Letzte Woche, vor dem Besuch des Kölner Weihnachtsmarktes, schritt ich durch die Schildergasse, vorbei an grell erleuchteten Schaufenstern, die vollgestopft waren mit Weihnachtsmännern, Weihnachtsgeschenken, Weihnachtsgirlanden und vielfältigen Dekorationen der Vorweihnachtszeit. Leuchtreklamen rangen über den Geschäften um Aufmerksamkeit. In den Ladenlokalen der Modeketten Zara und Vero Moda drängte sich das Menschengewühl und man shoppte nach Herzenslust. Ich schritt vorbei an der postmodernen Glasfassade von Peek & Cloppenburg, dessen Beleuchtung durch die wuchtige, strenge, glatte und gekrümmte Form in die Fußgängerzone stieß.
Meinen Hunger hatte ich aufgespart, denn mein Ziel war die niederländische Fritttenbude hinter C&A. Die niederländische Frittenbude in der Bonner Fußgängerzone war seit etwa einem halben Jahr verschwunden – man gab sich wohl mit der geschmacksärmeren Variante der handelsüblichen Fritten zufrieden. Der am nächsten gelegene Typ dieser Frittenbuden fand sich in der Kölner Fußgängerzone. Sie war nicht riesig, zusammengequetscht zwischen den angrenzenden Schaufensterfassaden. Doch unübersehbar ragte im Obergeschoss eine überdimensionierte Frittentüte hinaus, in hellem Licht ein magnetischer Anziehungspunkt. Ich freute mich auf die Fritten, die tatsächlich nach Kartoffeln schmeckten sollten. Und nicht so ein Imitat, wo über mehrere Produktions- und Haltbarkeitsstufen hinweg der Geschmack verloren gegangen war.
Ich reihte mich an die Warteschlange ein. Die Frittenbude sah eher wie eine deutsche Kopie aus, denn es gab Bratwurst und keine Frikandel, geschweige Loempia oder Saté-Spieß – so wie in den Niederlanden. Vor mir hörte ich das Unwort, dass Pommes bestellt wurden. Als Deutscher, der einigermaßen des Französischen mächtig ist, krümmte sich mir bei dieser Aussprache der Magen herum. Das „S“ am Schluss des Wortes wurde im Französischen nicht betont. Viele Deutsche betonten aber dieses „S“ und sprachen es zum Schluss des Wortes mit aus. Dafür ließen sie „Frites“ weg.
Ich dachte an Frittenbuden in den Niederlanden oder Belgien. Zum Beispiel Visé. Das liegt in Belgien an der Maas, etwa 40 km westlich von Aachen. Mittlerweile war es bestimmt drei Jahre her, dass ich mit dem Rennrad von Aachen durch die östlichen Ausläufer der Ardennen nach Visé geradelt war, weiter über Maastricht in den Niederlanden nach Aachen zurück. In Visé steht eine der leckersten Frittenbuden, die ich kenne. Am Ende der Hauptgeschäftsstraße, gegenüber der Kirche St. Martin, auf einem kleinen Platz im Schatten eines riesigen Baumes, auf der anderen Seite gegenüber ein Kino und ein centre culturel. In dieser Frittenbude konnte man sehen, wie die geschälten Kartoffeln durch ein Schneidegerät gepresst wurden, so dass Fritten in langen Stäbchen herauskamen. Diese Fritten wurden dann einmal im Fett vorgebacken und portionsweise nochmals gebacken. Die Mayonnaise war auch anders: viel sahniger, kräftiger im Geschmack. Das war eine Portion Fritten, die man als richtige Mahlzeit betrachten konnte. Anschließend hatte man ein Sättigungsgefühl, als ob man eine komplette Mahlzeit mit Fleisch, Beilage und Salat gegessen hätte.
Nachdem ich an der Reihe war, hielt ich die ersehnte Tüte in der Hand, gefüllt mit einem Berg von Fritten und einem ordentlichen Klecks von Mayonnaise. Das war nicht ganz der Geschmack wie in Visé. Aber einen solchen Anspruch sollte ich auch nicht haben, dass die Qualität auf demselben hohen Niveau wie in Visé oder sonstwo in Belgien oder in den Niederlanden rangierte. Der Geschmack nach Kartoffeln kam immer noch kräftig durch. Der Unterschied zu anderen Frittenbuden in dieser Umgebung war gigantisch.
Das war ein Genuß. Am Rande eines Lederwarengeschäftes blieb ich in der Schildergasse stehen. Der breite Menschenstrom, in dem die Gesichter in der Dunkelheit beinahe gleich aussahen, schob sich an mir vorbei. Aus der Tüte pickte ich Fritte für Fritte mit dem Holzgäbelchen heraus und stopfte sie in mich hinein.
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