Wenn die Lastkähne tuckern, die Containerschiffe
sich vorwärts wälzen und die Fahrgastschiffe der Köln-Düsseldorfer auf die
Anlegestelle zusteuern, dann zeichnen sich die Stimmungen bisweilen intensiv
wie auf einer Leinwand. Der Felsvorsprung des Erpeler Leys bricht senkrecht ab,
läßt den Rhein gewähren, der lässig seine Schleife zieht vorbei an den kargen
Stümpfen der Ludendorff-Brücke. In Remagen schmiegt sich das Band des Rheins an
die Uferpassage, Möven ziehen ihre Kreise, und über dem gegenüberliegenden Ufer
kragt der Kirchturm der Erpeler St. Severinskirche spitz in die bewaldeten
Hänge hinein, die sonnenüberflutet leuchten in grünen Farbtönen von Tannen,
Buchen und Erlen. Die Nachmittagssonne glitzert, im Wellenspiel zerfließt das
Sonnenlicht auf dem Rhein. Herrliches Wetter und gute Laune dominieren,
Menschen flanieren auf der Rheinuferpromenade.
Ein Ort, an dem man es gut aushalten kann. Ein
Lagevorteil, das stellt der Inhaber des Brauhauses am Caracciola-Platz heraus. Flanieren,
verweilen, beobachten, schauen, regenerieren, positive Energie von innen auftanken,
genau das suchen hier Einheimische und Ausflügler. Bei diesem Anblick auf den
Rhein beflügelt ein hauseigenes Bier Leib und Seele.
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Brauhaus Remagen |
Hauseigene Brauereien im Rheinland, dieser Trend ist
gegenläufig. Während der Bierausstoß der Großbrauereien sinkt, steigt die
Anzahl der kleinen Brauereien, die nur für ein winziges Gebiet ihr eigenes Bier
brauen, meist für die hauseigene Bewirtschaftung. So lümmele ich mich auf dem
Stehtisch vor dem Kneipeneingang herum, die Schaumkrone des Dunkelbiers ist in
sich zusammen gesackt, der kräftige und
würzige Geschmack des Gerstensaftes durchdringt meinen Körper und bereinigt das
Durstgefühl an diesem warmen Sommertag. Und so nebenher begutachte ich die
trägen Bahnen, in denen der Rhein vorbei fließt.
Gebraut wird nicht hier in Remagen, sondern ein
ganzes Stück entfernt, nämlich in Lahnstein bei Koblenz. Dort hat sich ein
Brauereikomplex angesiedelt, der in Kuppelproduktion das Bier für mehrere
Hausbrauereien im Westerwald und im Rheinland braut. Es versteht sich von
selbst, dass nach dem Reinheitsgebot von 1516 ausschließlich die Rohstoffe
Gerste, Hopfen, Wasser verwendet werden, wobei dieser Grundsatz 1993 durch das
vorläufige Biergesetz leicht abgewandelt wurde. Den Brauvorgang mit den
verwendeten Rezepturen bestimmt dann jede Hausbrauerei selbst.
Ich bewege mich weg vom Rhein an die Sieg. In
Siegburg befindet sich eine der sieben Hausbrauereien im Rhein-Sieg-Kreis, das
ist das Brauhaus „Zum roten Löwen“. Franken besitzt übrigens das dichteste Netz
von Hausbrauereien, deren Anzahl ungefähr 300 beträgt. Da kann das Rheinland
zwar nicht mithalten, insgesamt ist es aber nicht schlecht aufgestellt. Die Anzahl
der Hausbrauereien in Köln, das sind rund zwanzig, überrascht mich ein wenig,
weil ich eine größere Anzahl vermutet hatte. Das liegt daran, dass die
traditionellen Brauhäuser in der Kölner Altstadt wie Früh, Malzmühle oder Sion
für größere Märkte Bier herstellen. Die Kölner Hausbrauereien sind indes einige
Größenordnungen kleiner, wie etwa die Brauerei Päffgen im Friesenviertel.
Andere bekannte Hausbrauereien wie Lommerzheim oder „Em Golde Kappes“ liegen in
den Stadtteilen Deutz und Nippes. Auf der Domäne der Altbierherstellung gibt es
dann in Düsseldorf eine ähnliche Anzahl von Hausbrauereien.
Eingenistet in einer Seitenstraße der Fußgängerzone,
kann man sich im Siegburger Brauhaus
über den Gang der Jahreszeiten hinweg trinken. Über den Winter hilft ein
Schwarzbier, ab März läutet ein leichtes, spritziges Frühlingsbier den Frühling
ein. Der Mai glänzt mit einem Starkbier, dem Maibock; in die Sommerzeit fällt
die Saison des Weizenbiers, und es ist dem Doldenhopfen aus dem Siebengebirge
zu verdanken, dass das Weihnachtsbier dunkel gereift ist und besonders würzig
schmeckt.
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Brauhaus Siegburg |
Natürlich kann ich auch Biere für alle Jahreszeiten
verkosten, davon trinke ich eines mit dem schlichten Namen „Siegburger“. Im
Gegensatz zum Remagener Brauhaus, ist die Hausbrauerei in Siegburg nicht
ausgelagert worden. So wirkt das Innere des Brauhauses urig, wenn ich auf die
Braukessel schaue. Die bronzenen Kessel blinken im Schein der Innenbeleuchtung,
Zeiger und Geräte überwachen den Brauvorgang. Die kniehohen Ziegelsteinummauerungen
fügen sich harmonisch in die Gaststätte ein.
Hefetrüb, schmeckt das „Siegburger“ süffig, nicht zu
herb. In einem langen Schluck läuft es meinen Gaumen herunter. Das andere
Hausbier, das sich „Michel“ nennt, ist obergärig gebraut. Dort wird es
knifflig, weil dieses nach dem Brauverfahren der Kölsch-Biere gebraut worden
ist. 1985 hatten sich die Kölner Brauereien zusammengetan, dass sich nur
diejenigen Biere „Kölsch“ nennen dürfen, die im Kölner Stadtgebiet gebraut
worden sind. Das besagt die Kölsch-Konvention aus dem Jahr 1985, wonach Kölsch
als Marke zu betrachten ist aus einem geografisch geschützten Herkunftsgebiet.
Michel ist also dasselbe wie Kölsch, es darf sich aber nicht Kölsch nennen.
Es geht weiter, von der Sieg an die Agger, zum
letzten Brauhaus nach Troisdorf. Vor vier Jahren musste das Stadt-Bierhaus einer
Super-Baustelle weichen. Stadthalle samt Brauhaus wurden abgerissen, nun macht
sich dort ein Einkaufszentrum breit. Das Brauhaus wanderte auf die Ecke des benachbarten
Fischerplatzes, die Gaststube verkleinerte sich. Tische, Stühle und Stehtische
wenden sich nun zu dem Platz hin, den Künstler in den 1980er Jahren maßgeblich
mit ihren Skulpturen und Installationen geprägt haben.
Mit dem Umzug auf den Fischerplatz wurde die
Bierherstellung ausgelagert, und zwar nach Münster und nach Siegen. Die
Räumlichkeiten reichen nunmehr nicht mehr aus, um die Sudpfannen
unterzubringen. Selbst die aus Münster und Siegen angelieferten Fässer stapeln
sich im Keller bis unter die Decke.
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Brauhaus Troisdorf |
In Troisdorf ist die Brautradition den hiesigen
Biersorten indes treu geblieben, was sich dann in der gemeinsamen Vorsilbe „Tro“
äußert. Diese umfassen die Biersorten Troilsch, Tro-Pi und Troisdorfer. Ich
trinke ein Troisdorfer Pilsener, dessen Flüssigkeit hell und klar in dem
Bierkrug schillert, so wie bei den im Sauerland oder in der Eifel gebrauten Biersorten.
In der Tat: vom Geschmack her ist das Bitburger nicht weit entfernt. Das liegt
an den Bitterstoffen, das erklärt mir der Brauereibesitzer Manfred Hausmann.
Dem Bier werden Hopfenextrakte mit Bitterstoffen hinzugefügt, was
beispielsweise für die Eifeler Biersorten wie Bitburger typisch ist. Wie dem
auch sei, mir schmecken die herben Biersorten besonders – außer Bitburger trinke
ich zum Beispiel gerne Jever oder Flensburger.
Also auch Troisdorfer. Ich umfasse den Henkel des
Bierkruges. Die Zeit vergeht im Handumdrehen. Das Bier läuft meine Kehle
hinunter, macht meinen Kopf frei und spült alles unnütze Beiwerk des Alltags
hinunter. Brautraditionen können inspirieren. So wie im Mittelalter, als Bier
zu den Grundnahrungsmitteln zählte.