Montag, 30. Januar 2012

Feigenpralinen


Es war ein Ort, den wir in Windeseile wieder verlassen wollten. Einparken, aussteigen, der Lärm der nahen Autobahn dröhnte über unsere Köpfe hinweg.

Autobahnraststätte Baden-Baden. Wir waren unterwegs zu unserm großen Mädchen nach Freiburg. Ich öffnete den Kofferraum, und so wie die blaue rechteckige Plastik-Box befüllt war, sprang die Zusammenstellung direkt in mein Auge: Gurken, Paprika, Bananen, Porree, Schwarzbrot, alles, was lecker und gesund war für unser großes Mädchen. Und mittendrin: Feigenpralinen.

Das passte ganz und gar nicht zusammen, und wir schritten zu den Toiletten, wo wir uns unserer menschlichen Bedürfnisse entledigen wollten. Egal welche Autobahn, das Bild der Raststätten war unansehnlich. Gleichförmig neben die Autobahn geklatscht, führten Treppenstufen aus Waschbeton zu dem gläsernen Kasten, der das Restaurant beherbergte. Auf unser Geheißen öffneten sich die Glastüren automatisch, die Toiletten versteckten sich in den Kellerräumen. Dort irrte eine Familie mit zwei kleinen Kindern herum, die den Wickelraum suchten. Prompt konnte ich ihnen weiterhelfen, denn zufälligerweise stand ich genau davor.

Die Feigenpralinen: das war ein Überbleibsel des Weihnachtsfestes, denn meine Eltern hatten die Angewohnheit, dass sie bei mir ziemlich präzise wussten, was sie mir schenken konnten, aber bei meiner Frau landeten sie nur mit Irrtümern. Der erste Irrtum war, dass meine Frau – so wie ich – gerne Wein trinkt – vorzugsweise schwergewichtige spanische Rotweine. Der zweite Irrtum war, dass meine Frau gerne Pralinen isst – möglichst extravagant und exotisch.

Raus aus den Toiletten, fuhren wir wieder los. Auf der Autobahn brausten wir munter daher, und im Autoradio trällerte eine englischsprachige Gruppe ein Lied. Dass Liebe wie Sauerstoff ist, wurden wir mit ihren Weisheiten beglückt. Wenn man zu viel Liebe bekommt, dreht man durch, wenn man zu wenig Liebe bekommt, ist man dem Untergang nahe.

Nicht nur die Feigenpralinen waren peinlich. Da waren noch Pralinen in Zartbitterschokolade mit leicht geschlagener Limetten-Creme. Ich hatte davon probiert und das hatte entsetzlich geschmeckt. Der Geschmack der Schokolade war so bitter, dass meine Zunge zusammenschrumpfte, und der Limettengeschmack war zwar erfrischend, aber er vervielfachte die Bitterkeit, so dass ich mich davor ekelte. Die Pralinen mit dem Limettengeschmack konnte man niemandem zumuten, so dass sie in den Müll wanderten.

Baustellen quälten uns, dann freie Fahrt. Freiburg: in ihrer Studentenbude sammelten wir unser großes Mädchen ein, und das Restaurant, das sie sich zum Nachfeiern ihres 20. Geburtstages ausgesucht hatte, war klasse. Steinquadern aus rötlichem Sandstein bildeten eine majestätische Wand. Tische und Stühle waren alte Möbel aus schönem, gepflegtem Holz. Ein wenig kamen wir uns vor wie in einem Antiquariat. Sogar eine Bank aus einer Kirche hatte Verwendung gefunden. Graziös und besinnlich erstreckte sie sich mit ihrer beachtlichen Länge vor der Wand. Kartoffelhaus war der simple Name des Restaurants. Bratkartoffeln, Schnitzel, Fritten genossen wir, unser großes Mädchen aß Pellkartoffeln mit Avocado-Guacamole, provenzalischem Tomaten-Olivendip und Frankfurter Grüne Sauce. Ich stopfte einen Berg Fritten mit Mayonnaise in mich hinein, die für deutsche Vrhältnisse lecker schmeckten, aber noch meilenweit entfernt lagen von der Qualität niederländischer oder belgischer Fritten.

Rückfahrt zur Studentenbude, dann Ausladen. Was unser großes Mädchen so brauchte, beförderten wir in ihr Zimmer. Mitten unter Gurken, Paprika, Bananen, Porree, Schwarzbrot, Obst, Gemüse, stachen wieder diese Feigenpralinen in der Box hervor.

„Isst du Pralinen ?“ fragte ich, denn sonst rührte sie nie Süßes an.
„Nein, Mama hat gesagt, dass ihr zu Hause nichts damit anfangen könnt.“

Damit hatte sie zweifellos Recht, denn die Feigenpralinen anzurühren, davon hätte ich Abstand genommen, denn die Pralinen in Zartbitterschokolade mit leicht geschlagener Limetten-Creme hatten mir gereicht.

„Und was machst du damit ?“
„An der Universität werde ich die los.“
„Wer isst so etwas ?“
„Vielleicht meine beste Freundin, die isst gerne Süßes.“
„Auch so etwas ?“
„Wir sind bunt gemischt, aus der ganzen Welt, Österreich, Luxemburg, Portugal, Italien, China, USA ...“
„Hmmm …“
„Je mehr die Studenten aus der ganzen Welt kommen, um so mehr mögen sie Süßes aus Deutschland. Je exotischer, um so leckerer.“

Irgendwie freute ich mich, dass man mit den Feigenpralinen anderen Menschen eine Freude bereiten konnte und einer sinnvollen Bestimmung zuführen konnte.

Gerne hätten wir einen Abstecher in die idyllische Freiburger Innenstadt gemacht, doch dafür war die Zeit zu kurz. Gegen halb sechs fuhren wir wieder Heim. 420 km preschten wir über die freie Autobahn nach Hause. Stippvisite in Freiburg. Das nächste Mal bekommen wir bestimmt mehr von der Stadt zu sehen.



2 Kommentare:

  1. Hihi, ich bin gespannt auf die Rückmeldungen, wem die Feigenpralinen auf den Magen geschlagen sind.

    LG Berta

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    Nochmals lg

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  2. Genau, Berta hat es schon gesagt ^^

    Meine Schwiegermutter hat/hatte auch dieses untrügliche Gespür, aber ich glaube, dass sie das extra gemacht hat :)

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