Donnerstag, 30. August 2012

Urlaub am Bodensee - Teil 5

Abschied


Es war eine verkehrte Welt. Mit meinen Arbeitskollegen hatte ich den Urlaubsplan nur so abstimmen können, dass ich eine Woche am Bodensee bleiben konnte, während die restliche Familie 14 Tage bleiben durfte. Doch die großen Kinder rebellierten. Der Bodensee war ihnen nicht exotisch genug, eher ein Urlaubsziel, wenn wir Eltern in Rente sind. Die Attraktionen, die wir bereits in früheren Urlauben besucht hatten, waren ihnen langweilig. Die Situation war absurd. Die großen Kinder waren gezwungen auszuharren. Und ich wäre gerne geblieben und musste abreisen.

Wieder auf nach Konstanz. 12.38 Uhr fuhr mein Zug ab. Ab Immenstaad nahmen wir das erste Schiff, denn der Wetterbericht hatte eine Gewitterfront angekündigt. Man hatte uns erzählt, wenn der See aufgewühlt und stürmisch ist, dass dann der Schiffsverkehr eingestellt wird. Der See war aber ruhig und zahm. Die Sonne versteckte sich hinter einem kompakten Wolkenschleier. Pünktlich lief das Schiff in den Konstanzer Hafen ein. Ungefähr anderthalb Stunden konnten wir noch durch Konstanz bummeln, bis mein Zug kam.

Wir hatten keinen Plan. Einmal quer durch die Altstadt und zurück. Bahnhofstraße, Rosgartenstraße, Wessenbergstraße. Ich musste auf die Uhr schauen, um gegen halb eins am Bahnhof zu sein. Mit den zahlreichen bemalten Hausfassaden erinnerte mich die Konstanzer Altstadt an Lindau. Sie war hübsch, doch nicht ganz so spektakulär. Homogen, in sich geschlossen, verband sie einen Einkaufsbummel mit einer harmonischen historischen Umgebung. Im zweiten Weltkrieg war nichts nennenswertes zerstört worden.

Schuhläden und Bekleidungsketten, Unterhaltungselektronik und Buchläden. Wir stöberten hier und da. T-Shirts in frischen Farben, Bücher über Kunst am Bodensee, die neueste Edition von Star Wars Battle Field, Sandalen für unser kleines Mädchen. Dass wir die Läden ohne Einkäufe verließen, fanden wir nicht weiter schlimm.

Ich studierte einige Fassadenmalereien. Es mussten Szenen aus der Stadtgeschichte sein. Ein Zug mit einem Fahnenträger schritt voran. An der Spitze des Zuges knieten zwei Männer vor einem Herrscher nieder und schauten ehrfürchtig in sein Gesicht. Was geschah in diesem entscheidenden Augenblick ?

Zeit, diese Frage zu beantworten hatte ich keine mehr. Am Restaurant zum Elefanten nahte mein Abschied. Das war Wehmut. Und so verrückt, denn andere wollten nach Hause, und ich wäre liebend gerne geblieben. Keine lange Abschiedsszene, ein paar Mal all meine Lieben knuddeln. Dann strebte ich zum Konstanzer Bahnhof.

Es war ein Abschied auf Raten. Pünktlich um 12.38 Uhr fuhr der Regional-Express nach Karlsruhe los. Ich stieg in die obere Etage des Doppelstockwagens und genoss die Aussicht. Der Zug passierte die Brücke. Von dort aus gönnte man mir für einen kurzen Augenblick einen Blick auf den Hafen und auf den Bodensee. Dahinter erst Wohngebiete, dann Industriegebiete. Das war öde, platt, identitätslos, sinnstiftend alleine in der Produktion, wie sonst wo in Industriegebieten. Mitten in dieser industriellen Einöde hielt der Zug in Konstanz-Petershausen. Dann drehte der Zug zum See zurück. Er fuhr so nahe am Seeufer, dass sich die Insel Reichenau glasklar aus dem See herausschälte. Ich war hingerissen. Die romanische Basilika stach genauso deutlich heraus. Der Vierungsturm markierte genau das Herz der Insel.

Allensbach, der nächste Halt. Einige freistehende Einfamilienhäuser versperrten den Blick auf den See. Nie im Leben hätte ich vermutet, dass Allensbach am Bodensee liegt. Allensbach kannte ich nur von Meinungsumfragen, jede Menge Statistik, Zahlenkolonnen ohne Ende, Marktforschung, Einkaufsverhalten, Wahlprognosen.

Weiterfahrt. Der Blick zum gegenüberliegenden Ufer verengte sich. Schilfgewächse verdichteten sich am Seeufer, das seicht und flach ausglitt. Der endgültige Abschied nahte in Radolfzell. Schon am Bahnhof war nichts mehr vom See zu sehen. Danach sah ich ein letztes Mal ein Stückchen See. Wehmütig schrumpfte der Seeblick. Der Bodensee verabschiedete sich mit einem Bierzelt und einem Zieleinlauf, denn in Radolfzell fand an diesem Wochenende ein Triathlon-Rennen statt. Schließlich drehte der Regionalexpress nach Karlsruhe weg und steuerte auf den Hegau und den Schwarzwald zu.

7 Kommentare:

  1. Hallo Dieter,

    schade dass Du nur eien Woche am Bodensee bleiben konntest. Den Bodensee und seine Umgebung würde ich mir auch gerne mal ansehen, vielleicht schaffe ich das ja mal. Bisher ist mir zweimal etwas dazwischen gekommen wenn ich es geplant hatte.
    Ich hoffe Deine großen Kinder hatten (trotz Rebellion)noch Urlaubsfeeling.

    Gruß Nachtfalke

    AntwortenLöschen
  2. Die Bedürfnisse von Eltern, großen und kleinen Kindern immer unter einen Hut zu bekommen, das ist nicht einfach, Dieter. Schade, dass du nicht länger bleiben konntest.

    Ich denke dennoch, dass auch die größeren Kids ihren Spaß am Bodensee hatten. Wer weiß, wie lange sie überhaupt noch mit euch gemeinsam in Urlaub fahren werden.

    Auch deine Reisebeschreibungen, Teil 4, waren wieder sehr lesenswert. :-)

    Danke noch für deinen Link auf meinem Blog, diese Brücke werde ich mir anschauen.

    Liebe Grüße
    Christa

    AntwortenLöschen
  3. Tach Dieter so ist das, wenn die Kids größer werden, dann gemeinsame Urlaubspläne unter einen Hut zu kriegen, kein einfaches Unterfangen. Hoffe sie haben trotz dem noch eine schöne Zeit am Bodensee.

    Schade das Dein Urlaub nur so kurz war.

    Einen schönen Abend und liebe Grüße Angelika

    AntwortenLöschen
  4. Hallo Dieter!
    Letztes Jahr waren wir am Bodensee, sind von Konstanz nach Radolfzell geradelt.
    Die Strecke zwischen Konstanz und der Reichenau war gar nicht schön. Irgendwie hatte ich in Erinnerung, dass der Radweg näher am Wasser liegt, aber das habe ich in der Erinnerung wohl etwas verklärt.
    Konstanz hat mir aber sehr gut gefallen.
    VG
    Elke

    AntwortenLöschen
  5. Hallo Dieter, ich kann es Dir nachempfinden, am Bodensee ist es wunderschön.
    Wir waren auch zweimal dort, aber immer nur eine Woche und haben längst nicht alles gesehen, Ivh habe auch viele Bilder gemacht und die Häuserbemalungen in dieser Region finde ich auch ganz toll, sowie die vielen schönen Zunftschilder.
    Die jungen Leute wollen Aktion haben, aber junge Leute mit Kindern sind rot auch anzutreffen, nicht nur die ältere Generation.
    Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende, liebe Grüße Ulrike

    AntwortenLöschen
  6. Kinder haben ihre eigenen Vorstellungen von Ferien. Wenn ich meine Eltern früher begleiten musste, war es mir auch super langweilig in Museen und Kirchen. Heute ist es anders, da besichtige ich gerne die einst gehassten Orte. Unsere Kinder dürfen/durften sich ihre Ferien selber aussuchen/buchen, so haben wir keinen Stress. Dir hätte ich gerne noch eine weitere Woche Bodensee gegönnt.

    LG Arti

    AntwortenLöschen
  7. Deine Wehmut kann ich mir so richtig gut vorstellen.
    Wir waren letztes Jahr 9 Tage in Österreich. Und zwar in dem kleinen Örtchen, wo ich mit meinen Eltern früher immer in Urlaub fuhr. Somit kenne ich die Gegend und sehenswürdigen Orte dort und Erinnerungen an meinen leider früh verstorbenen Vater kamen mit diesem Urlaub hoch und diese schönen Erinnerungen gingen mit jedem Kilometer Heimfahrt am Ende des Urlaubs wieder etwas verloren ... es war, als würde ich ein Stück Heimat verlassen bzw. Herz verlieren :-(

    AntwortenLöschen