Samstag, 4. April 2015

Hochhaussprengung

Kaiserbau Troisdorf 1999, Quelle Wikipedia
Ungelenk, abgestumpft, leidenschaftslos war es sechzehn Jahre lang so etwas wie das Wahrzeichen von Troisdorf. In historischen Altstädten sind es oft Türme , Zinnen und Stadttore, die zu einem inneren Kern einer Stadt hinführen. Wenn man sich Troisdorf über die Flughafenautobahn A59 näherte, dann schraubte sich sechzehn Jahre lang ein Denkmal der ganz besonderen Art in die Höhe. Spröde und beiläufig, fiel der Blick über die Lärmschutzwand auf den Rohbau eines achtzehnstöckigen Hochhauses. Fertigbauteile, die sich wie Streichholzschalten aufeinander stapelten, wuchsen zu einem Denkmal in die Höhe, so prägnant wie ein Turm mit Zinnen vor den Toren von Troisdorf und einer nicht-mittelalterlichen Stadt.

Die Pläne klangen hoch trabend. Ein Airport-Luxus-Hotel in nie dagewesenen Dimensionen sollte entstehen, komplett verglast,  Restaurantbetrieb rund um die Uhr, eine Bar mit Tanzfläche, Kosmetik-, Friseur-, Juwelier-, Drogerie-, Mode-, Tabak- und Zeitungsläden, Tennisplätze, Minigolfanlage, Joggingpfade, ein Swimmingpool auf dem Dach – mit eintausendzweihundert Betten hätte das zweitgrößte Hotel in der damaligen Republik gebaut werden sollen.

34.000 Quadratmeter, das sind sechs Fußballplätze, solch ein Grundstück, direkt an der Autobahn A59 gelegen, kaufte der Kölner Bauunternehmer Franz Kaiser. Das war 1970. Danach vergingen vier Jahre, bis die Baugenehmigung erteilt wurde, danach legten sich Planer und Bauarbeiter mächtig ins Zeug. In dreizehn Monaten stand der Rohbau. Doch dann war Schluß, als die Stadt Troisdorf an der Reihe war, Leistungen zu erbringen. Die Zufahrtsstraße sollte ausgebaut werden, das Hotel sollte an das Kanalnetz angeschlossen werden, ein nahegelegener Baggersee sollte renaturiert werden. Nachdem sich nichts tat und Zusagen der Stadt Troisdorf nicht eingehalten wurden, kündigten die Planer und die Baufirma den Vertrag. Nichts ging mehr, die Parteien stritten sich ohne Ende, so dass sich die Gerichte mit dem Fall befassten. Seitdem klammerte sich die Ruine des achtzehnstöckigen Hochhauses zwischen Getreidefeldern und wurde, benannt nach ihrem Bauunternehmer, als „Kaiserbau“ im gesamten Rheinland bekannt.

Erst 1992, als der Bundesgerichtshof die Streitigkeiten für beendet erklärte, konnte die Fläche wieder genutzt werden. Dort sollte ein Gewerbegebiet entstehen. Da die Bausubstanz der Hochhausruine verwittert war, sollte diese gesprengt werden.

Bis zum Jahr 2001 sollte es dauern, bis die Sprengung durchgeführt wurde. Die Schaulustigen, zu denen ich mich gesellte, drängelten sich bis zum rot-weißen Absperrband. Die äußeren Bedingungen waren optimal, denn in den Vormittagsstunden eines sonnigen Maitages regte sich kaum Wind. Die Anspannung auf diesen einzigen Moment, auf den sich alles konzentrierte, war enorm. Die Sprengung umfasste nicht einmal eine Minute, und wie auf einem Uhrwerk setzte Zündstufe auf Zündstufe mechanisch aufeinander auf. Spontaner Beifall wurde geklatscht, nachdem Berge von Beton punktgenau in sich zusammen gesackt waren. Wie ein feuerspeiender Drachen, wälzte sich im Anschluss eine Staubwolke vorwärts und hüllte all diejenigen ein, die der Absperrung zu nahe gekommen waren.


Die Chancen stehen gut, dass sich die Ereignisse vom Mai 2001 aus Troisdorf in Bonn wiederholen werden, wenngleich der Fall anders gelagert ist. Dort ist die Adresse des Bonn-Centers „Am Bundeskanzlerplatz“ nobel. Der Ort ist geschichtsträchtig. Nach seiner Eröffnung am 25. November 1969 beherbergte das Bonn-Center ein Hotel mit 300 Betten, in dem diverse Staatsgäste übernachteten. Vier Botschaften waren während der Bonner Hauptstadtzeit untergebracht, Fernsehstudios, internationale Nachrichtenagenturen. Ab Mitte der 1980er bis Ende der 1990er Jahre hatte sich dort das Informationsbüro des Europäischen Parlaments eingenistet. Der Niedergang kam nicht mit dem Umzug der Bundesregierung nach Berlin, sondern mit dem Auszug der Deutschen Post. Dies geschah 2011, und seitdem stehen drei Viertel des Gebäudes leer.

Was tun ? Der Leerstand klingt etwas merkwürdig, da Büroraum ansonsten hängeringend gesucht wird. Anders wie bei Wohnraum, ist die Bereitstellung von Büroraum ein seltsames Gemisch aus einer Bausubstanz, die wie aus dem Nichts schnellst möglichst aus dem Boden gestampft werden soll, aus Nutzern, die ihre Vorstellungen, wie der Büroraum auszusehen hat, präzise und genau formulieren, aus  Architekten, die sich profilieren wollen und nach höheren Segnungen von Architekturpreisen streben, und der unabhängigen Position der Verantwortlichen der Stadt, die sich aber nur herum gezerrt fühlen von den übrigen Beteiligten.

Bonn-Center
Je höher die Bürotürme wachsen, um so mehr erschreckt, wie kurzlebig die Bausubstanz ist. All die Bauten aus den 1970er Jahren kommen nun in die Zeit, dass saniert werden muss. „Das Objekt befindet sich in keinem nachhaltigen Zustand – von diversen Brandschutzaspekten bis zu baulichen Mängeln“, so urteilten Gutachter über das Bonn-Center. Die Bausubstanz ist anscheinend so schlecht, dass es sich nicht lohnt, über all die sechzehn Stockwerke hinweg zu entkernen und von Grund auf zu sanieren.

Weg zu sprengen und neu zu bauen, das sieht gar nicht einmal abwegig aus. In der vorletzten Woche wuchsen Ideen, ein neues Hochhaus zu bauen mit einer Bürofläche von 60.000 Quadratmetern, die fast doppelt so hoch wie das Bonn-Center ist. Das könnte sich rechnen. Die Lebenszyklen verkürzen sich enorm bei Büroflächen. Dass langlebig und ökologisch gebaut wird, daran denkt offensichtlich niemand. Auch anderenorts wird weggesprengt. 2004 wurde das Sparkassengebäude in Hagen, gerade einmal 29 Jahre alt und 98 Meter hoch, weggesprengt. Den Uni-Turm in Frankfurt, 116 Meter hoch, 42 Jahre alt, ereilte 2004 dasselbe Schicksal. Das Iduna-Hochhaus in Hamburg am Millerntor, Asbest-verseucht, 1995 weggesprengt, schaffte es auf 30 Jahre. Weggesprengt wurde auch das Agfa-Hochhaus in München 2008, es wurde immerhin 49 Jahre alt, was schon etwas traurig stimmt, wenn dies das Maß aller Dinge sein soll, was die Nutzungsdauer von Büroimmobilien betrifft.

Troisdorf läßt grüßen. Noch wird über das Bonn-Center diskutiert, wobei die Konzepte von Abriss und Hochhausneubau gerade drei Wochen alt sind. Die Sprengung wird aber nicht mit Troisdorf vergleichbar sein. Troisdorf lag im freien Feld, während Wohngebiete und die Bahnlinie nach Koblenz am Bonn-Center viel näher dran liegen. Es kursierte ein Abrisstermin im Juni 2016. In Troisdorf habe ich die Präzision bewundert, wie zielgenau die Gebäudeteile zusammen stürzten. Wenn es so kommt, wird in Bonn das Können der verantwortlichen Sprengmeister extrem gefordert sein. Dieses Event wird im Bonner Raum sicherlich Kreise ziehen.

Und es bleiben Fragen offen, die die Gemüter der Stadt erregen: Was wird aus dem Pantheon, dem Kabarett, das im Keller gastiert ? Was wird aus dem Mercedes-Stern, der, sich unablässig drehend, ein Zeichen weit über den Bundeskanzlerplatz hinaus setzt ? Lösungen werden sich bestimmt finden ….

4 Kommentare:

  1. Es ist eigentlich schon traurig genug das die Bausubstanz überhaupt erst so schlecht werden muss und dann abgerissen werden muss. Denke mal wenn es überhaupt schon im Gespräch ist, dann wirste dich wieder den Zuschauern anschliessen können. Da haben Sprengmeister wieder alle Hände voll zu tun.^^

    Wünsche dir und deinen Lieben ein schönes Osterfest und sende viele Grüsse

    N☼va

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  2. An den Kaiserbau kann ich mich noch gut erinnern. Bin früher öfter am Rotter See gewesen, da Freunde dort wohnten. Imposant und irgendwie gruselig sah das aus.
    Ostergruß vonner Grete

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  3. Viele, viele Erinnerungen lässt dein Beitrag anklingen, lieber Dieter...
    Dem Bonn-Center war ich von Anfang an verbunden, ging dort "shoppen", bowlen, verabredete mic h mit Freunden aus dem Bonner Süden. Als das Pantheon einzog, war ich allerdings schon weiter nach K. gezogen wegen eines Arbeitsplatzes in einem weiteren Bau der Siebziger, der schon von Anfang an wegen seiner Bausünden in Verruf geriet, für gesundheitliche Beeinträchtigungen verantwortlich ( Formaldehyd ) und viel Mobilität wegen Sanierungen ohne Ende ( Asbest ) verantwortlich war. Kein besonders rühmliches Blatt in der Architekturgeschichte, diese großmannssüchtigen Klötze der Endsechziger & Siebziger Jahre! Und der Kaiserbau war lange ein Mahnmal. Ich erinneren mich noch an eine Verhüllung mit lauter Köpfen Prominenter, von wem das war ( H.A.Schult?), weiß ich nicht mehr.
    Dir Schöne Feiertage mit der Familie!
    Astrid

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  4. Schöner Film von der Sprengung und das dann Staub entsteht ist bekannt und ob man zu nahe war ist dann zu sehen.
    Wünsch ein entspanntes Osterfest.

    Gruß
    Noke

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