Dienstag, 10. Juni 2014

mit dem Rennrad nach Sinzig

Frühbeettunnel bei Arzdorf
Der Nordostwind war tückisch. Luft aus den Polarbreiten hatte der Nordostwind angezapft, die Nacht war sternenklar, die Temperaturen waren bis auf minus zwei Grad abgestürzt. In den Morgenstunden des 4. Mai 2011 entwickelte sich eine schicksalshafte Kombination für die Apfelbauern: der Wind blies. In Mulden und Senken hatte sich der Forst zwischen Kottenforst und Eifel gesammelt. Als der Wind blies, sackte die Temperatur nochmals ab und unterschritt die Minusmarke von zwei Grad. Das war zuviel. In den Wochen danach wurden die zarten, schon kugelrunden Apfelfrüchte weich wie Gummi, sie färbten sich braun und fielen zu Boden. Die Apfelernte fiel im Jahr 2011 komplett aus. Für 600 Hektar Fläche zwischen Rheinbach, Meckenheim und Graftschaft, war dies der Ruin.

Über Bad Godesberg, Wachtberg-Pech und Villip verlasse ich Bonn. Hinter dem Schloß Gudenau steigt die Straße an, dann rollt das gerade Band der Straße den Berg hinunter , Halbkreise von Foliengewächshäusern formieren sich, das Gelände senkt sich und steigt wieder an. Zwischen Arzdorf und Fritzdorf erstreckt sich eine dieser Mulden, wo die Eisheiligen zuschlagen können: Reihen von Apfelbäumen bestimmen das Landschaftsbild, und die zarten Früchte können dem  Frost hilflos ausgeliefert sein. Die Obstbauern wehren sich, indem sie die Apfelbäume beregnen, denn eingepackt in einem Eispanzer können die zarten Triebe bis zu minus zwei Grad aushalten. Und dabei ist es nicht nur der Frost, sondern es sind auch Hagel, Trockenheit oder Schädlinge, die ganze Ernten vernichten können.

Windmühlenstraße bei Fritzdorf
Am Ende des Ortes, wenn die Hauptstraße in Fritzdorf nach rechts abknickt, halte ich mich links. Ab hier folge ich der Fahrradbeschilderung nach Bad Neuenahr. Auf dem Wirtschaftsweg stört mich keinerlei Autoverkehr, sacht steigt der Weg an, zuerst dehnen sich Apfelbäume die Höhe hinauf, dann pflanzt sich ein Obsthof in die Kulturen aus Apfelbäumen, Himbeersträuchern und Birnbäumen hinein. Die Ruhe, die ich einatme, ist traumhaft. Der Anstieg gewinnt an Strenge, bis oben auf der Höhe, auf freier Fläche und ohne Flügel, eine Windmühle steht.

1842 erbaut, ist die Windmühle zwar steinalt, aber ihre Bedeutung verblaßt zwanzig Meter weiter, wo die AFH den Wirtschaftsweg kreuzt. AFH, das steht für Aachen-Frankfurter-Heerstraße, oder auch Krönungsstraße, die eine der wichtigsten Verkehrsverbindungen im Mittelalter darstellte. Heere und Könige folgten der Straße, Pferdefuhrwerke transportierten Waren, Pilger brachte die Straße zu den Orten religiöser Verehrung: die Verkehrsverbindung begann in Remagen, wo die Schiffsverbindung in eine Landverbindung überging, sie folgte ein Stück dem Ahrtal, stieg das Ahrgebirge hoch und flachte in der Grafschaft ab.

Hier genau, auf 259 Metern Höhe, waren die Könige des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation geritten. Der erste deutsche König, Heinrich III, wurde Jahr 1028 gewählt. Die Wahl wurde formalisiert und 1356 in der Goldenen Bulle festgeschrieben. Streng reglementiert, wurde eine Art von Bundesversammlung gebildet, die entfernt an heutige Wahlen des deutschen Bundespräsidenten erinnert. Die mächtigsten Fürsten, Kurfürsten und Herzöge wurden ausgewählt, sie gaben ihre Stimme ab und der Kandidat, der die meisten Stimmen auf sich vereinigte, wurde zum deutschen König gewählt. Das geschah in Frankfurt. Krone, Zepter und Schwert wurden in der Nachfolgetradition von Karl dem Großen in der Kaiserpfalz in Aachen verliehen. Auf mehr schlecht als recht befestigten Wegen ritten die Könige in die Niederrheinische Bucht hinein zum Ziel ihrer Wünsche. Das war Aachen.

die Ahr bei Bad Neuenahr
Für mein Rennrad sind die 259 Höhenmeter einigermaßen schlapp, und so radele ich den Berg hinab, immer geradeaus. In Ringen  fädele ich mich ein auf die Bundesstraße 266, die mich, Schleifen und Kurven ziehend, ins Tal hinab nach Bad Neuenahr führt. Am Kreisverkehr, wo die Autobahn A573 endet, halte ich mich geradeaus an die Beschilderung nach Königsfeld. Netto, Brenner & Klaudt, Energieversorgung Mittelrhein: austauschbar und blaß ist das Gewerbegebiet, weit vorbei am Stadtkern von Bad Neuenahr.

An der nächsten Ampel fahre ich geradeaus, ich überquere die Ahr, die Kuranlagen lasse ich links liegen, und nach einem Kilometer setzt ein giftiger Anstieg an, der mich zum Herunterschalten in die kleinsten Gänge zwingt. Ich verlasse Bad Neuenahr, indem sich Kurven den Berg hoch schlängeln. Dann flacht der Anstieg auf ein erträgliches Niveau ab. Aber ich muss hinauf, bis auf 374 Höhenmeter, und das zieht sich in die Länge. Treten und Geduld muss ich aufbringen, insgesamt geht es, von der Ahr ausgehend, acht Kilometer den Berg hoch. Nach dem Hinweisschild zur „Wetterstation Bad Neuenahr“ läßt schließlich der Anstieg nach, eine langgestreckte Kurve biegt nach links, dann nimmt die Anstrengung ein Ende, denn es geht nur noch den Berg hinunter.

Als das Waldgebiet ins freie Feld übergeht, schaue ich gebannt in die Weiten der Eifel. Eine Schafherde auf grünen Wiesen im Vordergrund, fällt die Straße ab nach Königsfeld, wo sich die Fahrt durch den kleinen und geschlossenen Ortskern lohnt. Königsfeld ist älter als es der barocke Turm der Kirche St. Nikolaus vermuten läßt, denn bereits 992 taucht „Cuningesueld“ in einer Urkunde des sächsischen Kaisers Otto III. auf. Fürsten und Herzöge wollten ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen, nämlich der Jagd. Dazu verlieh ihnen Kaiser Otto III. höchst persönlich das Jagdrecht. Der barocke Kirchturm verwirrt ein zweites Mal, denn die ursprünglich romanische Kirche wurde 1912 vollständig verbaut, das Seitenschiff wurde abgerissen und durch einen größeren, neugotischen Bau ersetzt, während der Eingangsbereich und das rechte Seitenschiff noch aus dem Entstehungsjahr 1226 stammt.

Königsfeld
Durch Königsfeld fließt der Vinxt-Bach, und daran scheiden sich die Geister des Rheinlandes. Wir brauchen Definitionen, Festlegungen, Begriffsbestimmungen, Abgrenzungen, um die Dinge wissenschaftlich beleuchten zu können. Wie anderswo in Deutschland, pflegt der Rheinländer seine Mundart, oder auch Dialekt, „Öcher Platt“ in Aachen, „Kölsch“ in Köln oder „Bönnsch“ in Bonn: alle Dialekte verbindet der rheinische Singsang, als schwingende Melodie, die als Sinnbild einer heiteren Lebensart verstanden werden kann. Wenn man als Abgrenzungskriterium die sprachliche Dimension wählt, dann endet hier in Königsfeld hinter dem Vinxt-Bach der ripuarische Sprachraum des Rheinlandes. Und in die Weiten der Vulkaneifel hinein, die Mosel entlang, hinauf bis zur Saar und nach Luxemburg erstreckt sich der moselfränkische Sprachraum. Melodisch daher fließend, klingt der moselfränkische Dialekt genauso gemütlich. Wenn ich sie denn höre, nehme ich sprachliche Änderungen wohlwollend auf. Manche Laute dehnen sich, aus „Esel“ wird „Iasel“, aus „Abend“ wird „Oawend“. Silben werden verschluckt: „p“ bleibt für „pf“ stehen, „Apel“ anstelle „Apfel“. Eigene Wortschöpfungen mogeln sich in die Sprache hinein: „Kwätsche“ für „Pflaumen“ oder „Däämelsack“ für einen „Tolpatsch“, so spricht man anderenorts im moselfränkischen Sprachraum. Hier in Königsfeld ist davon noch nichts zu hören, aber jenseits des Vinxt-Baches werden diese sprachlichen Nuancen deutlicher.

Unten angekommen, biege ich an der Hauptstraße nach links. Fünfzig Meter weiter, geht es nochmals nach links. Dort registriere ich, dass mein Ziel, Sinzig, in zehn Kilometern Entfernung näher rückt. Mit einem kräftigen Anstieg verlasse ich die ripuarisch-moselfränkische Sprachgrenze des Vinxt-Baches. Ich quäle mich an der Maternus-Kapelle vorbei, wo einst der Bischof von Köln, Maternus, auf dem Weg zu seinem anderen Bistum, Trier, übernachtet haben soll. Einen Kilometer weiter, erreiche ich die Höhe, und von hier aus geht es nur noch bergab bis Sinzig.

Schloß Ahrenthal
Auf halber Strecke erblicke ich das Schloß Ahrenthal. 1330 erbaut, wurde der Komplex 1728 so umgebaut, wie ich das Vorgebäude nun von der Straße aus bestaunen kann. In Schloß Ahrenthal kämpften die Ritter, aber nicht gegen den großen Feind von anderswo, sondern gegeneinander. So beanspruchten zehn unterschiedliche Rittergeschlechter die Herrschaft in Sinzig, so viele Ritter zählt das Sinziger Grundbuch aus dem Jahr 1334 auf. Die Ritter bauten in der Stadt Sinzig, in umliegenden Flußtälern und auch hier im Harbachtal Burgen. Im 14. Jahrhundert ging es darum, wer in Sinzig das Sagen hatte. Herr über Schloß Ahrenthal wurde Ritter Rollmann von Sinzig, dem der Kölner Erzbischof am 25.6.1364 den Titel „Rollmannus dominus de Arendale“ verlieh. Rollmann hatte eine gewisse Macht, da er weitere Güter in Andernach, Unkelbach, Königsfeld, Frohnrath und auch Sinzig geerbt hatte. Jeder Ritter suchte sich zu positionieren. Genau zu Weihnachten 1380 kam der Eklat. Der Kölner Erzbischof hatte auf der Godesburg zu einem Weihnachtsessen, gemeinsam mit anderen Rittern und Adligen, eingeladen. Ritter- und Adelsgeschlechter waren sich so spinnefeind, dass der Ritter Rollmann von Sinzig und der Burggraf Johann von Rheineck sich nicht mehr ins Gesicht schauen konnten. Sie diskutierten, die beiden wurden lauter, sie schrien sich an, beide wurden handgreiflich. Schließlich zückte Burggraf Johann von Rheineck seinen Dolch und erstach Rollmann von Sinzig. Und dies in Anwesenheit des Erzbischofs, der nicht anders konnte als den Burggrafen am nächsten Tage hinrichten zu lassen. Schloß Ahrental teilte das Schicksal so manch anderer Wasserburg im Rheinland. Nach dem 30-jährigen Krieg nahm die strategische Bedeutung der Wasserburgen ab. Nach 1700 wurde die Wasserburg von Fürsten aus der Ferne gelenkt, mal waren es die Grafen Spee aus Düsseldorf, mal der Graf von Hillesheim, der seine Besitztümer von Mannheim aus steuerte.

Abfahrt nach Sinzig
Sinzig naht, nachdem die Eifel-Landschaft während dieser sagenhaft langen Abfahrt an mir vorbei geglitten ist. So wie Karl der Große in Aachen, wie Jan Wellem in Düsseldorf, wie Beethoven  in Bonn, so dreht sich in Sinzig alles um eine Person. An der Querstraße, vor den Überbleibseln der Stadtmauer, halte ich mich links, an der nächsten Abbiegung fahre ich rechts in die Fußgängerzone hinein. Immer geradeaus, bis ich den großen Platz vor der Kirche St. Peter erreiche, die mit ihrem makellosen rot-weißen Anstrich beeindruckt. Wenn ich Lust hätte, könnte ich anhand von Lisenen, Rundbögen, Zwerggalerien und des achteckigen Vierungsturms die Vollendung romanischer Baukunst studieren. Doch nach 45 geschafften Kilometern mache ich Pause. Ich genieße die Weite des Platzes, der sich so ausdehnt, wie ich es ansonsten im Rheinland selten kenne.

Und mit dem Namen des Cafés begegne ich dieser einen Person, auf die sich das ganze Stadtleben konzentriert: ich sitze draußen vor dem Barbarossa-Café. Neben Gelnhausen, Kaiserslautern, Altenburg und Bad Frankenhausen nennt sich Sinzig stolz Barbarossa-Stadt. Das hängt wiederum mit der AFH,  beziehungsweise der Aachen-Frankfurter-Heerstraße beziehungsweise der Krönungsstraße zusammen, die ich zuvor auf 259 Metern Höhe bei Fritzdorf gekreuzt habe. Wie bereits beschrieben, wurden die deutschen Könige des Mittelalters in Frankfurt gewählt. Danach fuhren sie mit dem Schiff rheinabwärts, gingen in Remagen an Land und sattelten auf ihre Pferde um. Sie ritten in Tagesetappen, wobei sie sich in Pfalzen aufhielten und übernachteten, deren Infrastruktur die Herrschergeschlechte Karls des Großen aufgebaut hatten. So wird Sinzig als „palatium Sintiacum“ im Jahr 762 in einer Urkunde erwähnt, laut der Karl der Große Eigentumsrechte an dieser Pfalz erhielt. Rund vier Jahrhunderte später hielt sich Barbarossa, der staufische Kaiser, der unter merkwürdigen Umständen 1190 während eines Kreuzzugs ertrank, viermal nachweislich in Sinzig auf. Das erste Mal 1152: „in villa regali Sinziche applicuit“; später, das ist 1158, 1174 und 1880, erscheint Sinzig als Aufenthaltsort in weiteren Urkunden. Obschon es nur kurze Stippvisiten waren, ist Sinzig eng mit Barbarossa verbunden. Das ist nicht nur das Barbarossa-Café, in dem das Weizenbier meinen Durst löscht, das sind auch Barbarossa-Pralinen, Rotweine „Edition Barbarossa“, eine Barbarossa-Apotheke, ein Barbarossa-Sonnenstudio und so weiter. Achja: einmal jährlich lebt die Zeit des Mittelalters auf dem Barbarossa-Markt wieder auf.

Meine Fahrt geht weiter. Über die Zehnthofstraße verlasse ich den Marktplatz, ich biege nach links auf die Rheinstraße, dann links in Richtung Remagen auf die Lindenstraße. Auf der Höhe des Bahnhofs muss ich aufpassen, denn die Sinziger Verkehrsplaner haben nur an die Autofahrer gedacht, denn alle Verkehrsschilder nach Remagen führen über die Kraftfahrstraße, die ich ja als Fahrradfahrer nicht benutzen darf. Anstatt dessen biege ich nach links auf die Barbarossastraße, wo mich der Kaiser nach fünfhundert Metern linkerhand auf seinem Denkmal begrüßt. Seit 1951 steht er dort, er schaut gebannt, der Sockel hievt ihn mit seinem langen Gewand in die Höhe.

Sinzig, Marktplatz (oben), Barbarossa-Denkmal (unten links; Quelle Wikipedia),
Gemälde "Kaiser Barbarossa erteilt dem Bischof von Trier ein Bergwerksprivileg" von Karl Christian Andreae (1864)
(unten rechts; Quelle: Agnes Menacher, das Sinziger Schloß)

Das Sinziger Schloß, auf der rechten Straßenseite, wo sein Denkmal sich bis 1951 im Park versteckte, verkneife ich mir. Es ist fast genauso alt wie Schloß Ahrenthal, französische Truppen haben es im 17. Jahrhundert bis auf die Grundmauern zerstört. 1850 kaufte der Kölner Kaufmann Gustav Otto Bunge das verfallene Anwesen, er hatte die Taschen voller Geld und baute das Schloß als Sommerresidenz für seine Familie wieder auf. Über seine Ehefrau entdeckte er seine Faszination für die Malerei. Sein Schwager, Karl Christian Andreae, hatte fünf Jahre an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert. Vierundzwanzig Jahre lang malte er in Dresden Altarbilder, bis es ihn 1882 nach Sinzig verschlug. Abseits der Rheinromantik, die sich von der Schönheit des Stroms und rheinischen Burgen umschwärmen ließ, war Andreae der historischen Malerei verhaftet. Dabei betrachtete der Kaufmann Bunge, der keinerlei Talent zur Malerei besaß, das Sinziger Schloß als informellen Treffpunkt, um ein Netzwerk von Künstlern zu bilden. Die Maler Leopold von Kalkreuth, Erich Meurer, Franz Ittenbach oder Johann Martin Niederée wird wahrscheinlich niemand kennen. Das Museum im Sinziger Schloß habe ich nicht besucht, aber die Gemälde, die dort zu sehen sind, interessieren mich brennend.

Da die Sinziger Verkehrsplaner Fahrradfahrer vergessen haben, muss ich aufpassen. Oder vielmehr: der Fahrradfahrer wird jede Masse Hinweisschilder zur Ahr finden, wo der Radweg von Bad Neuenahr nach Kripp an den Rhein führt, aber die geradlinige Verbindung nach Remagen haben die Stadtplaner schlichtweg geschlabbert. Daher habe ich die Straßenbezeichnungen „Barbarossastraße“ und „Kölner Straße“ auf einen Zettel skizziert. Ich folge sklavisch, um nicht in Kripp oder auf der Kraftfahrstraße zu landen.

Mit seiner krummgebogenen Straßenführung, schleicht sich die Kölner Straße durch ein Industriegebiet, das sich an der Kraftfahrstraße, der Bahnlinie und der B266 vorbei mogelt. Wenn ich nach rechts schaue, hätte der Blick über Felder und Fabrikgebäude auch anders aussehen können. In der 1960er und 1970er Jahren herrschte Aufbruchstimmung, was den Ausbau der sauberen und kostengünstigen Kernenergie betraf. Im Rheinland wurden Standorte für Kernkraftwerke gesucht. Diese mussten in der Nähe von Flüssen liegen, da große Mengen an Kühlwasser für die Reaktortechnik gebraucht wurden. 1972 war es soweit: die Planungen für ein Atomkraftwerk in Sinzig waren fertiggestellt. Die grüne Bewegung hatte Anfang der 1970er Jahre noch nicht richtig Fuß gefaßt, es gab keine Erfahrungen mit Atomkraftwerken, Gefahren wurden schön geredet. 16.000 Bürger legten im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens Einspruch ein. Schließlich waren es nicht die Bürger, sondern die Mineralwasserproduzenten, die die Planungen kippten. Die Produzenten Sinziger, Heppinger und Apollinaris sahen Beeinträchtigungen auf den Wasserhaushalt, so dass die Qualität ihrer Mineralwasser darunter leiden würde. Dies bestätigten die Gerichte, dass das Wasserrecht höher einzuschätzen sei als die Stromversorgung. Nachdem die Planungen gestoppt wurden, wurde ein neuer Standort in Mülheim-Kärlich bei Koblenz ausgewählt. 1986 fertig gebaut, produzierte dieses Atomkraftwerk gerade 100 Tage Strom, weil Kernkraftgegner Endloswellen von Gerichtsprozessen lostraten.

Der Fahrradbeschilderung folgend, lande ich auf der B9 in Remagen. Mit dem breiten Band der Straße lasse ich den Bahnhof rechts liegen, hinter dem Ortsausgangsschild biege ich rechts an der Kirche St. Peter und Paul vorbei, hinunter zum Rhein, dann biege ich links auf den Fahrradweg, der schnurstracks den Rhein entlang führt.



Radweg den Rhein entlang von Koblenz nach Bonn
Das ist wie im Paradies, dem breiten Strom folgen, immer geradeaus, auf separater Spur für Fahrradfahrer. Aber Achtung: der Radweg verliert all seine Romantik und Gemütlichkeit, wenn an Wochenenden die Sonne scheint und ganze Völkerscharen auf dem Fahrrad unterwegs sind. Am schlimmsten sind die Rentner, die sich im Pulk im Fußgängertempo vorwärts bewegen, nicht beiseite weichen und mein Klingeln wohlwollend überhören. Für Liebespaare habe ich ein geringes Verständnis, wenn sie sich nebeneinander anhimmeln, sich tief in die Augen schauen und als verschmolzene Einheit nebeneinander nicht auflösbar sind. Inline-Skater können mich genauso zur Verzweiflung bringen, wenn ihre Bewegungen ausgreifen, wenn sie Platz brauchen und wenn Abbremsen effektiv unverzichtbar ist, um mich überholen zu lassen. Familien mit Kind und Kegel sind handhabbar. Kinder gehorchen. Die Familien halten sich rechts, wenn ich komme, so dass ich mich vorsichtig heran tasten kann und vorbei ziehen kann. Bis zum Ziel, dem Alten Zoll, weist mir wie im Schlaf die Fahrradbeschilderung den Weg.

Strecke (Länge 74 km):



Link zu www.gpsies.com:



10 Kommentare:

  1. Wieder eine Fleißarbeit. Ich bin dir gefolgt und habe wieder
    viel Wissenswertes gelesen.
    Liebe Grüße schickt dir
    Irmi

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  2. 'Fleißarbeit' ist wohl das richtige Wort! Danke für diesen hervorragenden Post!
    Zu Pfingsten war ich in deiner Heimat und auch die Ahr ist mir bekannt.
    Es wirklich schönes Fleckchen Erde!
    LG Martina

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  3. Habe dich auch wieder gerne begleitet, viel erfahren und Freude daran gehabt. Auch eine wieder tolle Tour die du gemacht hast.

    Liebe Grüsse

    N☼va

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  4. Da ging es aber wieder mächtig bergauf und bergab, aber du hast die Strecke prima gemeistert und nebenbei auch noch tolle Fotos machen können, um uns einen Überblick zu geben, wo du warst.:-)

    Hoffe, du hast ein schönes Pfingstwochenende verlebt und ihr hattet kein Unwetter.

    Liebe Abendgrüße schickt dir
    Christa

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  5. ich bin wieder gerne mitgefahren :-)

    lieber Wochenendgruß von Heidi-Trollspecht

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  6. Eine weitere wunderbare Informationsquelle hast Du da geschaffen! Jede/r Interessierte kann seine Favoriten der Sehenswürdigkeiten vertiefen. Wir bekommen dann vll einmal etwas über die Gemälde im Sinzinger Schloss zu lesen. Das interessiert mich ebenfalls sehr. Durch die Handverletzung meines Mannes bin ich gerade sehr mit Arbeit überhäuft und abends viel zu müde, um wirklich "mit Verstand" zu lesen. Das wird sich aber hoffentlich bald wieder ändern.

    Schöne Zeit, vor allem auf Deinem Fahrrad und wenig Ärger mit den Wochenend- Passanten ;-) wünscht
    Beate

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  7. ...... wieder einmal "setzte ich mich auf das Fahrrad" und radelte virtuell die Tour mit. So viele fesselnde Informationen und faszinierende Fotos, das macht das Verbleiben sehr leicht.

    wünsche gute Weiterfahrt,
    egbert

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  8. Tolle Bilder, eine tolle Strecke, deine Infos sind wirklich immer wieder die helle Freude und man denkt beinahe man ist dabei!
    Lieben Gruß, Michaela

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  9. Hi Dieter,

    bestimmt wieder eine super Tour.

    Die Eisheiligen haben wir ja Gott sei Dank hinter uns. Jetzt noch die Schafskälte und dann sind die Äpfel von Kälte wohl nicht mehr bedroht.

    Ich kann auf Kälte auch gut verzichtet. Sonnenschein und Wärme wäre schön. Aber die haben sich ja gerade eine Auszeit genommen.

    VG Frauke

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  10. Dass Sinzig als Barbarossa-Stadt vermarktet wird, ist mir neu, aber ich war ja noch nie dort. Ein guter Grund, irgendwann mal Sinzig zu besuchen. Auch wenn aus Barbarossas-Zeit wahrscheinlich nicht mehr viel erhalten ist. Wobei (ich Merchandising-Opfer) würde bestimmt einen Barbarossa-Wein mitnehmen :-). An der Ahr sollen ja so gute Spätburgunder wachsen - hat Helmut Gote behauptet. Achja, mehr Geld und mehr Urlaub!!!

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