Er war nicht unhöflich. Als wir letzten Sonntag im schwäbischen Restaurant essen waren, tändelte unser Sohn unterhalb der Tischkante herum. Er verbarg hastig herumtanzende Bilder, flink wie ein Wiesel tanzten seine Finger über ein Display. Davon bekamen wir nicht allzu viel mit. Wenn wir miteinander redeten, hob er seinen Kopf und beendete seine Spielereien. Dann lauschte er interessiert zu und er gab seine deftigen Kommentare zum besten.
Seit etwas mehr wie einer Woche ist unser Sohn stolzer Besitzer einer SONY PS Vita, die er sich von seiner Ausbildungsvergütung geleistet hat. Bei Saturn muss er ganze Heerscharen von Verkäufern damit beschäftigt haben, denn in den Verkaufsräumen standen nur Ausstellungsexemplare. Die eigentliche Ware befand sich noch im Lager und wurde erst nach einer aufwändigen Suchaktion gefunden.
Ich saß neben ihm und seinem Treiben auf dem Display schaute ich ungläubig zu. Wer und was sich wie bewegte, war in einer hohen Pixelauflösung glasklar und scharf gestochen erkennbar. Ein Kobold wie aus einem Märchen hoppste durch die Gegend. Die Märchenlandschaft mit bunten und poppigen Farben war wie aus einem Traum gegossen. Unser Sohn war wieder in seine Welt abgetaucht, und wie gebannt starrten seine Augen auf den Bildschirm.
War ich altmodisch ? Schon in U-Bahnen oder Bussen nervte mich, wenn in jeder freien Minute auf Smartphones herumgeklimpert wurde und wenn auf Nachrichtenseiten oder Facebook herum gesurft wurde. Bloß nichts verpassen dürfen. Offensichtlich galt dies auch für unseren Sohn: die Vielfalt von Spielen war unübersehbar, um in die Phantasie von Märchenwelten einzutauchen, um Live bei historischen Schlachten dabei zu sein oder um sich einfach nur herum zu prügeln. Daher galt es die Zeit möglichst umfassend auszunutzen, um eine große Auswahl davon zu spielen.
Ich bekam mit, dass ein Kobold einen Roboter befreien musste, der hinter einem schweren Tor gefangen war. Dazu musste der Kobold gegen bienenähnliche Geschöpfe mit einem Lichtschwert kämpfen. Auf diesem Weg zerstörte er Steuerpulte, die einfach weg geschleudert wurden.
Das war Abschottung, unser Sohn schuf sich seine eigene Welt. So gravierend hatten sich die Zeiten allerdings nicht geändert. Zu unserer Zeit war es die 68er-Bewegung, die mit ihren langen Haaren, ihrem unkonventionellen Aussehen und ihrer aufmüpfigen Musik eine Revolution gegen die Eltern losgetreten hatte. Die junge Generation suchte ihre eigene Identität und grenzte sich bewusst ab. Heute werden die Barrikaden durch die virtuelle Welt aufgebaut: im virtuellen Raum wird die eigene Persönlichkeit entwickelt, virtuell wird zusammen gespielt, am Ende gibt es virtuelle Sieger und virtuelle Verlierer. Ohne Netz geht gar nichts mehr. In unserer Generation, da gab es noch Berührungspunkte und Konfliktherde, aber in dieser virtuellen Welt ? Selbst wenn ich eindringen wollte, war mir diese virtuelle Welt so fremd, dass ich die Berührungspunkte erst verzweifelt suchen musste.
SONY PS Vita: aus technischer Sicht war den Herstellern ein genialer Coup gelungen, so wie sich die Action-Szenen abwechselten, wie ein Zauberer mit langen grauen Haaren auf der Bildfläche erschien, wie ein Krieger mit einem dicken Bizeps und einer Streitaxt besiegt wurde, wie der Kobold auf der Wegstrecke einen Schatz entdeckte und virtuelles Geld scheffelte. Das war Unterhaltungselektronik vom Feinsten. Unbeharrlich marschierte der Kobold weiter ließ sich selbst von den schlimmsten Feinden nicht beirren.
Unser Sohn schaltete um und redete mit, wenn er unseren Gesprächen etwas Produktives beisteuern konnte. Zwischendurch tauchte er in seine Spielewelt ab, dabei war er aber nicht geistesabwesend. Als wir auf den Flughafen zu sprechen kamen, fing er an, über Sinn und Unsinn eines Nachflugverbots zu debattieren. Haarklein konnte er uns die Rechtslage erläutern, wieso ein Nachtflugverbot rechtlich nicht haltbar ist.
SONY PS Vita und andere Unterhaltungselektronik: das war ein weites Feld, wo ich mich nur mit einem geringfügigen Umfang befasst hatte. Fremd war mir dies sowieso, weil ich wenig technikaffin bin. Vielleicht sollte ich die Dinge auch anders sehen: weniger die Defizite, da man sich wirklichkeitsfremd in einer virtuellen und abgedrehten Welt bewegt, sondern Möglichkeiten und Chancen. Vorher muss ich diese virtuelle Welt aber verstehen lernen.
jede generation hat ihre eigenen "unarten"...und das ist okay!
AntwortenLöschenLG
Huhu Dieter :)
AntwortenLöschenDanke für das interessante Review! Töne in Bussen und Bahnen nerven mich auch - je lauter und schriller, desto mehr nerven sie mich. Aber wenn Leute anfangen zu meckern, nur weil andere sich mit Handy oder Spielekonsole im ÖPNV beschäftigen, sehe ich das als Neid, Wichtigtuerei oder Langeweile der meckernden Person an.
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Vielen Dank für deinen Kommentar. Über die vielen unterschiedlichen Meinungen habe ich mich riesig gefreut.
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Ich hoffe, du hattest einen schönen Tag :)
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°ºviele.♫º °º.Grüße.♫º
=^.^= wieczorama
Mein Fotoblog
ich überlege mir gerade wie ich mich verhalte. Ich bin nicht auf dem neuesten Stand der Technik - aber ich bin z.B. hier *g*. Ich sitze ab und zu - oder doch auch öfter mal - am pc ... lese und schreibe in blogs ... spiele auch ab und zu mal ein Spiel bei dem ich versuche immer mehr Punkte zu erreichen. Ich hatte auch mal eine lange Playstation-Phase ;-) mit dem handy tippte ich eine zeitlang eifrig sms - dann kam die messenger-phase am pc ... naja das ein oder andere forum ... facebook habe ich reingeschaut ... kann mich nicht so recht begeistern (noch nicht?) ... die Welt dreht sich weiter ... und wir drehen uns mit ;-)
AntwortenLöschenlieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Die jungen Menschen wachsen heutzutage mit virtuellen Medien auf, die wir früher so nicht kannten.
AntwortenLöschenSchule ohne zu Hause Internet-Anschluss zu haben, geht überhaupt nicht mehr. Wie oft müssen schon kleine Schüler Sachen im Netz suchen oder nachschlagen und es gibt wohl kaum ein Kind, was nicht irgendeine Art von Playstation hat.
Allerdings finde ich es schon ein wenig bedenklich, dass viele ohne Handy, SmartPhone oder was auch immer, gar nicht mehr auskommen können. Das ist gerade auch in Warteräumen zu beobachten. Kaum noch jemand vertreibt sich die Zeit mit Lesen.
Ich persönlich finde es unhöflich, wenn man in Gesellschaft ist, zusammen in einem Restaurant ist, eigentlich gemeinsam einen schönen Abend verbringen möchte und an diesen Medien herumgespielt wird. Das soll jetzt kein Vorwurf deinem Sohn gegenüber sein und es ist auch nur meine eigene Meinung. Die virtuelle Welt hat ihren Reiz und ist heute nicht mehr wegzudenken, aber unsere Welt verarmt, wenn man nicht mehr in der Lage ist, auch mal die virtuellen Medien auszuschalten.
Dein posting hier gibt viel Anlass zum Nachdenken, danke!
LG Christa