das Siebengebirge von Oberholtorf aus |
Bin ich ein Dickschädel ? Bei manchen Rennradtouren
ignoriere ich schlichtweg den Wetterbericht. Dieser hatte Schauer und Gewitter
in ganz NRW gemeldet. Und in die drohende Nässe fiel mein Zeitfenster, das ich
für diese Rennradtour freigehalten hatte. Also Augen zu und durch. Bewusst
kalkuliere ich ein, dass die Wetterfrösche Unrecht haben. Wolken marschierten
auf, packten sich zu einer grauen undefinierbaren Masse zusammen, doch noch
überwog das azure Himmelsblau.
Alter Zoll, über die Kennedybrücke, den Rhein
entlang bis zur Konrad-Adenauer-Brücke, von dort aus zurück auf die Straße am
Landgrabenweg, über die Brücke über die Bahnlinie hinweg, nächster Kreisverkehr
geradeaus in Richtung Bonn-Oberholtorf.
Ich fahre unter die Autobahnbrücke der A562 hindurch, danach steigt die
Straße steil an, flacht ab, um dann erneut mit satten 10% Steigung in die Ausläufer
des Siebengebirges anzusteigen. Das ist kurz und knackig, während dichter Wald
ein schützendes Dach über die Straße spannt. Am Ende der Linkskurve biege ich
rechts nach Oberholtorf ab, nach zweihundert Metern wieder rechts. Dort hat der
Radweg die sinnstiftende Wegebezeichnung „Am Waldrand“.
Bauernhof am Straßenrand |
Auf der Höhe, bin ich in der Einsamkeit des Radfahrerlebnisses
angelangt. In Stadtrandlage, stehen linkerhand Einfamilienhäuser in bester
Wohnlage. Ein Stück weiter, wechselt die Wohnbebauung in Felder, und ein erster
Weitblick auf das Siebengebirge beeindruckt. Ruhig und abgeschottet, umkurvt
eine Stichstraße einen Bauernhof. Dann muss ich aufpassen, denn ich darf nicht
der Fahrradbeschilderung folgen. Sie weist nach rechts, ich muss aber einmal um
das Gehöft ganz links herum drehen.
Mitten in den Feldern angekommen, beeindruckt das
Siebengebirge mit seinem vollen Blickfeld. Wie viele Berge sind es ? Ich zähle
fünf und nicht sieben. Die Bezeichnung führt in die Irre. Das Panorama von der
Rheinaue aus vor Augen, käme ich auf sieben Berge: Ölberg, Weilberg, Nonnenstromberg,
Petersberg, Löwenburg, Drachenfels. Aber ich weiß, dass es mehr sind. Zumindest,
wenn ich die sportliche Betätigung auf das Wandern wechseln würde, dann kämen
noch der Lohrberg, der Stenzelberg oder die Wolkenburg dazu. Insgesamt würden
sich die Berge auf rund vierzig aufsummieren. Ist die Sieben also Makulatur ?
Ich radele weiter, der lebhafte Wind knickt die
Ähren auf den Getreidefeldern beiseite. Im Rücken, pustet er mich vorwärts. Glaubt
man dem Willen des Volkes, könnte es mit der beschaulichen Ruhe im Anblick von
fünf Bergen an dieser Stelle allerdings bald vorbei sein. Der Autoverkehr
knubbelt sich im Rheintal und quält sich quer durch das Siebengebirge zur
Autobahn A3 in Richtung Frankfurt. Genau hier könnte die Idylle gestört werden,
wenn sie denn gebaut würde, die sogenannte Südtangente, als Verlängerung der
Autobahn A562. Doch die Naturschutzverbände kämpfen, glücklicherweise. Ich steuere
durch Vinxel, vorbei an der Kapelle, dann geht es schnurstracks hinab nach
Stieldorf.
An der Ampel biege ich nach rechts ab. Mit Schwung
geht das Gelände bergauf und –ab, bis mich hinter der Talsohle ein knackiger
Anstieg erwartet. Dieser läßt mein Herz höher schlagen, denn dieser sticht
hinein in die Bergwelt des Siebengebirges. „Septem montes“ – so beschrieb
Bernhard Moller 1571 das Siebengebirge, was vielleicht etwas geklaut klang von
den sieben Hügeln Roms. Und die sieben Hügel fügten sich fest, magisch, denn
die Sieben hatte Symbolkraft. Sieben Weltwunder, sieben christliche Sakramente,
sieben Todsünden, sieben Tugenden, und dann gab es noch dieses Schneewittchen
mit den sieben Zwergen hinter den sieben Bergen. Das ist die nächste Erklärung,
dass das Siebengebirge vor so viel Symbolik nicht widerstehen konnte.
Ölberg von Thomasberg aus |
Die Landstraße L83 trägt mich hinauf auf die Höhen des
Siebengebirges. Stieldorferhohn, ein Hofladen lockt mit tagesfrischen Erdbeeren
aus eigenem Anbau, dann kommt Thomasberg, das vorbei fliegt, ohne nennenswerte
Akzente. An der Querstraße biege ich rechts ab, nach einhundert Metern gleich
wieder links, dazwischen grüßt der Ölberg, der sehr wohl als höchste Erhebung
des Siebengebirges sein Zeichen setzt.
Nicht die sieben Berge und die sieben Zwerge, es
gibt da auch noch die Theorie von den sieben Riesen. Dazu müssen wir uns in die
Urzeiten zurück versetzen, als der Rhein noch nicht in seinem heutigen Bett
geflossen ist. Das Siebengebirge war eine Vulkanlandschaft, die nahtlos in die
Vulkaneifel überging. Vom Rhein gab es noch keine einzige Spur. Im
Rhein-Main-Gebiet staute sich der Rhein und alles Lebewesen ging im Wasser
unter. Die Landschaft stand unter Druck, und
sieben Riesen wurden aus
Holland gerufen, um das Binger Loch zu graben, damit der Rhein abfließen
konnte. Nach getaner Arbeit rasteten sie auf dem Heimweg nach Holland bei
Königswinter und stießen ihre Spaten in die Erde. Als sie weiterzogen, blieben
die Erdbrocken von den Spaten als sieben Berge zurück. Das ist die Sage von den
sieben Riesen.
Das klingt schön, und
hinter Thomasberg geht es mehr rauf als runter. Der Himmel zieht sich zu, es
tröpfelt, ich bange, dass es sich einregnet, doch dann reißen Wolkenlücken auf,
vergrößern sich und schieben die dunklen Wolkenpakete beiseite, als sei nichts
gewesen. Ich genieße dieses prickelnde Gefühl, von einer höheren Position auf
Berge und Täler des Westerwaldes hinunterschauen zu können. Der Ölberg, ich
radele am Fuße seines Gipfels, Kurven winden sich hoch, scharf rechts, dann
wieder links. Zwischen Tannenwald versteckt sich das Forsthaus Heisterbach, das
mich auf einer Hinweistafel mit einem stolzem Geweih grüßt.
In Ittenbach, dem nächsten Ort, ist der Ölberg sogar
zum Greifen nahe. Stolz schaue ich nach oben zu dem 460 Meter hohen Gipfel,
dessen Mobilfunkantenne auf seiner Spitze wie ein Fremdkörper aussieht. Der
Name des Ölbergs ist ganz weit weg, denn er hat nichts mit christlicher
Symbolik gemein, weder Bergpredigt, noch Christi Himmelfahrt.
8% Steigung vor Aegidienberg |
Das Siebengebirge war lange Zeit Grenzgebiet zwischen
der Herzögen von Berg und den Kölner Kurfürsten. Den Fuß des Ölberges markierte eine dieser
Grenzsteine. „Mael“ bedeutet auf mittelhochdeutsch „Grenze“,
und diese lag vor dem höchsten Berggipfel, also Mael-Berg. Aus A wurde O, aber
immer noch Moelberg. Dabei achte man auf die sprachlichen Feinheiten, dass „oe“
ein „o“ mit einem langen Dehnungslaut ist und kein „ö“. Als letzte sprachliche
Stufe fiel mit der Präposition „am“ das „m“ weg, also „Am Oelberg“. Wenn denn
der Wanderer im Siebengebirge unterwegs ist, wird er meist auf die Schreibweise
„Oelberg“ stoßen. Und nichts mit dem o und den zwei Pünktchen, so wie man es in
der Grundschule lernt.
Ich biege nach links ab, und ich erfahre in
Ittenbach mit der Blechlawine am eigenen Leib, wo die Kräfte wirken, die eine
Südtangente fordern. Auto wälzt sich an Auto, die Bürgervereinigung fordert
Verkehrsentlastung, und alles strebt zur nahen Autobahnauffahrt Siebengebirge
auf die A3. Das Verkehrschaos ist perfekt, denn ein Kreisverkehr wird gebaut.
Und damit nicht genug: am Kreisverkehr ein REWE-Markt, und die Baustelle sperrt
mit der einspurigen Führung den Straßenverkehr systematisch ab. Ich mogele mich
vorbei, biege mitten in der Baustelle nach rechts ab, bis der hektische
Baubetrieb nach 50 Metern abrupt endet und ich ungestört durch dichten
Mischwald talabwärts nach Aegidienberg hinunter rollen kann.
Es gibt noch eine weitere Worterklärung des
Siebengebirges, und die liegt in den Tälern. Still, lautlos und elegant schwebt mein Rennrad
immer tiefer die Straße hinab. Manche erklären das Siebengebirge mit dem
Wörtchen „Siefen“, das sind feuchte Bachläufe, die sich tief in die Nebentäler
eingegraben haben. Siefen bedeutet auch „tröpfeln“ oder „sickern“, andere
Erklärungsversuche bringen „Siefen“ mit dem Sieden von Seife in Verbindung, so
dass die Seifen-Sieder wegen ihres Gestanks ins „Siedengebirge“
hinausgeschmissen wurden. Doch nichts findet sich davon in alten Urkunden und
Karten. Alles ist genauso wahrscheinlich oder unwahrscheinlich wie die sieben
Riesen oder die magische Zahl sieben. Dass ich tiefe Nebentäler des Siebengebirges
durchquere, merke ich sehr bald, denn die nächste Steigung steht wie eine Wand
vor mir. Da heißt es abermals treten, mit viel Geduld, bis zum
Ortseingangsschild von Aegidienberg, wo ich auf der anderen Straßenseite meine
Fahrleistung bestaunen kann: 8% Steigung habe ich geschafft.
Siebengebirge von Aegidienberg aus |
Ich biege rechts ab auf die Hauptstraße, halte mich
Richtung Linz. Unmerklich hält der Anstieg an, bis ich am Kreisverkehr einen
letzten Blick auf den Ölberg werfe: auf dieser Tour umrunde ich das
Siebengebirge, nun sind es drei Gipfel. Meine Glücksmomente treiben mich
vorwärts, dieses wohl proportionierte Ganze, das 1923 zum Naturschutzgebiet
geworden ist, durchqueren zu können.
An der großen Ampel geht es links zur
Autobahnauffahrt A3, ich biege aber nach rechts ab nach Linz. Hinter dem
Ortsausgangsschild von Aegidienberg fällt die Straße sogar ab, ich rolle, lasse
meine Beine baumeln. Wiesen knicken über die Straße hinweg ins Tal hinunter.
Danach liegen Freude und Leid dicht beieinander, denn einerseits sendet mir das
Straßenschild von Rheinland-Pfalz einen herzlichen Willkommensgruß,
andererseits erreicht der Zustand der Landstraße ein beklagenswertes Niveau. Diese
ist übersät mit Schlaglöchern, anscheinend kümmert sich im Niemandsland
zwischen Rheinland-Pfalz und NRW kein Mensch um die Straßen, und das zwischen
Kolonnen von LKWs.
Meinen Blick
steif auf Löcher und Asphalt gerichtet, ist meine Konzentration gefordert. Die
Straße gabelt sich nach links, nach rechts, ich halte mich aber geradeaus, so
lange, bis ich Kalenborn erreiche. Diese Ortschaft wirkt etwas blaß, angegraut
bis zartgelb, in diesem Farbton sind die Gebäude der früheren Basalt-Lava-AG
gestrichen. Es ist interessant, was man aus Basalt alles herstellen kann:
Bordsteinkanten, Gehwegplatten, Pflastersteine, Fensterbänke, Schotter für
Eisenbahnen oder Straßen, kurzum: die Verwendungsmöglichkeiten scheinen
unbegrenzt.
Gelände der Basalt-Lava-AG in Kalenborn |
Vom Siebengebirge in den Westerwald: das
Siebengebirge drohte vor lauter Steinbrüchen zum Schweizer Käse zu werden, in
den 1920er Jahren schlugen Naturschutzaktivisten Alarm. 1930 wurde die
Gewinnung von Bodenschätzen verboten, die sich danach außerhalb des
Siebengebirges verlagerten. So nach Kalenborn. Bis 1966 verkehrten Güterzüge,
die den Basalt an den Rhein transportiert und dort auf Schiffe verluden. Heute
lebt die Basalt-Lava-AG von den Steinbrüchen, wobei touristische Schienenbusse
die Güterzüge abgelöst haben.
Dann geht es tief hinunter. Die Abfahrt ist sogar
unangenehm, denn ich muss abbremsen, weil das Gefälle zu steil ist. Der
Fernblick schweift auf die linke Rheinseite hinüber, bis zur Vulkaneifel bei
Maria Laach, bis der Blick rasch in den Tiefen des Tals verschwindet. Linz
nähert sich, und ein entgegenkommender Rennradfahrer grüßt. Ich habe Mitleid,
wünsche ihm viel Erfolg, denn er hat einige Strapazen vor sich. Wohlwollend
nickt er, hält den Daumen hoch unter seinem eierschalenfarbenen Fahrradhelm.
Ein wenig mitleidend, lasse ich es gemütlich angehen. Bis Linz plätschert die
Fahrt den Berg hinunter.
Ich erreiche Linz, passiere das Neutor, das den
Eingang zu einer bildhübschen Altstadt bietet. Die Stadtmauer ist zum Teil
erhalten, drei Stadttore, ein schönes Rathaus aus dem 16. Jahrhundert, eine
Burg in Rheinnähe, dazu Fachwerkromantik pur. Solche Idylle sind selten im
Rheinland, und dazu gehörte Glück, Zufall, Beständigkeit und auch ein Stück
wirtschaftliche Macht.
Die wichtigste Entscheidung wurde durch eine der
schillerndsten Frauen im Rheinland getroffen: das war Machthild von Sayn. Im 13.
Jahrhundert hatte der Papst Posten des Kölner Erzbischofs mit der Konkurrenz
aus der Grafschaft Sayn besetzt. Gleichzeitig heiratete Mechthild von Sayn den
Grafen Heinrich III. von Sayn, wodurch ein einheitliches Machtgebilde vom
Westerwald ins Bergische Land bis zum Rhein entstand. Ihr Ehemann starb früh,
sie regierte. Da kein Erbe aus ihrer Ehe hervorgegangen war, entschied sie sich
im Alter, in ein Kölner Kloster zu gehen und einige Teile ihres Reiches dem
Kölner Erzbistum zu schenken – so auch die Stadt Linz. Danach hielt die Verbindung
von Linz zum Erzbistum Köln – und das rund 550 Jahre lang, bis die Herzöge von
Nassau diesen Besitz am Rhein übernahmen.
Ich schiebe die Neustraße hinunter, staune über all
die Weisheiten und Sprüche, mit denen die Fachwerkbalken verziert sind. Es geht
über den Buttermarkt, auf dem, das ist keine Überraschung, die Bauern seit 1642
Butter, Käse und Eier verkauften. Dann erreiche ich den Marktplatz. Am anderen
Ende, mit Blick auf das Rathaus mit den rot-weißen Fensterläden, genehmige ich
mir eine Pause. „Dat raithuyss uff dem kirchoff“ wird erstmals 1486 in einer
Rechnung erwähnt, als dieses repariert worden war. Dass ich das Rathaus noch so
bestaunen kann, wie es nach seinem Umbau um 1700 ausgesehen hat, ist
hierzulande keine Selbstverständlichkeit. Vor allem der Zweite Weltkrieg hatte
Linz praktisch verschont, wenn man von ein paar Außenbereichen absieht. Das war
auch so, als der Krieg in den Märztagen des Jahres 1945 in seinen letzten
Atemzügen lag. Die Ludendorff-Brücke bei Remagen war noch intakt, die Alliierten
drangen nach Linz vor. Restgruppierungen von fanatischen Nationalsozialisten
begingen kollektiven Selbstmord, allen voran der Ortsgruppenführer Paul Hintze,
danach hißten die Linzer die weiße Fahne und übergaben kampflos ihre Stadt. So blieb die Altstadt nahezu unzerstört.
Jahrhundertelang war Linz eine Macht am Rhein – das
lag an der Festung, die schwer einzunehmen war, und auch am Zoll, die über
Jahrhunderte die Geschicke der Stadt bestimmte. Ich schiebe mein Rennrad weiter
die Rheinstraße hinunter und gelange zur Burg, die die Kölner Erzbischöfe
bereits 1365 gebaut hatten. Das Grauen des Mittelalters hat dort sogar
überlebt, denn man kann eine Folterkammer besichtigen.
Zoll, Stadttor und Burg liegen hier ganz dicht
beisammen, und in diesem stabilen Gefüge hielt die Verbundenheit mit den Kölner
Erzbischöfen 550 Jahre lang. Doch im 15. Jahrhundert geriet Linz mit seiner
Bündnistreue zwischen die Fronten. Die Kirche lebt nicht nur in den heutigen
Zeiten eines Tebartz-von Eltz in Saus und Braus, im Mittelalter war die
Verschwendungssucht der Kirche nicht anders. Die Kassen der Kölner Erzbischöfe waren
leer. Was tun, um die Kassen wieder aufzufüllen ? Die Kölner Erzbischöfe gingen
pragmatisch vor und pfändeten die Zollstellen in Bonn und Zons, was die
betroffenen Städte natürlich in Aufruhr versetzte. Linz verschonten die Erzbischöfe,
da es ohnehin Überlegungen gab, den Linzer Zoll nach Andernach zu verlegen.
Daraufhin riefen Bonn und Zons Hilfe herbei, das waren die Herzöge aus Hessen
und dem fernen Burgund. Sie wollten verhandeln, doch die Erzbischöfe blieben
fern, und dann schickten sie ihre Truppen, um für Ordnung zu sorgen. Die
Zollstellen in Bonn und Zons wurden befreit, und die Truppen besetzten alles,
was den Kölner Erzbischöfen die Treue hielt. So auch Linz. Mit der Festung war
Linz aber eine Macht, so dass die Eroberung mißlang. Doch die Heerführer aus
Hessen und dem fernen Burgund ließen nicht locker. Sie belagerten Linz. Drei
Monate lang dauerte die Belagerung bis zum März 1475, bis die Stadt
kapitulierte. Doch wie so oft in der Stadtgeschichte, kam Linz mit einem blauen
Auge davon – dank des Verhandlungsgeschicks der Kölner Erzbischöfe und dank der
Zollstation. Damit die hessischen Truppen verschwanden, mussten viertausend
Goldgulden gezahlt werden. Diese Schulden konnten aus den Zolleinnahmen
beglichen werden. So pfändeten Heinrich von Nassau und Philipp von
Katzenellnbogen zwei Jahre lang die Zolleinnahmen, danach war Linz wieder eine
freie Stadt, es gehörte zum Kurfürstentum Köln und behielt seinen Zoll.
Linz; Marktplatz unten und oben links Neutor oben rechts |
Die Überlegungen, den Linzer Zoll nach Andernach zu
verlegen, haben sogar Eingang in die Welt der Backwaren gefunden. Nach der
Bäckerjungensage von 1474 planten die Bürger von Linz einen Angriff auf Andernach,
um die Verlegung des Zolls zu verhindern. Davor waren Bürger aus Andernach gewarnt
worden, und nun lauerten sie den Bürgern von Linz auf. Es kam zu Handgreiflichkeiten
zwischen Andernachern und Linzer Bürgern. Als sich beide Parteien prügelten,
gelang es den Andernachern Bürgern, Bienennester aus der Stadtmauer heraus zu
reißen und damit die Linzer Bürger zu bewerfen. Die Bienen verrichteten ganze
Arbeit, sie stachen die Linzer und trieben sie in die Flucht. Zur Feier backten
die Andernacher Bürger einen besonderen Kuchen – der Bienenstich genannt wurde.
Wenn man der Legende glaubt, ist 1474 das Rezept des Bienenstichs entstanden.
Ich verlasse Linz, vorbei an der Burg, ich folge den
Fahrradsymbolen. Ich fahre parallel zur Bahnlinie, ungestört, ich blicke hinauf
zur Burg Ockenfels, die gemeinsam mit der Burg Rennenberg und der Burg Linz
einen halbkreisförmigen Festungsring um die Stadt gelegt hatte, so dass diese
fast uneinnehmbar war. Dies festigte die Treue zu den Kölner Kurfürsten. Selbst
im 30-jährigen Krieg war das Bollwerk von Linz die letzte Bastion im Rheinland,
der die Eroberung durch schwedische Truppen gelang.
Linz war nie eine Römerstadt. Zehn Kilometer südlich
von Linz schotteten sich die Römer mit dem Limes ab. Sie bauten keine Lager,
geschweige denn, Städte, doch sie nutzten die Steinbrüche, beginnend bei Linz,
bis zum Siebengebirge. Das war bequem, direkt an der Schiffsstraße des Rheins
gelegen. Bonn, allen voran Köln, sind aus den vorgelagerten Steinbrüchen
entstanden.
romanische Kirche in Erpel |
Ab Linz genieße ich die Fahrt über eigene Radwege.
Zunächst parallel zur Bahnlinie, dann durch Kasbach. Dort biege ich links ab,
folge der Fahrradbeschilderung kurz darauf nach rechts, wo der Anstieg auf schmaler
Spur kurz und heftig nach oben führt. Es geht vorbei an den Brückenstümpfen der
Remagener Brücke. Auf einem Vorplatz kann ich zum Rhein schauen, auf der anderen
Seite wird ab August im Tunnel der Brücke Theater gespielt werden. Bestimmt
wird es in dem Theaterstück darum gehen, dass die Brücke trotz Sprengung in den
Kriegstagen des März 1945 stand hielt, bevor sie nach zehn Tagen einstürzte.
Ich erreiche Erpel, eine der wenigen Flecken, die
ich im Rheinland praktisch nicht kenne. Ich bin überrascht, wie unversehrt das
kleine Städtchen ist. Ich entdecke diverse Parallelen zu Linz, aber im
Kleinformat. Stadtmauer, Stadttor, viel Fachwerk und mittendrin eine alte
romanische Kirche, die wie so manche andere Kirche im Rheinland dem Heiligen
Servatius – Bischof von Maastricht – geweiht ist. Erpel teilte die 550-jährige
Zugehörigkeit zu den Kölner Kurfürsten mit Linz. Im Linzer Bund beschützten
sich die Städte gegenseitig, und wie Linz kam Erpel in all den Wirren und
Kriegen der Geschichte meist glimpflich davon.
Ab Erpel geht es schnurstracks den Rhein entlang,
wobei ich ganz treu der Fahrradbeschilderung folgen kann. Der Radweg ist eine
Wucht, in Unkel geht es am Bahnhof vobei und dann mitten durch die Felder. Ab
dort holt mich der Regen ein, denn der Wirtschaftsweg ist naß. Über das
Siebengebirge rücken die Wolken ab, Schleierwolken halten die Sonne fern,
glücklicherweise auch den Regen. Das Wetter hält, der Asphalt trocknet ab. Und
meine Begeisterung steigt, denn der Wind hat sich gelegt. Bis Linz hatte mich
kräftiger Rückenwind unterstützt. Nun ist er kaum ein laues Lüftchen.
Über Bad Honnef und Königswinter kehre ich zum Alten
Zoll zurück.
Strecke (67 Kilometer):
Höhenprofil:
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenich betrachte das Höhenprofil und denke "super": am Anfang die Höhen und am Ende, wenn sich der Fahrradfan ausgepowert hat, der kraftsparende vll sogar entspannte Rheinweg. Allmählich formt sich das Werk um die Genüsse der Rund-Fahrradwanderwege und das freut mich sehr.
Grüße
Beate
Hallo, Dieter!
AntwortenLöschenDiese "Siebengebirgs - Tour" sind mein GG und meine Wenigkeit ;-) bequem mit dem Auto abgefahren ...
Um so mehr bin ich echt beeindruckt von deiner Leistung mal mit dem Rennrad so nach Linz ....
Und von deiner Geduld diesen so interessant ge / beschriebenen Radtourbericht ... "HUT AB"
Danke dafür, dass auch ich daran teilhaben durfte ;-) !!
Liebe Sommergrüße, Barbara
Respekt! Klingt toll, diese Tour, auch wenn ich im Siebengebirge wohl viel schieben müsste. Nach Linz möchte ich auch so gerne mal, steht schon so lange auf dem To-See-Plan, wegen der Altstadt und dem Wein.... Nur leider bis jetzt nicht geschafft. Wie so Vieles.
AntwortenLöschenViele liebe Grüße!
wow, eine strecke ganz nach meinem geschmack super.
AntwortenLöschennach deinem bericht eine tolle tour. vielen dank fürs zeigen.
mit lieben grüßen eva