Freitag, 28. September 2012

ein Jagdschloss im Kottenforst


Das mickrige Überbleibsel verliert sich im Wald. Aber es sieht heute putzig aus. Gelb leuchtet der Anstrich des Jägerhäuschens unter dem Krüppelwalmdach. So klein und so niedrig, wie es sich an der Wegekreuzung duckt, fühle ich mich unmittelbar in die Märchenwelt hinein versetzt. In dem Häuschen könnte man sich eine Hexe vorstellen, die „Knusper Knusper Knäuschen … wer knuspert an meinem Häuschen“ ruft.

Doch das Jägerhäuschen beherbergte von langer Zeit weder Märchen noch Hexen, sondern einen simplen Pferdestall. Das war ziemlich genau bis zu dem Zeitpunkt, als der Kurfürst Clemens August starb.

Ein Jagdschloss im Kottenforst, das war die Vollendung des Imperiums von Schlössern, die Clemens August in seiner Funktion als Erzbischof von Köln und als weltlicher Kurfürst geschaffen hatte. Augustusburg in Brühl, Clemensruh (heute Poppelsdorf) in Bonn, Clemens August fühlte sich dazu berufen, Schlösser zu bauen und diese perfekt in den Köln-Bonner Landschaftsraum zu integrieren. Das Jagdschloss im Kottenforst bei Bonn nannte er Schloss Herzogsfreude.

Sein Hofstaat glänzte, er lebte in Saus und Braus. Die Jagd wurde aufwändig inszeniert, sie gehörte zu den Privilegien der Fürsten, um sich vom einfachen Landadel abzuheben. Und im Kottenforst sollte nicht so gejagt werden, wie man es sich gemeinhin vorstellen könnte: auf dem Pferd mit einem Gewehr auf Rotwild oder Schwarzwild schießen. Gejagt wurde in der sogenannten Parforce-Jagd. Eine Hundemeute wurde vorausgeschickt, die ein bestimmtes Wild so lange hetzten, bis dieses erschöpft war. Den Hunden folgten Jäger, die das ermattete Wild dann erlegten.

Schloss Herzogsfreude wurde von 1753 bis 1755 gebaut. Im Zeitalter von Herrschern, die sich im absoluten Zentrum der Macht sahen, waren Schlösser wie Versailles, Potsdam oder Karlsruhe das Maß aller Dinge. Zum Zentrum der Macht zulaufend, wurden Schneisen in den Kottenforst geschlagen. Strahlenförmig liefen die Schneisen auf das Schloss zu und sollten eine Art von Sonnenkönig verkörpern. Mit seinem dreiflügeligen Bau war das Jagdschloss mitten im heutigen Bonn-Röttgen platziert und hatte wirklichkeitsfremde Ausmaße – allein der Mitteltrakt war 70 Meter lang.

Kostbare Möbel, prächtiges Porzellan und kunsthandwerkliche Silberarbeiten gehörten zur Ausstattung. Eine Inventarliste zählte annähernd 500 Gemälde auf: Rembrandt, Rubens, van Dyk, Tizian, Holbein, Dürer. Man hatte keine Kosten gescheut.

Dann kam das Jahr 1761. Kurfürst Clemens August starb. Sein Erbe, Kurfürst Max Friedrich, hatte nichts mit der Jagd zu tun. Zumindest nicht in der provinziellen Abgeschiedenheit des Kottenforstes. Und auch nicht als Parforce-Jagd. Das Jagdschloss wurde nicht mehr genutzt, es verfiel. Über Jahrzehnte hinweg hatte niemand Interesse an dem Prunkschloss, das nun zu einem Geisterschloss geworden war. Das änderte sich auch nicht 1803, als napoleonische Truppen einmarschierten. Sie hatten keine Verwendung für den Bau, dessen Pracht Risse zeigte und einzustürzen drohte. Sie entschieden, das Jagdschloss zu verkaufen.

1804 wurde ein Dachdecker aus Bonn neuer Eigentümer. Er handelte kaufmännisch und schlachtete die zerfallende Ruine aus. Rege nachgefragt waren die Steine des Außenmauerwerks, die später in der Festung in Wesel verbaut wurden. Auch im Vorgebirge zwischen Köln und Bonn fand man später Steine wieder. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde danach das ganze Schloss abgerissen. Der Name „Schloss Herzogsfreude“ wurde spätestens dann zur Lüge. Dort ist schätzungsweise mehr Geld zum Fenster heraus geworfen worden wie beim Schürmann-Bau, beim WCCB und auf dem Petersberg zusammen.

Heute erinnern nur noch spärliche Reste an das einst prunkvolle Schloss. Im Ortskern von Bonn-Röttgen findet sich eine Gedenktafel. An einer Säule stehen die Initialien C.A. für Clemens August, die noch von Ursprungsbau erhalten sind. Und das Jägerhäuschen, das als Pferdestall diente. Es lag zu weit ab, am Ende einer Schneise jenseits des Jagdschlosses. Still, auf einer Lichtung mitten im Wald gelegen, erfreut es heute Spaziergänger und auch Radfahrer wie mich. Es erhält die Erinnerung an die einst überdimensionierte Pracht aufrecht. 

8 Kommentare:

  1. Danke mein Lieber für den Geschichtsuntericht, hab ich doch wieder was gelernt.

    Das Jägerhäuschen ist ein schönes Kleinod, erinnert mich auch an Märchen, wunderschön.

    Liebe Grüße und einen gemütlichen Abend
    Angelika

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  2. manche Gebäude bleiben immer - und andere verschwinden einfach so. Texte wie deine verhelfen zum Bleiben.
    lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

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  3. Danke dir für den interessanten Post und ich persönlich finde es schade wenn Gebäude der Geschichte so verschwinden. Schön zu sehen das zumindest ein kleiner Teil erhalten geblieben ist und nach wie vor daran erinnert.

    Tollen Tag und liebe Grüsse

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  4. Hej Dieter,
    so schnell vergänglich können irdische Güter sein. Klar wird damit Kultur gestaltet, aber wie Du schreibst hat das seinen Preis ... den wer bezahlt?????!!!
    Die Zeiten ändern sich kaum. Das regt zum Nachdenken an!

    Lieben Gruß
    Beate

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  5. Hallo Dieter,

    was für ein Post wieder, bei dir kann ich immer noch was lernen. Regt die grauen Zellen an :)

    Lg und euch einen schönen Samstag

    Barbara

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  6. Wie reizend das gelbe Haus aussieht, umgeben von Bäumen...das lädt ja wirklich zum Verweilen ein.
    Einerseits ist es gut, dass der Adel so verschwenderisch war...denn wir können heute sehr vieles davon bewundern....an die Ausbeutung der Menschen damals, darf man dabei fast nicht denken.
    Dein Bericht ist wie immer schön zu lesen und dabei auch sehr lehrreich...vielen Dank, Dieter!
    LG Zaunwinde

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  7. Ha Dieter. Interessant en ik hou van dat gele huisje. Het is schattig.

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  8. Ich muss gestehen, dass dies eine der Dinge ist, die ich bislang aus unserer Heimat nicht kannte. Ein Jagdschloss. Schade, dass es nicht mehr in seiner vollen Pracht zu bewundern ist.

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