Ein matt beleuchteter Parkplatz neben einem Supermarkt. Etwas ziellos und gleichzeitig suchend kurvten wir in der Dunkelheit herum, bis wir einparkten. Sich mit dem Hinterhof uns entgegen drückend, näherten wir uns dem Restaurant, in dem wir vor mehreren Jahren gegessen hatten. Doch das Restaurant schlummerte im Dunkeln. „Aus gesundheitlichen Gründen geschlossen“, klärte uns das Schild an der Eingangstüre auf. Hier hatten wir nichts verloren, also ging es über die Autobahn zum nächsten Restaurant. Nachdem wir im Dunkeln die Orientierung gefunden hatten, sah es in diesem Ort deutlich besser aus. Es brannte nicht nur Licht im Restaurant, sondern die Speisekarte entsprach sogar den Vorstellungen unseres Sohnes. Seinen 18. Geburtstag wollten wir mit ihm am Sonntag nachgefeiert haben. Am Freitag davor sahen wir uns Restaurants an, die er in die nähere Auswahl gezogen hatte.
Als wir Sonntag Mittag mit unserer ganzen Familie anrückten, sahen wir im Hellen, wie alt und sorgfältig restauriert das Fachwerkhaus war, in dem das Restaurant hinter der weiß verputzten Vorderfront untergebracht war. Dabei wirkte das Fachwerkhaus eher skurril: so alt und herausgeputzt stand es in vollkommenem Gegensatz zu seiner Umgebung, denn die verkehrsberuhigte Zone war gespickt mit lauter neumodischen Geschäften, und ein weißer, schnörkelloser Kirchturm entstammte der Nachkriegsarchitektur.
Im Restaurant lernten wir, dass wir uns auf historischem Boden befanden. Auf den ersten Seiten der Speisekarte wurde die 400 jährige Geschichte des Fachwerkhauses erzählt. 1609 wurde das Haus erbaut, im 30 jährigen Krieg (1633) von schwedischen Truppen niedergebrannt und später wieder aufgebaut. Der Gewölbekeller stammte sogar noch aus dem 17. Jahrhundert.
Bevor unser Sohn und ich auf dieses Restaurant gestoßen waren, hatten wir eine erstaunliche Erfahrung gemacht. Unser Sohn wollte sich nämlich zu seinem 18. Geburtstag ein Restaurant aussuchen, in dem man Spezialitäten aus unserer Region – dem Rheinland – essen konnte – also weder italienisch, noch chinesisch, griechisch oder jugoslawisch. Und in dem Restaurant sollte die Speiseauswahl über einiges mehr wie Schnitzel hinausgehen.
Wir studierten die Speisekarten. Viele Speisen mit Schweinemedaillons, Hähnchenbrustfilets oder Geschnetzeltem aus dem Schwabenland. Eine ganze Seite schwäbische Maultaschen. Eine eigene Fischkarte mit einer ganzen Seite. Käsespätzle waren auch dabei. Überhaupt: zu allen Speisen jede Menge Spätzle. Die Weine, die zwei Seiten auf der Weinkarte füllten, kamen nicht aus Schwaben, sondern aus Baden. Eine nette Erscheinung war das Restaurant von innen – quer lagen Balken des Fachwerks frei, an den Wänden Gemälde im Stil der niederländischen Malerei, aufgelockert durch alte Gerätschaften wie Sense, Sichel oder Dreschflegel.
Was die heimische Küche betraf, hatten wir festgestellt, dass die Schwaben Entwicklungshilfe im Rheinland leisten mussten. Restaurants mit rheinischen Spezialitäten, da war uns nur zweierlei eingefallen: erstens Sauerbraten, zweitens was man in diversen Brauhäusern in der Kölner Altstadt aß – wie „ne halve haan * " oder „himmel un ääd ** “.
Beides missfiel unserem Sohn - und so kam die angenehme Kompromisslösung der schwäbischen Küche zustande. In unseren Urlauben am Bodensee hatten wir die schwäbische Küche kennen gelernt – sie war exzellent und sie hatte uns stets vorzüglich geschmeckt.
Nachdem wir unsere Bestellung aufgegeben hatten und mit Getränken versorgt worden waren, hieß es zunächst: warten. Dies geschah allerdings auf eine Art, wie ich sie sonst nicht erlebt hatte. Die Kellnerin kam nämlich zu uns, und sie meinte, dass gerade eine Stoßzeit mit sehr vielen Gästen sei (was stimmte, denn das Restaurant war rappelvoll), so dass das Servieren der Speisen dauern würde. Dies bedauerte sie und entschuldigte sich bei uns. Etwa 20-25 Minuten müssten wir uns noch gedulden. In rund 20 Minuten kam dann auch unser Essen. Dabei gestaltete sich die Wartezeit insgesamt kurzweilig. Denn am Nachbartisch speiste eine größere Familie, dessen Säugling in einem Maxi Cosi schlief. Zwischendurch wachte der Säugling auf, und er und seine Mama hatten reichlich Spaß mit unserem kleinen Mädchen.
Das Essen wurde serviert. Bei der schwäbischen Küche bin ich ja geradezu heiß auf Käsespätzle. Jedes Mal bewundere ich aufs Neue, wie es mit einer derart einfachen Speise zu schaffen ist, mich vollkommen satt zu bekommen. Ich hatte die Variante der Hüttenpfanne gewählt, die zusätzlich mit Champignons und einer Riesling-Soße zubereitet worden war. Und bei den Spätzle war klar und deutlich heraus zu schmecken, dass sie selbst gemacht worden waren. Unsere restliche Familie war genauso begeistert.
Das war bestimmt nicht das letzte Mal, dass wir in diesem Restaurant gegessen haben.
Erklärung für Nicht-Rheinländer
* halve haan = Roggenbrötchen mit einer dicken Scheibe Gouda
** himmel un ääd = Brei aus Kartoffeln mit Äpfeln
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenich habe sehr viel bei Dir nachlesen müssen und habe oftmals geschmunzelt.
Mir mundet die schwäbische Küche auch. Und Kaasspatzen mag ich ebenfalls sehr gern.
Liebe Grüße
Irmi (die sich hiermit zurück meldet)
Es ist schön, dass ihr eine Gaststätte zu Eurer Zufriedenheit gefunden habt.
AntwortenLöschenVor zwei Jahren sind wir zu meinem Geburtstag mit den Kindern und Enkel mit der Kleinbahn ins Zittauer Gebirge gefahren. Vorher hatten wir im Sommer auch ein paar Restaurants ausprobieren wollen, 2 entsprachen mit dem Essen so gar nicht nach unserem Geschmack. Per Internet habe ich dann ein 3. ausgesucht und haben dann ohne Probe dort bestellt und es war super. Das nur mal zum Probieren vorher.
Vielen Dank für Deinen Kommentar,
ich wünsche Euch eine schöne Woche, Grüße Ulrike
Hallo Dieter,
AntwortenLöschendas ist ein schöner Tipp und nach Deinen Beschreibungen hat man wirklich Lust da einmal vorbei zu schauen. Ein interessanter und informativer Bericht - wieder sehr gut geschrieben.
Lieber Gruß Senna
ja - mir geht es auch so ... macht Lust zum Nachfahren :-)
AntwortenLöschenlieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Auf dieses Restaurant gestoßen zu sein, war ja, wie man deinem Bericht entnimmt, ein voller Erfolg und ihr konntet den Geburtstags eures Sohnen nachträglich in einem schönen Ambiente mit ausgezeichneter Küche feiern.
AntwortenLöschenWenn die Speisen frisch zubereitet werden, dann nimmt man gerne eine Wartezeit in Kauf, finde ich und freut sich dann umso mehr über eine gute Qualität der Speisen.
Die Wartezeit bietet doch auch eine Möglichkeit, sich schön zu unterhalten, was in unserem hektischen Alltagsleben ja oft zu kurz kommt.
Liebe Grüße
Christa