Donnerstag, 18. September 2014

mit dem Rennrad über das Ahrgebirge nach Altenahr

Kaiser-Wilhelm-Eiche
Ja, das war der Kaiser, der in jenen schicksalsschweren Tagen des Jahres 1914 vom Balkon des Berliner Schlosses seinem Volk zuwinkte. Und als er am 1. August 1914 um 18.30 Uhr die Generalmobilmachung bekanntgab, kannte er in einer flammenden Rede keine Pareteien mehr, sondern nur noch Deutsche. Die Massen jubelten ihm auf seine Worte zu, dass alle wie Brüder zusammenstehen sollten und Gott dem deutschen Volke zum Sieg verhelfen würde.

Es mag zu den Irrungen und Wirrungen der Geschichte gehören, dass dieser Kaiser Wilhelm, in der Familiendynastie der Zweite, beziehungsweise König Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen, es von Berlin an den Rhein verschlagen hatte. Vier Semester hatte er nach seinem Abitur an der Bonner Universität studiert, dabei war die Vielfalt der Vorlesungen enorm:  Staats- und Völkerrecht, Nationalökonomie, Philosophie, Kunstgeschichte, Germanistik, Archäologie, Geschichte, Physik, Chemie. Das war das, was er glaubte zu brauchen, um später sein Volk zu regieren. Wenn er seine Freizeit nicht gerade in der Burschenschaft der Bonner Borussen verbrachte, ging er gerne der Jagd im Kottenforst nach. Bereits als Student dachte Kaiser Wilhelm in den Symbolen des Deutschen Reiches. So kam es dazu, dass er 1879 eigenhändig in den Jagdrevieren des Kottenforstes eine Eiche pflanzte.

Den Rhein entlang bewege ich mich aus Bonn heraus, in Bad Godesberg halte ich mich an der Godesburg, an der Ampel unterhalb biege ich nach rechts ab. Hartnäckig stößt die Straße den Berg hinauf, vollzieht Kurven durch das Wohngebiet, mal links, mal rechts. Dort, wo die Straße rechts nach Schweinheim abbiegt, fahre ich geradeaus, wo der Anstieg andauert und in das geschlossene Waldgebiet des Kottenforstes übergeht. Ich folge dem Teerweg, der nach einem Kilometer hinter dem Schild „Ringwall Venne“ nach links abbiegt. Schier endlose Kilometer fahre ich durch Laubwald, durchsetzt mit einzelnen Fichten. Vier bis fünf Kilometer dauert die Fahrt durch den Wald, dabei ignoriere ich kreuzende Seitenstraßen. Hinter dem gelb gestrichenen Gärtnerhäuschen, das vom ehemaligen Schloss Herzogsfreude noch übrig geblieben ist, steht dann linkerhand die Kaiser-Wilhelm-Eiche.

Blick auf die Tomburg
Nach zweihundert Metern biege ich links ab auf die Hauptstraße, die ein eigener Radweg begleitet. Es geht über eine Autobahn und eine Umgehungsstraße hinweg. Das letzte Stück bis Meckenheim hört der Radweg auf der linken Straßenseite auf, so dass ich mir die Fahrbahn mit dem Autoverkehr teilen muss. Durch Meckenheim wurstele ich mich geradeaus durch, auch hier beginnt ein Radweg, hört dann aber plötzlich wieder auf. An der nächsten Ampel links, halte ich mich konsequent in Richtung Altenahr und Gelsdorf, über einen Kreisverkehr, eine innerstädtische Umgehungsstraße mit der einen oder anderen Verkehrsampel, am nächsten Kreisverkehr fahre ich rechts, dann verlasse ich die Hauptstraße und biege nach rechts ab in Richtung Altendorf. Dort läßt der Verkehr nach und vor mir baut sich die Mittelgebirgskulisse der Eifel auf mit dem Fixpunkt der Tomburg, dessen Stumpf aus dem bewaldeten Bergkegel herausragt.

Ich überquere die Autobahn A61, passiere geradeaus über die Kreuzung Altendorf, wo ich die Wasserburg und einige schmucke Fachwerkhäuser bestaune. Hinter Altendorf plätschert der Anstieg über mehrere Kilometer dahin, Obstgehölze klettern die Hänge hoch, der Blick ist frei nach vorne, in krummen Linien stößt die Straße in den Wald hinein. Dichtes Laub spannt sich über die Straße, dann ist er mit einem Mal da, der Anstieg auf die Eifelhöhen. Ich schalte zurück, in den dritt- oder viertkleinsten Gang, arbeite mich hoch, gleichmäßig, zäh, sogar ohne Anzeichen von Erschöpfung. Und dann kommt er von hinten. Mit der Solidargemeinschaft der Rennradfahrer fühle ich mich verbunden. Wie ich, mit Helm, Rennradshirt, Fahrradhose und einer Rennmaschine, die sich stürmisch von hinten nähert. Er läßt mich regelrecht stehen, so schnell ist er. Jung, dynamisch, sprudelt er vor Energie. Umgekehrt erkenne ich, dass ich Potenzial nach oben habe. Das läßt mich kalt. Ich bin zufrieden mit mir selbst, ich atme gleichmäßig, und freundlich winkt mir der Rennradfahrer zu.

In Hilberath bin ich in der Mittelgebirgslandschaft der Eifel angekommen. Hilberath ist ein Außenposten der Stadt Rheinbach, der Ort erscheint 1274 den Güterverzeichnissen des Kölner Erzbischofs. Hühner, Schwine, Kühe wurden darin aufgezählt, genauso Weizen, Roggen und Hülsenfrüchte, und davon berechnete die Kirche den Zehnten, der dann abzuliefern war.

Dass die Höhen der Eifel besiedelt worden sind, ändert sich schlagartig, nachdem ich die Landesgrenze von NRW nach Rheinland-Pfalz überschritten habe. Hinter Hilberath biege ich nach rechts ab, vor Todenfeld nach links. In Berg, dem nächsten Ort, der zur Gemeinde Altenahr gehört, habe ich die Landesgrenze nach Rheinland-Pfalz überschritten.

Nun radele ich auf einer Hochfläche, wo sich in der Ferne Seitentäler tief in die Hochfäche hineingraben. Alte Besiedlungsspuren hören auf. Ripuaren, Römer, Franken, Karolinger, Ottonen, das Klima war für alle Volksstämme zu ungünstig. Die Winter waren kalt und dauerten lange, die Sommer waren kühl und naß, die Vegetatiponsperiode war kurz, Ackerbau und Viehzucht reichten zum Überleben nicht. Im 17. Jahrhundert zählte man 50 größere und kleiner Höfe, die Ortschaften rund um Berg gab es damals noch nicht, sondern diese gehörten zur „Herrlichkeit Vischel“. 893 erwähnen die Güterverzeichnisse der Abtei Prüm einen Ort namens „Wizssele“, der mitsamt einer Burg aus dem 13. Jahrhundert in demselben Tal liegt.





von oben nach unten:
Blick auf das Ahrgebirge, Anstieg hinter Freisheim, Sonnenblumenfelder,
Hochthürmer-Berg, Wiese mit Habichtskraut
In Berg biege ich nicht nach links in das Tal der Vischel ab, wo auch die Burg zu finden ist, sondern ich fahre nach rechts durch den Ort, und erst, nachdem ich das Ortsausgangsschild passiert habe, fällt die Straße steil in das Vischeltal ab. Anschließend kraxele ich den Berg wieder hoch und im nächsten Ort, Freisheim, bin ich wieder auf der Hochfläche des Ahrgebirges angekommen.

Als die Preußen nach dem Wiener Kongreß 1815 das Rheinland beerbten, stellten sie fest, dass dieses Stück Mittelgebirge regelrecht zivilisiert werden musste. Das Wohlstandsgefälle zum übrigen Rheinland war gigantisch. Die Landwirtschaft war zurückgeblieben, harte Arbeit auf kargen Feldern brachte kaum Erträge, es fehlte an Futter, um Ochsen und Kühe zu ernähren. Dazu kamen Mißernten und Hungersnöte. 1853 berichtete eine Landtagskommission über die Verhältnisse in der Eifel: „Das Klima in der Eifel ist im allgemeinen kalt und auf den öden und steinigen Höhen unwirtlich und rauh, so dass dieselben sehr oft im Jahre einen schauerlichen Charakter tragen.“ Die Eifel war eine Problemzone des Preußischen Staates, so waren 1852 nur 10% der Gestellungspflichtigen waren für den Wehrdienst geeignet. 1883 wurde ein Eifelfonds gegründet, um das Armutsgefälle zu dämpfen. 5,5 Millionen Mark stellte der Staat zur Verfügung zur Notstandsbekämpfung und zur Ödlandaufforstung.

Dieses Stück Eifel bietet derweil überhaupt keinen schauerlichen Eindruck, im Gegenteil. An landschaftlicher Schönheit ist diese abgelegene Rennradstrecke jedenfalls kaum zu überbieten. Nach und nach stelle ich fest, dass ich auf einem Geheimtipp für Biker unterwegs bin. Die Straße will einfach nicht abfallen, sondern sie findet immer noch einen Tick, um kräftig anzusteigen. Wie abwechslungsreich die Hochebene auf dem Ahrgebirge ist, fasziniert mich. Waldstücke wechseln mit Wiesen ab, der Duft von frisch gemähtem Gras steigt in meine Nase. Sonnenblumen beeindrucken mit ihrem prächtigen Gelb, runde Kugeln von Baumkronen zeichnen scharfe Umrisse gegen das Gewölk am Himmel.

Café "Alte Krähe" in Krälingen
Wiederholt begegnen mir Rennradfahrer, die sich in Gruppen zusammengetan haben und es bergab locker angehen lassen. Hinzu kommen noch Gruppen und Grüppchen von Motorradfahrern. Ihre Maschinen heulen auf und mächtig schmeißen sie sich in die Kurven hinein.

Als der Hochthürmen-Berg, mit 500 Metern die höchste Erhebung in der Umgebung, in Sichtweite rückt, ist der Bergkamm erreicht und es geht nur noch abwärts. Kurz darauf, fallen Wiesen schräg herab in Täler und Seitentäler. Das Habichtskraut wuchert, bildet gelb-gesprenkelte Blütenteppiche, zu denen sich der Klee mit seinen lilanen Blüten gesellt.

Ich vereinige meine Leidenschaft für Rennrad mit der nächsten Gruppe, die diesmal angestrengt vor sich hertritt, ohne mich zu bemerken. Im nächsten Ort, Krälingen, ist eine Krähe eine Art von Leitmotiv. Alle paar hundert Meter pflanzen sich Schilder mit einer Krähe an den Straßenrand, sie wachsen zu einer wahren Kräheninvasion, die mehr zu einer Plage wird, bis ich auf der weißverputzten Fassade eines Fachwerkbaus die wahre Bedeutung der Krähe erfahre: ganz harmlos, die Krähe ist ein Café, die Werbung finde ich gelungen. Schade, dass ich hier noch keine Pause machen möchte, denn der Innenhof lädt zum Verweilen ein. Die beiden Scheunen und die Hofanlage stammen aus dem 19. Jahrhundert, im Jahr 2012 wurde alles zu einem Café umgebaut.

Die sechs Serpentinen ins Sahrbachtal sind eine der Höhepunkte dieser mitreißenden Landschaft. Die Haarnadelkurven drehen sich so sehr, dass mir beinahe schwindlig wird. Ich staune nicht schlecht, dass nicht nur Rennradfahrer, sondern auch ein Einzelfahrer sich an diesen krassen Anstieg auf einem stinknormalen Tourenrad heran wagt.

Im Tal angekommen, hat der Charakter der Landschaft rasant gewechselt. Ich spüre, wie tief sich der Sahrbach hinein geschnitten hat. An der einen Talseite ragen Felswände senkrecht in die Höhe, auf der anderen Seite steigen Tannen wie an einer Wand empor, dazwischen quetscht sich der Sahrbach durch sattgrüne Wiesen hindurch.

Burg Kreuzberg
In einigen Kilometern erreiche ich Kreuzberg, dessen Burg sich auf einem steilen Felsen erhebt, unübersehbar. Von  der Ahr trennen mich nur wenige Meter, und in der Ahr und dem Ahrtal liegt auch der Ursprung der Burg mit dem weißen Bergfried: im 14. Jahrhundert erlaubte der Erzbischof von Köln dem Ritter Cuno von Vischnich den Bau einer Höhenburg, die an der Ahr bei „Cruceberg“ Feinde fernhalten sollte. Dies im Duett mit der Burg Altenahr, die zwei Jahrhunderte vorher erbaut wurde und zwei Kilometer entfernt liegt. Allzu viel sollte es aber nicht nutzen. Nicht nur im Dreißigjährigen Krieg, auch in den Raubzügen Ludwigs XIV. sollten die Burgen niedergerannt und niedergebrannt werden. 1686 sprengten französische Truppen die Burg Kreuzberg, 1760 wurde die Burg wieder aufgebaut, aber nicht zur Verteidigung, sondern zum Wohnen für eine privilegierte Schicht.

Ich bin sensibilisiert, als Unkraut sich hoch rankt und das Radwegschild über dem Geländer überwuchert. Das Radwegschild verspricht 2,8 Kilometer bis Altenahr, ich biege nach links ab, dann nach rechts über den Vischelbach, Dabei lerne ich, dass sich hier drei Flüsse begegnen, die Vischel, die ich bereits bei Berg kennengelernt hatte, der Sahrbach, über den sich die Burg Kreuzberg erhoben hatte, und die Ahr. Der Vischelbach plätschert gemächlich vor sich hin, grobe Steine schlagen Wellen in dem schmalen Flußbett. Den Autoverkehr schiebe ich beiseite, ungestört, und der Radweg bahnt sich seinen Weg mitten durchs Gras.  Ich unterquere die Eisenbahnbrücke über die Ahr, ein massiv aus dicken Steinklötzen gemauertes Brückenbauwerk.

Der Radweg ist schmal, teilweise rolle ich über unbequemes Verbundpflaster, mit Mühe passen zwei Fahrräder nebeneinander, so dass ich bei entgegenkommenden Radfahrern aufpassen muss. Dazu kommen Fußgänger, so dass es hier am Wochenende drunter und drüber gehen könnte, unweigerlich. Ich komme an einem Campingplatz vorbei, und dann holen mich sogar Kindheitserinnerungen wieder ein. Die Seilbahn. Leer und verlassen gammeln Träger und Stahlseile vor sich hin. Gondeln stehen auf dem Abstellgleis, die Rolläden des Fahrgeschäftes sind heruntergelassen, der Fahrbetrieb wurde längst eingestellt, das war vor 3 Jahren. Meine Eltern hatten mit uns als Kindern regelmäßig Tagesausflüge in die Eifel gemacht, darunter war auch Altenahr, und in Altenahr sind wir mit dieser Seilbahn gefahren. Ich erinnere mich an diesen fulminanten Blick von der Bergstation aus zwischen Weinbergen und in das tief eingesägte Ahrtal hinein.

Hinweisschild zum Radweg
Ich nähere mich Altenahr von der falschen Seite, denn nun biege ich links ab auf die B257 mitten in den Trubel und Ausflugstourimus hinein. Um diese Tageszeit läßt sich das Menschengewühl ertragen, wenngleich mich die Aneinanderreihung von Tanzlokalen, Hotels, Weinkellern und Andenkenläden  nicht gerade anzieht. Das ist schade für Altenahr, denn es gibt genauso sehr viele schöne und anziehende Seiten ohne Menschengewühl.

Kreuzberg und Altenahr markieren Wendepunkte. Dass der Tourismus sich ins Ahrtal ausdehnte, dauerte eine Weile. Ab 1800 bereisten Herren und Frauen aus aller Herren Länder den Rhein, um Burgen zu bestaunen und sich von den Geheimnissen des Stroms inspirieren zu lassen. Dichter, Denker, Intellektuelle, Künstler, Staatsmänner und Abenteurer aller Art ließen sich anstecken von der Romantik und der Poesie des Flusses. Doch die Dampfer auf dem Rhein konnten keinen Abstecher an die Ahr machen.

Wer die Ahr kennenlernen wollte, der musste auf seinen eigenen Füßen, also wandernd durch Landschaft und Natur voran schreiten, da auf dem Verkehrswege noch nichts erschlossen war. Eine der ersten dieser Zeit, der das Ahrtal erwanderte, war Gottfried Kinkel.  Kinkel hatte Theologie studiert, er war Professor für Literatur und Kunstgeschichte an der Universität Bonn, seit seiner Jugend hing viel Leidenschaft an den Menschen im Ahrtal. 1846 schrieb er das Buch  „Die Ahr — Landschaft, Geschichte und Volksleben", das bis heute ein Grundwerk zu Kunst und Geschichte an der Ahr darstellt. Das Ahrtal, das er seit seiner Jugend aus seiner Westentasche kannte, äußerte er in tief bewegten Zeilen: „Kein Gewitter entlädt sich über dem westlichen Deutschland , das nicht wenigstens mit einem Blitze die Felsgeschiebe des Ahrtals beleuchtet hätte".

In den Zeiten eines Gottfried Kinkel endete gewöhnlich die Reise in Kreuzberg. Der Weinanbau endete, Gasthäuser zum Übernachten fehlten, die Wege waren in einem erbärmlichen Zustand. Gottfried Kinkel schrieb über Kreuzberg: „Bei Kreuzberg hören die eigentlich malerischen Partien auf. Das Flüßchen wird kleiner und kleiner, bis es zuletzt als schmaler Wiesenbach an seine Quelle sich anknüpft. Luft, Gegend, Menschen und Straßen werden rauher, das Schiefergestein verschwindet.“

Dies änderte sich grundlegend, als 1886 die Eisenbahn nach Altenahr kam. Von nun an konnte sich eine Art von Ausflugstourismus etablieren, wie wir ihn heute kennen. Spätestens mit dem ersten Weinfest gedieh der Tourismus prächtig. Das war 1933, als Altenahr als „Ahrtirol“ bezeichnet wurde. Ein historischer Umzug des Grafen Theoderich von Are – der war von 1100 bis 1126 der erste Graf in Altenahr -  mit Gemahlin und Gefolge krönte das Weinfest, anschließend wurde getanzt und getrunken in den weltberühmten Gasthöfen und Herbergen von „Ahrtirol“. 13 Uhr historischer Umzug und 16 Uhr Tanz, das weibliche Geschlecht an der Ahr muss hinreißend gewesen sein, das prophezeihte das Plakat des I. Winzerinnen-Volksfestes vom 7. bis 10. Oktober 1933:
„Frauen der Ahr, wie ihr Spiegel so blank,
feurig bezwingend doch auch wie ihr Trank,
lauter die Seele bis tief auf den Grund,
liebreich dabei mit Herz und mit Mund.“

Durchgangsstraße in Altenahr (oben auf dem Berg: Burg Altenahr)
Dass Altenahr bestens auf Weinfeste vorbereitet ist, und das im Dauerzustand, läßt sich im Straßenbild nicht leugnen. Es geht aber auch gepflegter. Ein Glas Spätburgunder mit Zwiebelkuchen kann man hier an jeder Ecke trinken, auch Weißwein, denn Riesling oder Müller-Thurgau haben sich genauso in diese sehr nördliche Weinbauregion verbreitet. Und alle Ecken locken natürlich um diese Jahreszeit mit Federroten oder Federweißen. Indes schaue von der Hauptstraße aus auf die Burgruine auf dem 240 Meter hohen Felsen, dessen Schicksal sich wenig unterschied von der Burg Kreuzberg, nämlich Zerstörung durch französische Truppen im 17. Jahrhundert, danach aber kein Wiederaufbau. Hätte ich aus der anderen Richtung Altenahr erreicht, hätte ich einen Panorama-Blick der Burgruine über der Ahr genießen können, ich wäre in einer Schleife der Ahr gefolgt und durch einen Tunnel wäre ich mitten in das Herz von Altenahr gelangt.

Nun vereinige ich beide Blickwinkel und mache nach all den Kilometern und Steigungen über das Ahrgebirge Pause. Unterhalb der Burgruine, an der Gabelung der Bundesstraßen 266 und 267, hocke ich mich draußen hin an dem Hotel-Restaurant-Café. Wein löscht nicht ausreichend meinen Durst, so dass ich zwei große Gläser Bitburger trinke. Sie wecken meine Lebensgeister wieder auf, und ich registriere, dass ich nicht alleine CO2-frei auf zwei Rädern unterwegs bin.

Nach der Pause ist die Strecke aus Altenahr heraus eine Herausforderung. Meinen Körper habe ich noch nicht auf Betriebstemperatur hoch gefahren, da kommt er bereits, der wilde Anstieg. 180 Höhenmeter sind aus Altenahr heraus über die B257 zu bewältigen. Als ich mich auf den wilden Anstieg eingestellt habe und hoch trotte, kommt mit dem Ende der Umgehungsstraße die nächste Herausforderung: Autoverkehr. Wie aus einem Nest schwirren PKWs und LKWs um mich herum, die B257 ist an diesem Nadelöhr Durchlauferhitzer von der Umgehungsstraße um Altenahr herum zum Autobahnkreuz Meckenheim, und ich bin froh, als ich die Kalenborner Höhe erreicht habe. Nun geht es munter bergab mit einem Weitblick in die Ebene hinein, auf das Siebengebirge und den Kottenforst, dann kommt ein vorübergehender Anstieg, bis es abermals, nachdem ich von der B257 nach rechts auf eine ruhige Nebenstraße abgebogen bin, munter bergab geht, nach Gelsdorf, dort immer geradeaus und zurück nach Meckenheim, von wo aus ich gekommen bin.

Ich habe mich stets schwer getan, an der hoffnungslos zugebauten Stadt Meckenheim etwas besonderes zu entdecken. Im Zentrum stoße ich auf typische Strukturen. Irgendwo wird immer gebaut. Baustelle, die Straße wird aufgerissen. Hinter der Kirche muss ich nach rechts abbiegen, die Umleitung führt durch ein Wohngebiet, dann nach links, bis ich auf die Straße zurückgelange, auf der ich gekommen bin.

Dieselbe Strecke fahre ich nach Bonn zurück. Hinter der Autobahnbrücke verlasse ich die Hauptstraße nach rechts und tauche in die Ruhe des Kottenforstes ein.

Strecke (85 Kilometer):


Höhenprofil:


9 Kommentare:

  1. Hallo Dieter,
    ein wunderbarer Bericht mit Geschichte und allem was dazugehört. Bin wirklich begeistert und das Höhenprofil.
    Hervorragend.
    Ich hoffe, dass ich auch mal wieder einen Bericht liefern kann, von dem was ich so radle, das lohnt nicht.

    Mit lieben Grüßen
    Mehr, Mehr
    Eva

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  2. Lieber Dieter, wieder einmal hast du mich mitgenommen in eine Gegend, mit der ich sehr vertraut bin und mit der ich viele schöne ( und auch ein bisschen traurige ) Erinnerungen verbinde. Schließlich haben Teile der Familie K. dort lange gelebt und viele schöne Tage, sommers wie winters, dort verbracht, auf der Tomburg gefeiert, Weihnachtsbäume geschlagen....
    Ich bewundere deine Kraft und Ausdauer bei der Bewältigung der Strecke!
    Liebe Grüße
    Astrid

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  3. Hallo Dieter, auch dieser Bericht weckt Erinnerungen bei mir ( wie Dein toller Beitrag von Eitorf).
    Aber auch auf der linken Rheinseite kenne ich mich aus. Ich habe 11 Jahre lang in Kalenborn gewohnt, Du erwähnst zwar nur am Schluss die Kalenborner Höhe, aber selbstverständlich kenne ich alle die kleinen Orte drumherum, in Hilberath sind wir zur Kirche gegangen (gefahren) und mein Sohn heute 26 Jahre, ist dort im Spielkreis gewesen, als dreijäriger... mein Mann hat Fußball gespielt in Kalenborn und ich lernte die ganzen Eifeldörfer kennen, besonders die "Krälinger" hatten eine starke Mannschaft...
    Nur die Kaiser-Wilhelm-Eiche kannte ich noch nicht...
    LG Marita

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  4. Als ich das Datum 1. August 1914 las, dachte ich gleich an meinen Vater. Er wurde kurz darauf, am 2. Oktober 1914, geboren. Durch den Krieg hat er seinen Vater nie kennen gelernt, denn er fiel ihm zum Opfer. Gerade jetzt frage ich mich, ob er seinen Sohn überhaupt noch gesehen hat. Schade, ich habe das meinen Vater nie gefragt. Das sind in diesen Tagen 100 Jahre - eine wirklich lange Zeit. Danke für deinen hervorragenden Bericht, den du mit tollen Fotos untermalt hast! LG Martina

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  5. Schön wie du Geschichte und Radfahren miteinander verbindest.

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  6. ich finde es immer wieder interessant wie genau du die gefahrene Strecke beschreibst - und dann auch die eingebauten Informationen über die Geschichte - über Land und Leute.
    Es ist immer ein Erlebnis bei dir zu lesen.

    Ich wünsche dir und deinen Lieben ein schönes Wochenende. Herzliche Grüße von Heidi-Trollspecht

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  7. Hier hast du aber wirklich eine große Strecke absolviert und mir gefallen deine Berichte, in denen du die Landschaft beschreibst, was du rechts und links des Weges findest und auch die geschichtlichen Hintergründe von Dörfern, Bauten, Menschen kommen nicht zu kurz. War wieder interessant, bei dir zu lesen.
    Bin momentan ein wenig knapp in der Zeit.

    Liebe Grüße und dir ein schönes Wochenende
    Christa

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  8. Hallo Dieter,
    bist Du an diesem Tag die Strecke eigentlich zum ersten Mal gefahren? Was mich auch interessiert, nach welchen Kriterien suchst Du Dir die Strecken aus? Auch diesmal wieder im wahrsten Sinn eine abgerundete Sache.

    Viele Grüße
    Beate

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  9. Hallo Dieter, nice place in your post.

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