Kaiserbau Troisdorf 1999, Quelle Wikipedia |
Ungelenk, abgestumpft, leidenschaftslos war es
sechzehn Jahre lang so etwas wie das Wahrzeichen von Troisdorf. In historischen
Altstädten sind es oft Türme , Zinnen und Stadttore, die zu einem inneren Kern
einer Stadt hinführen. Wenn man sich Troisdorf über die Flughafenautobahn A59
näherte, dann schraubte sich sechzehn Jahre lang ein Denkmal der ganz
besonderen Art in die Höhe. Spröde und beiläufig, fiel der Blick über die
Lärmschutzwand auf den Rohbau eines achtzehnstöckigen Hochhauses. Fertigbauteile,
die sich wie Streichholzschalten aufeinander stapelten, wuchsen zu einem
Denkmal in die Höhe, so prägnant wie ein Turm mit Zinnen vor den Toren von
Troisdorf und einer nicht-mittelalterlichen Stadt.
Die Pläne klangen hoch trabend. Ein
Airport-Luxus-Hotel in nie dagewesenen Dimensionen sollte entstehen, komplett verglast,
Restaurantbetrieb rund um die Uhr, eine Bar mit Tanzfläche, Kosmetik-, Friseur-, Juwelier-,
Drogerie-, Mode-, Tabak- und Zeitungsläden, Tennisplätze, Minigolfanlage,
Joggingpfade, ein Swimmingpool auf dem Dach – mit eintausendzweihundert Betten
hätte das zweitgrößte Hotel in der damaligen Republik gebaut werden sollen.
34.000 Quadratmeter, das sind sechs
Fußballplätze, solch ein Grundstück, direkt an der Autobahn A59 gelegen, kaufte
der Kölner Bauunternehmer Franz Kaiser. Das war 1970. Danach vergingen vier
Jahre, bis die Baugenehmigung erteilt wurde, danach legten sich Planer und
Bauarbeiter mächtig ins Zeug. In dreizehn Monaten stand der Rohbau. Doch dann
war Schluß, als die Stadt Troisdorf an der Reihe war, Leistungen zu erbringen.
Die Zufahrtsstraße sollte ausgebaut werden, das Hotel sollte an das Kanalnetz
angeschlossen werden, ein nahegelegener Baggersee sollte renaturiert werden.
Nachdem sich nichts tat und Zusagen der Stadt Troisdorf nicht eingehalten
wurden, kündigten die Planer und die Baufirma den Vertrag. Nichts ging mehr,
die Parteien stritten sich ohne Ende, so dass sich die Gerichte mit dem Fall
befassten. Seitdem klammerte sich die Ruine des achtzehnstöckigen Hochhauses
zwischen Getreidefeldern und wurde, benannt nach ihrem Bauunternehmer, als
„Kaiserbau“ im gesamten Rheinland bekannt.
Erst 1992, als der Bundesgerichtshof die
Streitigkeiten für beendet erklärte, konnte die Fläche wieder genutzt werden. Dort
sollte ein Gewerbegebiet entstehen. Da die Bausubstanz der Hochhausruine
verwittert war, sollte diese gesprengt werden.
Bis zum Jahr 2001 sollte es dauern, bis
die Sprengung durchgeführt wurde. Die Schaulustigen, zu denen ich mich
gesellte, drängelten sich bis zum rot-weißen Absperrband. Die äußeren Bedingungen
waren optimal, denn in den Vormittagsstunden eines sonnigen Maitages regte sich
kaum Wind. Die Anspannung auf diesen einzigen Moment, auf den sich alles
konzentrierte, war enorm. Die Sprengung umfasste nicht einmal eine Minute, und wie
auf einem Uhrwerk setzte Zündstufe auf Zündstufe mechanisch aufeinander auf.
Spontaner Beifall wurde geklatscht, nachdem Berge von Beton punktgenau in sich
zusammen gesackt waren. Wie ein feuerspeiender Drachen, wälzte sich im Anschluss eine
Staubwolke vorwärts und hüllte all diejenigen ein, die der Absperrung zu nahe
gekommen waren.
Die Chancen stehen gut, dass sich die
Ereignisse vom Mai 2001 aus Troisdorf in Bonn wiederholen werden, wenngleich
der Fall anders gelagert ist. Dort ist die Adresse des Bonn-Centers „Am
Bundeskanzlerplatz“ nobel. Der Ort ist geschichtsträchtig. Nach seiner Eröffnung am 25. November 1969 beherbergte
das Bonn-Center ein Hotel mit 300 Betten, in dem diverse Staatsgäste
übernachteten. Vier Botschaften waren während der Bonner Hauptstadtzeit
untergebracht, Fernsehstudios, internationale Nachrichtenagenturen. Ab Mitte der 1980er bis Ende der 1990er Jahre hatte sich
dort das Informationsbüro des Europäischen Parlaments eingenistet. Der
Niedergang kam nicht mit dem Umzug der Bundesregierung nach Berlin, sondern mit
dem Auszug der Deutschen Post. Dies geschah 2011, und seitdem stehen drei
Viertel des Gebäudes leer.
Was tun ? Der Leerstand klingt etwas
merkwürdig, da Büroraum ansonsten hängeringend gesucht wird. Anders wie bei
Wohnraum, ist die Bereitstellung von Büroraum ein seltsames Gemisch aus einer
Bausubstanz, die wie aus dem Nichts schnellst möglichst aus dem Boden gestampft
werden soll, aus Nutzern, die ihre Vorstellungen, wie der Büroraum auszusehen
hat, präzise und genau formulieren, aus
Architekten, die sich profilieren wollen und nach höheren Segnungen von Architekturpreisen
streben, und der unabhängigen Position der Verantwortlichen der Stadt, die sich
aber nur herum gezerrt fühlen von den übrigen Beteiligten.
Bonn-Center |
Je höher die Bürotürme wachsen, um so
mehr erschreckt, wie kurzlebig die Bausubstanz ist. All die Bauten aus den
1970er Jahren kommen nun in die Zeit, dass saniert werden muss. „Das Objekt
befindet sich in keinem nachhaltigen Zustand – von diversen Brandschutzaspekten
bis zu baulichen Mängeln“, so urteilten Gutachter über das Bonn-Center. Die
Bausubstanz ist anscheinend so schlecht, dass es sich nicht lohnt, über all die
sechzehn Stockwerke hinweg zu entkernen und von Grund auf zu sanieren.
Weg zu sprengen und neu zu bauen, das
sieht gar nicht einmal abwegig aus. In der vorletzten Woche wuchsen Ideen, ein
neues Hochhaus zu bauen mit einer Bürofläche von 60.000 Quadratmetern, die fast
doppelt so hoch wie das Bonn-Center ist. Das könnte sich rechnen. Die Lebenszyklen
verkürzen sich enorm bei Büroflächen. Dass langlebig und ökologisch gebaut
wird, daran denkt offensichtlich niemand. Auch anderenorts wird weggesprengt.
2004 wurde das Sparkassengebäude in Hagen, gerade einmal 29 Jahre alt und 98
Meter hoch, weggesprengt. Den Uni-Turm in Frankfurt, 116 Meter hoch, 42 Jahre
alt, ereilte 2004 dasselbe Schicksal. Das Iduna-Hochhaus in Hamburg am
Millerntor, Asbest-verseucht, 1995 weggesprengt, schaffte es auf 30 Jahre.
Weggesprengt wurde auch das Agfa-Hochhaus in München 2008, es wurde immerhin 49
Jahre alt, was schon etwas traurig stimmt, wenn dies das Maß aller Dinge sein
soll, was die Nutzungsdauer von Büroimmobilien betrifft.
Troisdorf läßt grüßen. Noch wird über
das Bonn-Center diskutiert, wobei die Konzepte von Abriss und Hochhausneubau gerade
drei Wochen alt sind. Die Sprengung wird aber nicht mit Troisdorf vergleichbar
sein. Troisdorf lag im freien Feld, während Wohngebiete und die Bahnlinie nach
Koblenz am Bonn-Center viel näher dran liegen. Es kursierte ein Abrisstermin im
Juni 2016. In Troisdorf habe ich die Präzision bewundert, wie zielgenau die
Gebäudeteile zusammen stürzten. Wenn es so kommt, wird in Bonn das Können der
verantwortlichen Sprengmeister extrem gefordert sein. Dieses Event wird im Bonner Raum sicherlich Kreise ziehen.
Und es bleiben Fragen offen, die die
Gemüter der Stadt erregen: Was wird aus dem Pantheon, dem Kabarett, das im
Keller gastiert ? Was wird aus dem Mercedes-Stern, der, sich unablässig
drehend, ein Zeichen weit über den Bundeskanzlerplatz hinaus setzt ? Lösungen
werden sich bestimmt finden ….
Es ist eigentlich schon traurig genug das die Bausubstanz überhaupt erst so schlecht werden muss und dann abgerissen werden muss. Denke mal wenn es überhaupt schon im Gespräch ist, dann wirste dich wieder den Zuschauern anschliessen können. Da haben Sprengmeister wieder alle Hände voll zu tun.^^
AntwortenLöschenWünsche dir und deinen Lieben ein schönes Osterfest und sende viele Grüsse
N☼va
An den Kaiserbau kann ich mich noch gut erinnern. Bin früher öfter am Rotter See gewesen, da Freunde dort wohnten. Imposant und irgendwie gruselig sah das aus.
AntwortenLöschenOstergruß vonner Grete
Viele, viele Erinnerungen lässt dein Beitrag anklingen, lieber Dieter...
AntwortenLöschenDem Bonn-Center war ich von Anfang an verbunden, ging dort "shoppen", bowlen, verabredete mic h mit Freunden aus dem Bonner Süden. Als das Pantheon einzog, war ich allerdings schon weiter nach K. gezogen wegen eines Arbeitsplatzes in einem weiteren Bau der Siebziger, der schon von Anfang an wegen seiner Bausünden in Verruf geriet, für gesundheitliche Beeinträchtigungen verantwortlich ( Formaldehyd ) und viel Mobilität wegen Sanierungen ohne Ende ( Asbest ) verantwortlich war. Kein besonders rühmliches Blatt in der Architekturgeschichte, diese großmannssüchtigen Klötze der Endsechziger & Siebziger Jahre! Und der Kaiserbau war lange ein Mahnmal. Ich erinneren mich noch an eine Verhüllung mit lauter Köpfen Prominenter, von wem das war ( H.A.Schult?), weiß ich nicht mehr.
Dir Schöne Feiertage mit der Familie!
Astrid
Schöner Film von der Sprengung und das dann Staub entsteht ist bekannt und ob man zu nahe war ist dann zu sehen.
AntwortenLöschenWünsch ein entspanntes Osterfest.
Gruß
Noke