Baustellenschild K29n |
Der Ortseingang von Eschmar dämpft die
Geschwindigkeit, in einer satten Kurve links vorbei am Bauernhof „Himmel und
Erde“, dann 30er-Zone. Der Fahrradweg, aufgemalt als gestrichelte Linie auf der
Fahrbahn, dann blockieren Linksabbieger zum Krankenhaus die Weiterfahrt. Aral-Tankstelle, dann abbiegende Vorfahrt,
einmal links, einmal rechts, die Ampel an der Apotheke an der Ecke ist der
nächst potenzielle Wartepunkt. Dann der Kreisverkehr an der RSVG, der einen in
ein regelrechtes Schleudertrauma versetzen kann, der Friedhof an der Ecke, die
nächste Ampel, Feuerwache, Hilton-Hotel, ab der Autobahnauffahrt auf die A59
geht es nun etwas flüssiger nach Troisdorf, ohne störende Ampeln, auf dem gut
ausgebauten Innenstadtzubringer.
Wer über die Stadtteile Eschmar und Sieglar nach
Troisdorf hinein gelangen möchte, der muss Geduld mitbringen. Auto reiht sich an
Auto, Stoßstange an Stoßstange, die einzige Durchgangsstraße leidet an
Dauerverstopfung. Seit rund 40 Jahren begehrt eine Bürgerinitative auf gegen
Verkehrslärm, Autoabgase und Dauerstau. Seit rund 40 Jahren gibt es ein Konzept
zum Bau einer Umgehungsstraße und seit rund 40 Jahren beweist die gute deutsche
Bürokratie, dass kaum jemand all das Planungschaos überblickt. Seitdem sind die
Wortführer der Bürgerinitiative alt geworden, man fühlt sich verschaukelt,
belogen, betrogen in Troisdorf-Eschmar und Sieglar. Es muss um 1975 gewesen
sein, als die Planungen einer Umgehungsstraße aufgenommen wurden. Bei
Umgehungsstraßen, genauso bei Bahnlinien, Flughäfen, Kraftwerken oder Binnenhäfen
ist ein sogenanntes Planfeststellungsverfahren durchzuführen, in dem die
Belange der betroffenen Bürger unter die juristische Lupe genommen werden.
Anfang der 1980er Jahre wurde ein solches
Planfeststellungsverfahren beschlossen, es wurde aber 1988 wieder aufgehoben,
da die Trasse zu dicht an Wohngebieten vorbei führte. Also durfte erneut
geplant werden. In einem zweiten Planungsfeststellungsverfahren wurde die
Trasse von den Wohngebieten weiter weg geschoben. Dabei gingen die
Planungsschritte ungefähr im Zehnjahresrhythmus weiter. Für die Prüfung von
sieben Varianten des Straßenverkaufs brauchten die Planungsverantwortlichen
sieben Jahre. Das eigentliche Planfeststellungsverfahren, in dem das
öffentliche Interesse der Umgehungsstraße festgestellt wurde, in dem
Grundstückeigentümer angehört wurden, in dem eine Umweltverträglichkeitsprüfung
durchgeführt wurde, und in dem schlussendlich Felder von Bauern enteignet
werden konnten, beanspruchte weitere dreizehn Jahre, so dass 2008 das zweite
Planfeststellungsverfahren beendet war.
Landkarte: K29n (blau) und EL332 (grün) |
Es ist nur ein kleiner Schritt, aber nun hat sich nach
40 Planungsjahren sichtlich etwas bewegt. Eher zufällig, spulte ich auf meiner
Rennradtour die letzten Kilometer durch Wohngebiete in Troisdorf-Sieglar herunter.
Eine Baustelle zwang mich dazu, rechts abzubiegen, erste Blütenteppiche aus
Krokussen, Narzissen und Hyzinthen sammelten sich in den Vorgärten,
Einfamilienhäuser mit Grün und umliegenden Gärten atmeten Freiheit. Schüchtern
schob sich das eine oder andere Auto durch die menschenleere Straße. Dann
wieder links, ruckelte ich über den Bürgersteig, der gerade Strich des
Fahrradwegs endete im Nichts der nächsten Baustelle. Vor Troisdorf-Kriegsdorf
hatte das Straßenband einer Umgehungsstraße konkrete Gestalt angenommen.
Ich stieß auf einen halbfertigen Kreisverkehr, der
noch in den Stadtteil Kriegsdorf hineinführte, aber bald einen Bogen um diesen
Stadtteil schlagen sollte. Ich las auf dem Baustellenschild „Neubau der Umgehungsstraße
K29n, Bauzeit 110 Werktage“. Es ging also doch, dachte ich vor mir her. Der
Asphalt schimmerte in der Frühlingssonne, rot-weiße Warnbaken sperrten die
gelbe Straßenmarkierung ab. Arbeiter verirrten sich zwischen einem Dixi-Klo und
grünen Baustellencontainern. Wie die Beine von Insekten, staksten die Masten
der Straßenbeleuchtung, noch ohne Licht, in die Höhe. Obschon nun ganz
offensichtlich ist, dass gebaut wird, haben sich dennoch die Gemüter erregt.
Die Planungsverantwortlichen haben die Baumaßnahme nämlich in zwei Abschnitte aufgeteilt: die Umgehungsstraße von Kriegsdorf, das ist die K29n im ersten Bauabschnitt,
und der Umgehungsstraße EL332 von Troisdorf-Eschmar und Sieglar im zweiten Bauabschnitt.
Die Umgehungsstraßen machen nur Sinn, wenn sie beide gebaut werden, denn sonst
verstopft all der Autoverkehr wie gehabt die Troisdorfer Stadtteile Sieglar und
Eschmar.
Wenn die Bewohner Glück haben, könnte sich auch in
Richtung Sieglar und Eschmar etwas tun. Denn dort, wo der Fahrradweg durch die
Felder gesperrt ist, schieben sich nun Baukräne und Erdhaufen ins Blickfeld.
Wird dort die Umgehungsstraße weiter gebaut ? So richtig weiß es niemand. Zu
oft ist die Landesregierung mit einer Ja-Aber-Strategie ins Feld gezogen.
Einerseits befürwortet sie den Bau, andererseits hält sie sich mit nebulösen
Floskeln bedeckt.
Baukräne über den Feldern: wird dort weiter an der EL332 gebaut ? |
Nach dem Planfeststellungsbeschluss von 2008 ist die
Lage zum absurden Theater geworden. Obschon verfassungsrechtliche Fragen in
dreizehn Jahren Planfeststellungsverfahren eigentlich hätten entschieden werden
müssen, wurde fleißig weiter geklagt. Erst vor dem Kölner Verwaltungsgericht,
dann vor dem Landesverfassungsgericht in Münster. Und wie so oft bei
öffentlichen Vorhaben, haperte es am Geld.
Dieses ökonomische Verteilungsproblem knapper
Finanzen ist für die Verkehrsplaner das Kernproblem, wobei dies nicht immer
nachvollziehbar ist, wenn man etwa darauf schaut, wieviel Mineralölsteuer der
Staat beim Tanken einkassiert. Dabei muss nicht nur das Straßennetz, sondern auch das Schienennetz, das Wasserstraßennetz oder auch das Radwegnetz geplant werden.
Marode Rheinbrücken, der Ausbau der S-Bahn-Linie 13 nach Bonn-Oberkassel, die
Lärmbelästigung durch den Güterverkehr auf der Rheinschiene: zu viele Themen
mit einer hohen Dringlichkeitsstufe schießen quer, so dass die Verteilung des
Verkehrsetats einem Jonglieren auf einem Drahtseil mit unendlich vielen Keulen
gleicht.
Speziell, was Umgehungsstraßen betrifft, war die
Entscheidung der rot-grünen Landesregierung in NRW fatal, Gelder von
Neubaumaßnahmen zur Sanierung des vorhandenen Straßennetzes umzuschichten. Dies
macht hochgradig Sinn, denn niemand will an anderer Stelle über Rumpelpisten von
Schlaglöchern fahren.
Spätestens seit dieser Entscheidung, das war 2010,
wurde die Brechstange ausgepackt. Manche Bürger protestierten vor dem
Troisdorfer Rathaus, andere Bürger klagten vor dem Verwaltungsgericht auf
Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses aus
dem Jahr 2008. Alle, die etwas zu sagen hatten, schrieben sich die Hände wund.
Die Bürgerinitiative an den Regionalrat der Bezirksregierung, der SPD-Bürgermeister
an die Verkehrskommission der Kölner Regierungspräsidenten, die CDU des
Stadtrats Troisdorf an den Fraktionsvorsitzenden der CDU in der Landesregierung
NRW, der Bürgermeister an Hannelore Kraft, die Bürgerinitiative an den
Verkehrsminister des Landes NRW, die Grünen richteten einen
Dringlichkeitsappell an das Land NRW. Es wurde auch persönlich miteinander
gesprochen: der Troisdorfer Bürgermeister schaffte es, beim parlamentarischen
Staatssekretär im Verkehrsministerium des Landes NRW vorzusprechen. Derweil
dürfte sich dieser Papierberg bei Hannelore Kraft & Co in Düsseldorf
turmhoch stapeln. Ob dieser Papierberg jemals gelesen wird, erscheint fraglich,
da den Verantwortlichen wegen des ökonomischen Verteilungsproblems ohnehin die
Hände gebunden sind.
neue Verkehrstrasse der K29n |
Immerhin haben all diese Schreiben insofern geholfen,
dass 2,6 Millionen Euro für die Umgehungsstraße K29n bereitgestellt wurden.
Anscheinend sind 1,5 Millionen Euro für die Fortführung der EL332 eingeplant,
die dann nach mehr als 40 Planungsjahren die Sieglarer und Eschmarer Bürger von Verkehrslärm, Abgasen und
Dauerstau befreien könnten. Weitergehende Fragen lässt die Landesregierung in NRW
aber offen: einerseits ist die EL332 in den Landesstraßenausbauplan mit der
Dringlichkeitsstufe 1 eingeplant, andererseits werden die dazugehörigen
Straßenbauvorhaben je nach Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln in den Folgejahren
abgearbeitet. Überspitzt formuliert, stellt sich die Frage, in wieviel
Jahrzehnten denn die Umgehungsstraße EL332 kommen wird. Die Planungszyklen
nähern sich dem Bau von Kathedralen, mit einem Straßenbauwerk als Endergebnis,
dessen Form und Gestalt niemals an eine Kathedrale heran reichen kann.
Jedesmal, wenn ich ungefähr im Schritttempo durch
Troisdorf-Eschmar und Sieglar tuckere, im Stop-and-go-Rhythmus vorwärts komme
und schön darauf achte, dass ich in der 30er-Zone die Geschwindigkeit nicht
überschreite, denke ich an die heimischen Verkehrskonzepte, die nur Stückwerk
sind und in dessen Nirwana alle den Überblick verloren haben.
Wenn ich an ein bestimmtes Vorhaben denke, zwanzig
Kilometer weiter südlich am Rande des Siebengebirges gelegen, dann steigt in
mir die Wut hoch. Dort liegt der Fall genau umgekehrt wie bei der EL332 in
Troisdorf: den Ennertaufstieg, der quer durch das Siebengebirge führt, wollen
ein paar Autofahrer, während die Umweltschützer Sturm laufen gegen die
Verlängerung der Autobahn A562. Im Bundesverkehrswegeplan scheint es kein
ökonomisches Verteilungsproblem zu geben. Gelder sind eingestellt. Im
Ennertaufstieg sammelt sich all die Schizophrenie unserer Verkehrsplanung.
So manche Umgehungsstraße ist schon wichtig und auch sinnvoll. Schön wenn es dann positv klappt und als Erfolg verbucht werden kann, aber schlimm wenn die Natur drunter leiden muss und vor allem es sich danach als Misserfolg zeigt (kenne so ein Beispiel→alte Linden (Lindenallee) mussten erst gefällt werden wegen Straßenverbreiterung→Jahre später gabs eine Umgehungsstraße→Straßenverbreitung wurde hässlich mit Insel wieder zweispurig gestaltet :-((( (aber die Linden sind Geschichte).
AntwortenLöschenLiebe Grüsse
N☼va
ja - manche Umgehungsstraßen sind wirklich sinnvoll. Das habe ich früher nicht so gesehen ... heute überzeugt mich die Tatsache, dass sowohl Ort als auch Landschaft von der Umgehungsstraße einen Gewinn erzielen können.
AntwortenLöschenDein Text war wieder toll geschrieben Dieter
Herzliche Grüße von Heidi-Trollspecht